22. Juli 2020
Das Geschäft von Airbnb ist in der Corona-Pandemie völlig zusammengebrochen. Das hat großen Leerstand in genau den Städten zur Folge, die am schlimmsten unter der Wohnungskrise leiden. Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, um gegen Airbnb vorzugehen und den Wohnraum in öffentliches Eigentum zu überführen.
Airbnb-Wohnungen wie diese in Wien blieben während der Corona-Pandemie leer.
Airbnb ist seit Jahren eine Plage für viele Großstädte. Die Umwandlung von Wohnungen in Kurzzeit-Mietobjekte erhöht erwiesenermaßen die lokalen Mietpreise. Gleichzeitig beschweren sich Anwohnerinnen und Anwohner, dass Airbnb ihre Nachbarschaften zerstört. In ganz Europa haben Behörden mit unterschiedlichem Erfolg versucht, die Plattform einzuschränken und zu regulieren. Das zeigt sich zum Beispiel in London, wo davon ausgegangen wird, dass im Mai 2019 beinahe ein Viertel aller Angebote gegen die Verordnung verstießen, wonach eine Wohnung nur für maximal 90 Tage im Jahr bei Airbnb inseriert werden darf.
Die städtischen Behörden setzten ihren Kampf gegen die Plattform auch zu Beginn diesen Jahres fort. So haben acht europäische Städte Berufung gegen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs eingelegt, das Airbnb von der Notwendigkeit einer Maklerlizenz befreit. Zudem forderten die französischen Steuerbehörden Daten von Airbnb, um wegen Steuerhinterziehung gegen Hosts zu ermitteln. Und Schottland erließ im Januar neue Gesetze, die es lokalen Behörden erlauben, Kurzzeit-Vermietungen besser zu regulieren.
Dann kam die Pandemie und brachte über Nacht die gesamte Reiseindustrie zum Erliegen. Mit ihr verlagert sich die Macht von Airbnb hin zu den Städten.
Einige der Airbnb-Hosts schäumten vor Wut, weil sie keine Unterstützung von Seiten des Unternehmens erhielten. Das Mitleid für Leute, die jahrelang davon profitierten, dass Wohnungen dem Mietmarkt entzogen wurden, hält sich jedoch in Grenzen. Nachdem die Buchungen in manchen Städten um bis zu 96 Prozent eingebrochen waren, strich Airbnb lieber alle nicht notwendigen Ausgaben und entließ 1.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Als sich abzeichnete, dass diese Krise länger dauern und der Tourismus für geraume Zeit nicht wieder in Gang kommen würde, tauchten die Kurzzeit-Wohnungen wieder auf dem regulären Mietmarkt auf. In Dublin zum Beispiel erhöhte sich die Zahl der Wohnungsanzeigen im März um 64 Prozent, woraufhin die Mietkosten im April so stark fielen wie seit zehn Jahren nicht mehr. Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch in anderen Städten in Europa sowie in Australien und Kanada beobachten. Das ist der definitive Gegenbeweis zu der Behauptung von Airbnb, sein Angebot habe keinen Einfluss auf die lokalen Mietpreise.
Einige europäische Städte haben deutlich gemacht, dass sie ihre neue Macht nutzen wollen, um gegen Airbnb vorzugehen. Zwar hat Schottlands Entscheidung, bestimmten Airbnb-Hosts Unternehmenszuschüsse zu geben, einige Stadträte in Edinburgh verärgert. Sie hoffen jedoch, dass sie die dadurch gesammelten Daten nutzen können, um stärker gegen Airbnb vorgehen zu können. Lissabon hingegen wurde für das neue Vorhaben gelobt, mehr Airbnb-Wohnungen auf den regulären Wohnungsmarkt zurückzuholen. Zugleich befreit die Stadt jedoch Vermieterinnen und Vermieter von Eigentums- und Kapitalertragssteuern – eine äußerst großzügige Behandlung für Leute, die die Verschärfung der Wohnungskrise mitverschuldet haben. Glücklicherweise schlagen die Behörden in anderen Städten einen radikaleren Ansatz vor.
