30. März 2023
Die AfD hat das Lager rechts der CDU geeint. Als nächstes will sie die Union zerstören.
»Nun gibt es zwar Versuche, die Kategorie ›Rasse‹ wieder sagbar zu machen, parallel dazu hat sich jedoch ein alternatives, sehr viel geschickteres Konzept etabliert: Der Ethnopluralismus.«
Illustration: Marie SchwabAls sich Friedrich Merz im November 2018 zum ersten Mal um den CDU-Vorsitz bewirbt, setzt er sich ein ambitioniertes Ziel. Gegenüber der Bild sagt Merz, er wolle die AfD »halbieren«, also die Hälfte ihrer Wählerinnen und Wähler für die CDU zurückgewinnen. Die AfD, zu diesem Zeitpunkt gut fünf Jahre alt, steht bei etwa 15 Prozent. Auf ziemlich genau diesen Wert kann sie auch heute, weitere fünf Jahre später, bauen.
Beim offiziellen Gründungsparteitag der AfD im April 2013 quetschen sich mehr als tausend Menschen in einen überfüllten Hotelsaal. Sie applaudieren einem Wirtschaftsprofessor, der nicht zuletzt mit Blick auf die CDU von »Altparteien« spricht und für ein Deutschland plädiert, das weniger EU wagt, dem Markt weitgehend das Feld überlässt und gesellschaftspolitisch alles wieder ein bisschen biederer angeht.
An die Spitze der AfD werden an diesem Tag neben dem Wirtschaftsprofessor eine Chemikerin und ein früherer Journalist gewählt. Bernd Lucke, Frauke Petry und Konrad Adam haben die Partei inzwischen verlassen.
Zehn Jahre nach ihrer Gründung hat sich das Gesicht der Partei radikal gewandelt: Dominiert in der Anfangszeit die konservative EU-Kritik, ist die AfD heute in weiten Teilen eine rechtsradikale Partei. Und doch gibt es eine Konstante zwischen der ursprünglichen und der aktuellen AfD: Sie ist von Beginn an eine Sammlungspartei, die das Spektrum rechts von Union und FDP einen will. Zusammengetan hatten sich anfangs neben der ordoliberalen Strömung um einige Dutzend Wirtschaftsprofessoren ein nationalkonservatives Netzwerk aus Adligen, christlichen Fundamentalistinnen und Antifeministen.
Bereits kurze Zeit nach der Gründung formiert sich eine dritte Strömung: ein völkischer Flügel, der eng mit der selbsternannten Neuen Rechten verknüpft ist – einer Denkschule zur Restauration rechten Denkens, die sich in den 1960er Jahren gebildet hat. Seine Kernideologie ist ein völkischer Nationalismus, der unter »Volk« eine ethnisch homogene Gemeinschaft versteht und die Wirklichkeit diesem Ideal gleichmachen will.
Trotz aller Machtkämpfe, Abspaltungen und Häutungen sind in der AfD noch immer diese drei Strömungen tonangebend. Das bringt innere Widersprüche mit sich, denn Ordoliberale, Nationalkonservative und Völkische trennt Substanzielles. So gibt es bezüglich Wirtschafts- und Sozialpolitik oder Geopolitik sehr unterschiedliche Positionen. Ein weiterer Streitpunkt, um den sich die meisten Macht- und Richtungskämpfe der AfD seit ihrer Gründung drehen, ist ein strategischer: Während eine Mehrheit der Akteure der nationalkonservativen wie der ordoliberalen Strömung eine taktische Mäßigung und einen parlamentsorientierten Ansatz vorzieht, setzt ein Großteil des völkischen Flügels auf einen bewegungsorientierten, fundamentaloppositionellen Kurs.
Dennoch ist es der AfD immer gelungen, eine existenzgefährdende Spaltung zu verhindern, sich auf den Projektcharakter der Partei zu besinnen und die gemeinsame weltanschauliche Klammer im Blick zu behalten: die Ideologie der Ungleichheit.
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