22. April 2024
Alexander Bogdanow spielte eine Schlüsselrolle in der sozialistischen Bewegung Russlands vor der Oktoberrevolution. Neben philosophischen und ökonomischen Werken schrieb er auch einen Science-Fiction-Roman über eine sozialistische Zivilisation auf dem Mars.
Porträtfotografie von Alexander Bogdanow aus dem Jahr 1903.
Alexander Bogdanow, einer der vielseitigsten und kreativsten Denker Russlands in der Revolutionsära, war nicht nur politisch aktiv, sondern auch ein produktiver Autor. Er schrieb über Philosophie, Ökonomie, Bildung und Kultur, wobei zu seinen Werken unter anderem ein Science-Fiction-Roman über eine sozialistische Zivilisation auf dem Mars zählt.
Aufgrund seines Konflikts mit Wladimir Lenin wurde er jedoch fast vollständig aus den historischen Aufzeichnungen gelöscht. Wenn Bogdanow zu Sowjetzeiten Thema war, dann ausschließlich aus leninistischer Sicht. Erst seit kurzem sind Bogdanows Leben und Werke Gegenstand akademischer Arbeiten.
Er verdient es, als eine der faszinierendsten Persönlichkeiten der russischen sozialistischen Bewegung während dieser turbulenten Zeiten erinnert zu werden.
»Bogdanow« ist das Pseudonym von Alexander Alexandrowitsch Malinowski, der am 22. August 1873 in dem Dorf Sokółka in der Provinz Grodno geboren wurde. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Tula, einer Stadt nahe Moskau, in der sein Vater als Schulinspektor arbeitete. Bogdanow begann 1892 ein Studium der Naturwissenschaften an der Moskauer Universität und spezialisierte sich auf Biologie. Doch nur zwei Jahre später wurde er aufgrund der Teilnahme an einer Studentendemonstration ausgeschlossen und in seine Heimatstadt Tula verbannt.
Tula war ein industrielles Zentrum und beheimatete viele Arbeiterinnen und Arbeiter, von denen einige Bildungsvereine organisierten. Bogdanow wurde von einem von ihnen eingeladen, einen Kurs über Ökonomie zu geben. Während dieses Ökonomie-Kurses entstand sein erstes Buch – Der Kurzlehrgang der Wirtschaftswissenschaft von 1894.
»Der rote Planet zeigt durch die Augen des Erzählers – einem russischen Wissenschaftler und Revolutionär, der von einem marsianischen Abgesandten auf den fremden Planeten geholt wurde – eine sozialistische Hightech-Zivilisation auf dem Mars.«
Auch wenn dies im Buch nicht explizit erwähnt wird, ist der Kurzlehrgang eine Darstellung der ökonomischen Ideen von Karl Marx. Sie beginnt historisch mit dem Kollektivismus der Urgesellschaft und verfolgt die Entwicklung über die Sklavenhalter- und Feudalgesellschaft bis hin zum kapitalistischen Zeitalter. In nachfolgenden Überarbeitungen seines Werks fügte er Verbesserungen hinzu, die von seinen philosophischen Arbeiten inspiriert waren.
Ein wichtiges Beispiel dafür ist die Idee, dass die Gesellschaft, als sie sich weiterentwickelte, aufhörte, homogen zu sein und sich in zwei Gruppen aufspaltete: Jene, die Befehle gibt, und jene, die sie ausführt. Im späteren historischen Prozess habe sich die Gesellschaft sogar noch weiter aufgespalten, als sich Berufszweige – jeder davon mit seinem eigenen Erfahrungsschatz – entwickelten.
Bogdanow hatte die Vorstellung, dass mit zunehmender Mechanisierung die Industriemaschinen anfangen würden, Routinearbeiten auszuführen und die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Folge hauptsächlich Aufsichtsfunktionen auszuüben hätten. Auf diese Weise würden sie Eigenschaften sowohl von Organisierenden als auch von Befehlsausübenden annehmen. So könnte die uralte Spaltung überwunden werden.
Bogdanow durfte zwar nicht an die Moskauer Universität zurückkehren, jedoch gelang es ihm, die Erlaubnis zu erhalten, an der Kiewer Universität Medizin zu studieren und den Doktor zu machen. Im November 1899 wurde er wegen der Durchführung sozialistischer Propaganda unter den Arbeiterinnen und Arbeitern verhaftet. Nach sechs Monaten Gefängnisaufenthalt in Moskau wurde er erst nach Kaluga und später nach Wologda verbannt, wo er drei Jahre verbrachte.
Bogdanows Exil in Wologda war für seine intellektuelle Weiterentwicklung eine wichtige Zeit. Während der Diskussionen mit anderen Exilanten vor Ort, insbesondere mit Nikolai Berdjajew, artikulierte er einige seiner bekanntesten Ideen. Eine davon war das Konzept des Sozialismus als kontinuierliche Entwicklung – eine Vorstellung, die er auch in seinen Science-Fiction-Roman Der rote Planet übernommen hat.
Der rote Planet wurde 1908 veröffentlicht und zeigt durch die Augen des Erzählers – einem russischen Wissenschaftler und Revolutionär, der von einem marsianischen Abgesandten auf den fremden Planeten geholt wurde – eine sozialistische Hightech-Zivilisation auf dem Mars. Das Buch inspirierte nachfolgende Science-Fiction-Autoren in der Sowjetunion wie auch im Westen.
Während seiner Zeit in Wologda schrieb Bogdanow den ersten Band seines dreibändigen Hauptwerks Empiriomonismus. Der zweite Band erschien während der Revolution von 1905 und der dritte Band 1906.
Bogdanows Ausbildung zum Naturwissenschaftler und Mediziner bestärkte seine Überzeugung, dass die Philosophie die zwei wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen seiner Zeit in sich aufnehmen müsse: die Theorie der natürlichen Selektion und den Energieerhaltungssatz. Er wurde von den Arbeiten von Richard Avenarius und Ernst Mach inspiriert, die diesen Versuch bereits unternommen hatten.
»Bogdanow half Lenin, aus den Bolschewiki eine ernstzunehmende politische Kraft zu machen.«
Zur Entwicklung seiner eigenen philosophischen Ideen nahm Bogdanow die Kritik der reinen Erfahrung von Avenarius zum Ausgangspunkt. Er bemängelte jedoch an Avenarius’ Arbeit, dass er sich der Frage der Erkenntnis vom menschlichen Individuum her annäherte und nicht von der Gesellschaft als Ganzer.
Für Bogdanow war das Kriterium der objektiven Wahrheit dessen »soziale Gültigkeit«. Die Gültigkeit der Erkenntnis müsse vom Standpunkt des menschlichen Kollektivs aus beurteilt werden. Der Standpunkt des isolierten Individuums hingegen ermögliche nur einen fragmentierten Blick auf die Realität, und würde alle möglichen Formen des Fetischismus bestärken, inklusive des Warenfetischismus im Marxschen Sinne.
Während Bogdanow sich in Wologda im Exil befand, fand der zweite Kongress der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) statt, auf dem sich Bolschewiki und Menschewiki spalteten. Durch die Korrespondenz mit Lenin war es ihm jedoch möglich, aktuell informiert zu bleiben. Im Frühling 1904 besuchte er Lenin und seine Frau in Genf.
Bogdanow ergriff Partei für die Bolschewiki, da er es für falsch hielt, wie die Menschewiki die Resolution des Kongresses missachteten. Er war nicht einverstanden mit der von Lenin in Was tun? entwickelten Idee, wonach es der arbeitenden Klasse unmöglich sei, ohne Hilfe der sozialistischen Intelligenzija das sozialistische Ideal zu erreichen. Bogdanows Ansicht nach war es umgekehrt die Intelligenzija, die durch den Einfluss der Arbeiterinnen und Arbeiter Disziplin lernen musste.
Zum Zeitpunkt von Bogdanows Besuch bei Lenin war dieser politisch isoliert. Die Menschewiki hatten die Kontrolle über die Institutionen der Partei und die Parteizeitung Iskra übernommen. Bogdanow half Lenin, aus den Bolschewiki eine ernstzunehmende politische Kraft zu machen. Er fand eine Finanzierung für eine Zeitung, die Lenin herausgeben konnte, indem er seine Kontakte dafür gewann, Artikel beizutragen und organisierte einen Dritten Parteikongress, an dem nur Bolschewiki teilnahmen.
Während der Januarrevolution von 1905 gab Lenin in Genf die Vpered heraus und Bogdanow war Vorsitzender der Bolschewiki in St. Petersburg. Obwohl die Umstände eine zentralistische Führung erforderten, bestand Bogdanow darauf, dass die Führung der demokratischen Kontrolle der Parteimitglieder unterliegen müsse, was er als »demokratischen Zentralismus« bezeichnete.
Als Mitglied des Exekutivkomitees des St. Petersburger Sowjets wurde Bogdanow im Dezember 1905 verhaftet und erst im Mai 1906 wieder freigelassen. Ende 1907 waren Bogdanow und Lenin dazu gezwungen aufgrund der zunehmenden politischen Repression des zaristischen Regimes Russland in Richtung Westeuropa zu verlassen.
Im Nachgang der Revolution von 1905 entstanden zwischen Bogdanow und Lenin ernsthafte Meinungsverschiedenheiten. Bogdanow war der Ansicht, dass die Bedingungen, die 1905 zur Revolution geführt hatten, immer noch existierten und schon bald eine neue revolutionäre Welle erzeugen würden. Dies bedeutete, man müsse Kader der Arbeiterinnen und Arbeiter in Parteischulen auf eine zukünftige Revolution vorbereiten.
Lenin hingegen vertrat die Ansicht, die revolutionäre Periode sei zu Ende gegangen. Die beste Taktik, der man sich bedienen könne, sei der Parlamentarismus unter Ausnutzung der Vorteile des Parlaments, das die zaristische Regierung zuzulassen gezwungen war: der Duma. Bogdanow beanstandete, die Teilnahme an der Duma solle nicht die einzige Taktik der Bolschewiki sein und man dürfe es der Duma-Fraktion der SDAPR nicht erlauben, unter Missachtung der Parteilinie zu handeln.
