26. Dezember 2021
Die Mutter von Tupac Shakur kämpfte im Prozess gegen die Black Panther Party um ihr Leben. Schwanger vertrat sie sich selbst und gewann.
Die Black Panther Elmer Howard, Afeni Shakur und Raymond Hewitt, 1971.
Afeni Shakur ist bereit, zu kämpfen.
Sie hat bereits elf Monate im Frauengefängnis verbraucht, und, obwohl sie auf Kaution entlassen wurde, ist sie nicht frei. Es ist der 8. September 1970,sie wartet vor dem New York County Criminal Court in Manhattan. Vor siebzehn Monaten wurde sie wegen versuchtem Mord, Verschwörung zu Mord und Bombenanschlägen angeklagt. Bei einer Verurteilung droht ihr lebenslange Haft.
Zu alledem ist sie schwanger mit ihrem ersten Kind – einem Jungen.
Für die Geschworenen, die über ihr Schicksal entscheiden werden, sieht Afeni wie ein beliebiges anderes junges Mitglied der Black Panther Party aus – eine durchschnittlich große, dreiundzwanzigjährige Schwarze. Die Medien haben die letzten Jahre damit verbracht, Angst vor den Panthers zu verbreiten.
Bald wird sie vor einem weißen Richter und einem weißen Team an Staatsanwälten treten. Die Regierung ihres Landes versucht aktiv, die Organisation, in der sie Mitglied ist, auszulöschen, so wie sie mit allen Gruppen, die sie für gefährlich hielten, verfahren sind.
Doch Afeni kann es sich nicht leisten, sich durch diese Umstände ablenken zu lassen. Sie ist im Begriff, sich in ihrem Prozess ohne Beihilfe eines Rechtsanwaltes selbst zu verteidigen – eine Entscheidung, die von vielen als selbstmörderisch betrachtet wird.
Afeni ist nicht alleine. In Prozess The People of the State of New York v. Lumumba Shakur et al. gibt es zwölf weitere Angeklagte, alle Teil der »Panther 21«, welche am 2. April 1969 festgenommen wurden und denen versuchter Mord, Brandstiftung und Terrorismus vorgeworfen wird.
Es liegt nun allein an ihr, ihre eigene Unschuld zu beweisen. Wenn sie für schuldig befunden wird, droht ihr eine Haftstrafe von 350 Jahren. Sie hat keine Erfahrung vor Gericht und keinerlei juristische Ausbildung.
»Wir hatten keine Ahnung, womit wir es zu tun hatten«, sagt Shakur über ihre Erfahrung im Rückblick. »Das Ganze war einige Nummern zu groß für uns«. Doch sollte sie versagen, ist ihr Leben, und das ihres Kinds, vorbei.
Ob gewaltsam oder gewaltlos, in ihrer Zeit als Mitglied der Panthers und danach als Aktivistin versuchte Afeni Shakur das System der Unterdrückung, in das sie geboren worden war, niederzureißen. Doch sie glaubt, dass sie und die Black Panther Party am Ende daran gescheitert sind.
»Stattdessen haben wir uns gegen Gott gewandt, und wie willst Du so gewinnen? Um zu siegen, brauchst du einen moralischen Imperativ«, so Afeni. »Das haben wir nicht verstanden. Wir haben Gewalt auf uns gezogen. Wir haben Bitterkeit angezogen.«
Diesen frühen Überlebenskampf hat Afeni zweifelsfrei gewonnen. Sie sollte festgenommen und auf Kaution freigelassen werden, als ihre eigene Rechtsanwältin fungieren und eine entscheidende Rolle im Freispruch der Panther 21 im Mai 1971 spielen. Einen Monat später wird sie ihren Sohn gebären.
Sie wird dabei zusehen, wie er zu einem Mann heranwächst, der ihre Werte einem globalen Publikum näher bringt, als einer des berühmtesten und beliebtesten Schwarzen der Welt, nur, um ihn im Alter von 25 Jahren zu verlieren, als er an Schussverletzungen stirbt. Die Gewalt, die die Panthers zerstörte, sollte auch das Leben ihres ersten Kindes nehmen.
Afeni, die 2016 verstarb, hatte ein Leben voller Sorgen. Kurz nach ihrer Freilassung wurde sie drogenabhängig, was die Beziehung zu ihrem Sohn immer belastete. Mit zunehmendem Erfolg seiner Musikerkarriere entfremdete er sich immer mehr von ihr, ebenso ihre Tochter Sekyiwa. Afeni war manchmal impulsiv und selbstbezogen. Sie konnte stur und reizbar sein.
Zu keinem Zeitpunkt in ihrem Kampf vergaß sie allerdings ihre Leute. Wie viele schwarze Frauen aus den Südstaaten, geboren Jahrzehnte vor Ende der Rassentrennung durch die »Jim Crow«-Gesetze, wurde sie in diesen gewaltvollen Kampf hineingeboren. Es schien, als wolle sie die Welt sie in Stücke reißen.
Doch wieder und wieder, bis zu ihrem Tod im alter von 69 Jahren, ging Afeni aus diesem Kampf als Siegerin hervor.