01. Juli 2025
Der Horror-Thriller »28 Years Later« ist mehr als ein Zombie-Film: Er fragt, was für eine verrohte Normalität entsteht, wenn Gesellschaften kollabieren.
Der Endzeitfilm »28 Years Later« zeigt eine Gesellschaft im Katastrophenmodus.
28 Years Later beginnt mit einem schockierenden Prolog, der das Publikum sofort in die bewusst verwirrende Erzählweise des Films einführt. Dieser desorientierende Stil zahlt sich erst in der letzten, kurzen Szene aus – und auch dann nur, wenn man die Bedeutung einer Kette mit Kreuz verstanden und nachverfolgt hat, die von einem sterbenden anglikanischen Priester an einen traumatisierten blonden Jungen, seinen Sohn, weitergereicht wird, der am Ende als ein höchst seltsamer blonder Mann wieder auftaucht.
Was hat diesen Jungen zu einem so merkwürdigen Erwachsenen werden lassen? Nun, eine Zombie-Apokalypse ist offenbar kein Zuckerschlecken.
Und ja, ich weiß: Es handelt sich eigentlich nicht um Zombies, wie Regisseur Danny Boyle und Drehbuchautor Alex Garland in Interviews immer und immer wieder betonen. Wer sich an den einflussreichen ersten Teil dieser apokalyptischen Horrorfilmreihe von Boyle und Garland erinnert, weiß, dass es sich tatsächlich um »Infizierte« handelt, um Träger des »Wutvirus«, der eine katastrophale Pandemie in ganz Großbritannien auslöste, die nur wenige Menschen überlebt haben.
Der Prolog fokussiert sich auf Kinder, die in einer Zeit des Grauens aufwachsen und von ihren Eltern in kleinen Überlebensgemeinschaften erzogen – oder vielmehr: verroht – werden. Wie schon der Vorgänger 28 Days Later zeigt und kritisiert der Film ein verheerendes patriarchalisches Erbe, das durch Katastrophen und den Zusammenbruch der Zivilisation weiter angeheizt wird – eine rückständige Männlichkeit, die von gewaltsamer Kontrolle, Fortpflanzung und der Unterwerfung von Frauen besessen ist und von einem primitiven Militarismus und Kriegerkult begleitet wird.
Die Überlebenden der Pandemie wohnen größtenteils auf der abgelegenen und ländlich geprägten Holy Island, die in einen vorindustriellen, agrarischen Zustand zurückgefallen ist. Selbstverständlich gibt es dort kein einziges Mobiltelefon – nur Menschen, die im Hier und Jetzt leben. Die Insel ist der einzige bewohnte Ort in England, der außerhalb der streng bewachten Quarantänezone liegt, die den Rest der Welt vor den Opfern des »Wutvirus« schützt, der fast das gesamte Land überrollt hat. Die einzige Verbindung zwischen diesen beiden Welten, eine Dammstraße, ist nur bei Ebbe befahrbar. Und natürlich darf niemand, der sich ins befallene Gebiet wagt und sich infiziert, durch das Sicherheitstor der Insel zurückkehren.
Nach dem verstörenden Prolog, den nur der Junge mit der Kreuzkette überlebt, startet die eigentliche Handlung mit einem ganz anderen, dunkelhaarigen Jungen namens Spike (Alfie Williams), dessen Geschichte mit einer Männlichkeitsprüfung beginnt. Im Alter von zwölf Jahren wird er, nur mit Pfeil und Bogen ausgestattet, von seinem Vater Jamie (Aaron Taylor-Johnson) auf das Festland gebracht, um dort seine »erste Tötung« zu vollziehen. Die Schwierigkeit dieser Aufgabe variiert von leicht bis fast unmöglich, da sich die infizierten Menschen – die Beute der Jäger – zu diversen Unterarten weiterentwickelt haben.
»Der Film kritisiert eine rückständige Männlichkeit, die von gewaltsamer Kontrolle, Fortpflanzung und der Unterwerfung von Frauen besessen ist.«
So gibt es triefende, erbärmliche Kreaturen, die sich von Würmern ernähren und ihnen ähnlich über den Boden kriechen. Dann gibt es die vor Tollwut schäumenden, zuckenden, kreischenden, rotäugigen »schnellen Zombies« aus den ersten beiden Filmen, die inzwischen in Rudeln jagen. Und dann gibt es die »Alphas«: riesige, muskulöse, angsteinflößende Gestalten – regelrechte Goliaths, die in wunderschönen mythischen Aufnahmen am Horizont auftauchen. In ihnen hat das Virus wie eine Kombination aus Wachstumshormonen und Steroiden gewirkt. Die Pfeile der Jäger verletzen sie kaum, sondern machen sie eher wütend. Um sie zu besiegen, braucht es in der Regel ein ganzes Dorf.
Als Spike zögert, einen Infizierten zu töten – der von unbekannten Überlebenden gefesselt und kopfüber aufgehängt wurde, um ihn zu foltern –, ermutigt ihn sein Vater Jamie: »Je mehr du tötest, desto einfacher wird es.«
Die Kombination aus Religiosität und mordlüsterner Ekstase, die die Gesellschaft von Holy Island prägt, macht den Film zu einem Folk-Horror. Da passt die unheimliche, mit anglophiler Nostalgie angereicherte Szenerie und Stimmung perfekt. So versammelt sich die gesamte Gemeinde, um Spikes »erste Tötung« mit einem Trinkgelage unter einem verblassten Foto von Königin Elizabeth II. aus den 1950er Jahren zu feiern. Über der Siedlung weht stolz die Flagge des Heiligen Georg – ein Symbol, das während der Kreuzzüge von den englischen »christlichen Soldaten« genutzt wurde, als diese versuchten, das Heilige Land zu erobern und dabei zahllose Muslime und Juden töteten.
Damit diese ohnehin schon wenig subtilen Elemente nicht übersehen werden, fügt Boyle Montagen aus unterschiedlichen Epochen der englischen Geschichte ein: Dokumentaraufnahmen von Soldaten während des Ersten Weltkriegs, eine gruselige Rezitation von Rudyard Kiplings Gedicht »Boots« aus dem Jahr 1915 oder Szenen aus Laurence Oliviers Adaption von Shakespeares Henry V., in denen Schützen ihre Bögen spannen. Sie erinnern natürlich an die Wachen von Holy Island, die ebenfalls mit Pfeil und Bogen ausgerüstet sind.
Zu den in der Kultur von Holy Island Ausgegrenzten gehört auch Spikes geliebte Mutter Isla (Jodie Comer), die an einer nicht diagnostizierten Krankheit leidet, die sie sowohl körperlich als auch geistig schwächt. Sie protestiert vergeblich gegen Spikes Männlichkeitsprobe auf dem Festland, aber ihr Zustand ist so kritisch, dass sie schon in einen Zustand geistiger Verwirrung versinkt, bevor sie Jamie für dessen Verantwortungslosigkeit schelten kann.
»Hier wird eine menschliche Reaktion auf die absolute Katastrophe verhandelt. Eine solche Betrachtung braucht es.«
Es gibt keine Ärzte mehr, die die Menschen auf der Insel behandeln könnten. Jamie kümmert sich mit schlapper Zurückhaltung um Isla, was vermuten lässt, dass er die Hoffnung auf ihre Genesung aufgegeben hat. Nachdem Spike sich durch den Männlichkeitstest von seinem Vater entfremdet hat, entwickelt jedoch der Junge eine Manie, seine Mutter zu retten. Er will sie auf das Festland bringen, wo angeblich immer noch ein Arzt unter den Infizierten lebt.
Diese zweite Reise zum Festland – die Spike und Isla in den seltsamen Schutzort von Dr. Ian Kelson (Ralph Fiennes) führt – verläuft völlig anders als die erste. Die überwältigende Präsenz des Todes, so beunruhigend sie auch ist, lässt eine gewisse Ehrfurcht vor dem Leben entstehen. Wenn man zum ersten Mal Dr. Kelsons riesige Skulptur aus menschlichen Schädeln sieht, ist man auf eine grauenvolle Begegnung mit einer Figur wie Kurtz aus Joseph Conrads Erzählung Herz der Finsternis vorbereitet. Umso überraschender ist, dass die Erzählung dann eine ganz andere Wendung nimmt – obwohl Fiennes’ schrilles Lachen über seine Freude, nicht infizierte Besucher zu haben, erahnen lässt, dass auch er in einer ganz eigenen Form des funktionierenden Wahnsinns lebt.
Dem Film gebührt Anerkennung für seine packende Naturdarstellung. Diese kann in den virusbefallenen Gebieten – ohne die rücksichtslose Ausbeutung durch den Menschen – in ihrer vollen Pracht erstrahlen. 28 Years Later wurde hauptsächlich mit dem iPhone 15 Pro und Pro Max – ergänzt durch Drohnen und Filmkameras – in Northumberland nahe der schottischen Grenze gedreht. Mit den Bildern wird die Weite der nordenglischen Felder und Wälder zelebriert, immer wieder sieht man rennende Hirsche und Rehe und einen weiten, strahlend blauen Himmel.
Der Film ist teilweise inspiriert von der Coronavirus-Pandemie sowie den isolationistischen Tendenzen in der englischen Politik, die zum Brexit geführt haben. Entsprechend werden zusätzliche thematische Anklänge eingewoben. Kurz gesagt: In 28 Years Later passiert eine ganze Menge. Die sprunghaften Montagen und die temporeiche Erzählweise haben mich als Zuseherin nicht gestört, denn zumindest bleibt einem die langweilige Erfahrung, die weitere Handlung schon lange im Voraus erraten zu können, erspart. Die lockere, episodische Struktur scheint passend für eine Welt, in der die Menschheit sich immer und immer wieder radikal anpassen muss: Sowohl die Infizierten als auch die Nichtinfizierten entwickeln sich auf bizarre Weise, um mit den ebenso bizarren Umständen klarzukommen.
Insgesamt gab es bisher sehr unterschiedliche Reaktionen auf 28 Years Later, was viel mit dem Fehlen vorhersehbarer »Fan-Services« zu tun haben dürfte: Der Fan wird hier nicht einfach abgeholt. So gab es bisher viel Lob von Kritikern, aber recht niedrige Bewertungen vom breiteren Publikum. Gerade das abrupte Ende des Films, unmittelbar nach Beginn eines völlig neuen Erzählstrangs mit neuen Charakteren, hat viele Zuschauerinnen und Zuschauer enttäuscht. Dieses Ende deutet eindeutig darauf hin, dass eine Fortsetzung angedacht ist. Tatsächlich hat Garland die geplante Trilogie bereits geschrieben. Beim nächsten Teil mit dem Titel 28 Years Later: The Bone Temple soll Nia DaCosta (The Marvels, Candyman) Regie führen. Damit wolle man den bisherigen »Boys Club aufbrechen«, so Boyle. Der geplante dritte Film soll dann erneut von Boyle inszeniert werden, und Cillian Murphy wieder die Hauptrolle übernehmen – sofern die Finanzierung zustande kommt.
Das ist zu hoffen. Ich mag die Komplexität, die Spannung und die ausgefallenen Ideen in diesem Film und bin gespannt darauf, wie sich die gesamte Erzählung über die drei Teile hinweg entwickelt. Ich gehöre zu den wenigen, die das Ende des ersten Teils zu schätzen wissen – diesen plötzlichen Sprung in tiefschwarzen Humor und actiongeladenen, überschwänglichen Wahnsinn. Hier wird eine menschliche Reaktion auf die absolute Katastrophe verhandelt. Eine solche Betrachtung braucht es – nicht nur mit Blick auf die Fortsetzungen von 28 Years Later, sondern auch in Bezug auf die aktuelle Lebenslage von uns allen.
Eileen Jones ist Filmkritikerin bei JACOBIN, Autorin von »Filmsuck, USA« und Moderatorin des Podcasts »Filmsuck«.