So will Ian Brossat, stellvertretender Bürgermeister von Paris und zuständig für den Bereich Wohnen, »die Kontrolle wiedererlangen« und dazu »einige der Apartments mit städtischen Geldern kaufen, um sie wieder dem traditionellen Wohnungsmarkt zuzuführen«. Auch die Ende Juni wiedergewählte Bürgermeisterin Anne Hidalgo bekräftigte ihren Plan, die Menschen von Paris in einem Referendum darüber abstimmen zu lassen, ob ein jährlicher Maximalzeitraum festgesetzt werden soll, für den eine Wohnung als Kurzzeitunterkunft vermietet werden darf. Die Abstimmung wird voraussichtlich im November stattfinden.
»Die Mieten mögen in manchen Städten durch die Pandemie gesunken sein – ohne beherzte politische Maßnahmen ist es jedoch unwahrscheinlich, dass das auch so bleibt.«
Ähnliche Pläne zum staatlichen Rückkauf von Airbnb-Wohnungen hat auch der irische Wohnungsminister Darragh O’Brien – und das obwohl die neue irische Regierung ein Rechtsbündnis ist. Gegenüber TheJournal.ie erklärte er: »Sollte es für den Staat die Möglichkeit geben, zu einem vernünftigen Preis Wohnungen zu kaufen, damit wir sie den Menschen zur Verfügung stellen und diese sie zu sicheren Konditionen vom Staat mieten können, dann sollten wir das tun.«
Nachdem jahrelang mit Vorschriften gegen Airbnb vorgegangen wurde, die die Plattform so gut wie immer zu umgehen wusste oder schlicht ignorieren konnte, ist diese Aussicht mehr als begrüßenswert. Auch in anderen Städten sollten die Menschen von ihren Vertreterinnen und Vertretern ein ähnliches Vorgehen verlangen. Denn die Städte können die durch die Pandemie gewonnene Oberhand dazu nutzen, nicht nur das Anbieten ganzer Wohnungen auf Airbnb – oder auch gleich die gesamte Plattform – zu verbieten, sondern darüber hinaus die angebotenen Immobilien in öffentliches Eigentum zu überführen.
Aus diesen Wohneinheiten könnten innerhalb kürzester Zeit Sozialwohnungen für wohnungslose Menschen gemacht werden, die aktuell in Notunterkünften, in Übergangswohnungen oder auf der Straße leben. Dabei wäre der Kampf gegen Airbnb jedoch nur ein Teil einer breiteren Strategie, um sicherzustellen, dass der Wohnungssektor den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner entspricht und nicht den Interessen derjenigen, die nach Investmentmöglichkeiten suchen. Die Mieten mögen in manchen Städten durch die Pandemie gesunken sein – ohne beherzte politische Maßnahmen ist es jedoch unwahrscheinlich, dass das auch so bleibt.
Denn drohende Zwangsräumungen in den USA und in Großbritannien zeigen, dass weiterhin Schutzmaßnahmen nötig sind, damit Menschen ihre Wohnungen nicht verlieren. Außerdem braucht es großflächige Investitionen in sozialen Wohnungsbau, um sicheren Wohnraum zu garantieren und in einer kollabierenden Wirtschaft Arbeitsplätze zu schaffen. Der Aufruf einiger Stadträte in Großbritannien, 100.000 neue Sozialwohnungen für diejenigen zu schaffen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, ist ein guter Ausgangspunkt.
Airbnb hat den Bewohnerinnen und Bewohnern der Städte jahrelang das Leben schwer gemacht. Jetzt ist die Plattform durch die Pandemie dem Wohlwollen ihrer Investorinnen und Investoren sowie der Kommunen ausgeliefert – und daran wird sich so schnell nichts ändern. Die Städte haben die seltene Gelegenheit, das Unternehmen aus ihren Bezirken zu verbannen, diejenigen Wohneinheiten zu übernehmen, die ausschließlich dem Tourismus dienen, und dafür zu sorgen, dass in Zukunft sämtliche Formen der Vermietung ordentlich reguliert werden. Sie sollten diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen.