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09. Juli 2025

Was die AfD sich von der Linken wünscht

Die geleakte Strategie der AfD sieht in der Linkspartei einen nützlichen Idioten, um durch Kulturkämpfe die Gesellschaft in für sie vorteilhafter Weise zu polarisieren. Die Linke sollte da in keiner Weise mitspielen.

Alice Weidel zeigt im Bundestag in Richtung Linksfraktion.

Alice Weidel zeigt im Bundestag in Richtung Linksfraktion.

IMAGO / IPON

Wer an diesem Mittwochmorgen patriotische Stockfotos bestaunt und sich gefragt hat, ob er gerade KI-generierten Text konsumiert, der hat höchstwahrscheinlich mitbekommen, dass Politico gestern ein internes Dokument der AfD geleakt hat. Eine Powerpoint-Präsentation von einer Klausur der AfD-Bundestagsfraktion zur »Einleitung des Strategieprozesses« gibt Aufschluss über das dreidimensionale Schach, mit dem die Partei alle ihre Gegenspieler überlisten will.

Die AfD will die Brandmauer einreißen und Alice Weidel zur Kanzlerin machen – so weit, so erwartbar. Interessanter ist, dass ausgerechnet die Linkspartei dabei eine Schlüsselrolle spielen soll. Die Strategie sieht nämlich als ersten Punkt eine »kulturelle Polarisierung zwischen AfD und Linken« vor: Die AfD will gezielt Kulturkämpfe mit der Linkspartei anzetteln, um das gesamte Parteienspektrum in »Bürgerlich-konservativ vs. Linksradikal« aufzuspalten. In der Folge bliebe die AfD als einzig mögliche Koalitionspartnerin der Union übrig. Die Brandmauer würde fallen und der Weg zu einer AfD-Regierungsbeteiligung oder gar -Kanzlerschaft wäre frei. So weit der Plan.

Wahrscheinlich überschätzt die AfD dabei ein bisschen, wie linksradikal die Klingbeil-SPD und die Brantner-Grünen sind. Aber das sei einmal dahingestellt. Die Linke kann der AfD jedenfalls dankbar sein, dass sie so unmissverständlich klarstellt, dass es sich beim Kulturkampf um eine Falle handelt. Jetzt kann sie ganz in Ruhe ihr klassenpolitisches Profil schärfen, wie wesentliche Teile der Partei es ohnehin vorhaben.

»Wenn der Masterplan der AfD wirklich davon abhängt, ob die Linke immer auf Kommando übers ›Gender-Gaga‹-Stöckchen springt, dann sollte es ein Leichtes sein, ihren Aufstieg zur Macht zu verhindern.«

Denn der Strategieaufschlag offenbart nicht nur, was für eine Art von Linkspartei die AfD sich wünscht, sondern implizit auch, was für eine Linke sie so gar nicht gebrauchen kann. So listet sie unter der Überschrift »Wo wir stark sind« eine Reihe von Zielgruppen auf, zu denen es spezialisierte AGs geben soll: »Ostdeutsche, ländlicher Raum, Arbeiter, Russlanddeutsche, Jungwähler« – Zielgruppen also, um die auch eine gut beratene Linke sich kümmern sollte.

Es liegt auf der Hand, dass die Linke ihre ehemaligen Hochburgen in Ostdeutschland wieder aufbauen muss. Ebenso sollte sie auf den ländlichen Raum ein besonderes Augenmerk legen, wenn sie keine Partei der »urbanen Eliten« werden will. Dass eine Linke mit Arbeiterpartei-Anspruch Arbeiter ansprechen muss, ist nun wirklich das Offensichtlichste auf der Welt. Ines Schwerdtner hat in ihrem erfolgreichen Direktwahlkampf in Berlin-Lichtenberg aber auch gezeigt, dass tendenziell proletarische russlanddeutsche Zentren kein AfD-Territorium sein müssen. Und dass die Linke bei der vergangenen Bundestagswahl bereits zur stärksten Kraft unter jungen Wählerinnen und Wählern avanciert ist, dürfte die AfD ebenfalls schon jetzt schmerzen.

Wenn der Masterplan der AfD wirklich davon abhängt, ob die Linke immer auf Kommando übers »Gender-Gaga«-Stöckchen springt, dann sollte es ein Leichtes sein, ihren Aufstieg zur Macht zu verhindern. Die größere Gefahr ist freilich, dass sie auch ohne eine gute Strategie gewinnt – einfach weil ihre Mitbewerber ebenfalls keine guten Strategien haben.

Thomas Zimmermann ist Print Editor bei JACOBIN.