Er verlangte, der Fraktion ein Ultimatum zu stellen: Entweder ihr unterwerft euch der Parteilinie oder ihr werdet aus der Duma abberufen. Lenin seinerseits bezichtigte Bogdanow ein »Abberufer« und »Ultimatumist« zu sein und eine politische Zelle in der Parteischule zu bilden, die er auf der Insel Capri organisiert hatte.
»Die Stärke einer Kette bemisst sich an ihrem schwächsten Glied; ein Geschwader kann nur so schnell segeln, wie ihr langsamstes Schiff; eine logische Folge von Argumenten bricht ein, wenn eines ihrer Glieder der Kritik nicht standhält.«
Um Bogdanows Ansehen als Philosoph zu untergraben, veröffentlichte Lenin 1909 seine polemische Schrift Materialismus und Empiriokritizismus. Die Schrift griff Bogdanows Ideen nicht direkt an, jedoch die derjenigen Denker, von denen Lenin annahm, dass sie Bogdanow beeinflusst hätten – vor allem Mach und Avenarius.
In seinem Versuch, nachzuweisen, dass Bogdanow kein Marxist, sondern ein Idealist war, schrieb Lenin Bogdanow Positionen zu, die dieser gar nicht teilte. Als Erwiderung darauf veröffentlichte Bogdanow die Schrift Glauben und Wissenschaft. Er wies darin auf Lenins Verzerrungen hin und kritisierte die quasi-theologische Haltung, die sowohl Lenin als auch Georgi Plechanow zu den Schriften von Marx und Engels einnahmen.
Obwohl es Bogdanow gelang, sich in der theoretischen Debatte zu behaupten, schaffte es Lenin, ihn politisch zu besiegen. In einem eigens dafür einberufenen Treffen des bolschewistischen Zentrums im Juni 1909 schlossen Lenin und seine Verbündeten Bogdanow aus der bolschewistischen Fraktion der SDAPR aus. Obwohl dieses Handeln illegitim war, blieb der erwartete Parteitag aus, an dem die Entscheidung hätte revidiert werden können. Von da an gehörte Bogdanow keiner politischen Partei mehr an.
Bogdanow nutzte die ihm 1913 anlässlich des 300. Jubiläums der Romanow-Dynastie gewährte Amnestie, um nach Russland zurückzukehren und sich in Moskau niederzulassen. Als 1914 der Krieg ausbrach, wurde er als Assistenzarzt in die Armee eingezogen. Der Zusammenbruch der Zweiten Internationale und die Neigung der Arbeiterklasse, der Kriegsbegeisterung in den kriegsführenden Staaten zu erliegen, schockierten ihn.
Bekannterweise erklärte Lenin sich dieses Phänomen mit der Existenz einer »Aristokratie« innerhalb des Proletariats, die vom Imperialismus profitiere. Für Bogdanow jedoch zeigte die Reaktion der Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Krieg, dass diese von der Kraft der bourgeoisen Kultur überwältigt worden seien. Er glaubte, eine kollektivistische proletarische Kultur sei erst im Entstehen und müsse beträchtlich weiterentwickelt werden, um dem von der Bourgeoisie geschaffenen individualistischen Umfeld zu widerstehen.
Ein wiederkehrendes Thema in Bogdanows Schriften ist, dass das menschliche Wissen durch die Arbeitsteilung und das Aufkommen von verschiedenen Berufszweigen fragmentiert werde. Sein Hauptwerk ist die Allgemeine Organisationslehre: Tektologie an der er 1913 zu arbeiten begann. Das Werk war dazu gedacht, diese Fragmentierung zu überwinden, indem es Disziplinen übergreifende Muster offenlegt, die gleichermaßen auf Dinge, Menschen und Ideen anwendbar sind.
»Bogdanow leistete einen wichtigen Beitrag zum sowjetischen System, indem er die Prinzipien der sowjetischen Wirtschaftsplanung formulierte.«
Bogdanow nannte als Beispiele für diese Muster das »Prinzip der Selektion« und das »Prinzip des geringsten Aufwands«. Im Falle des Selektionsprinzips war er der Ansicht, es sei nicht nur auf die Biologie anwendbar, sondern auf alle Sphären der Existenz. Jedes System überlebt oder geht unter, abhängig davon, wie sehr es fähig ist, sich seiner Umgebung anzupassen.
Das Prinzip des geringsten Aufwands ist nach Bogdanow ebenfalls universell anwendbar: In jedem System sei das Ganze abhängig von seinem schwächsten Bestandteil: Die Stärke einer Kette bemisst sich an ihrem schwächsten Glied; ein Geschwader kann nur so schnell segeln, wie ihr langsamstes Schiff; eine logische Folge von Argumenten bricht ein, wenn eines ihrer Glieder der Kritik nicht standhält. Bogdanow sah die Tektologie als eine proletarische Enzyklopädie an – ein Werk, das sowohl das Wissen als auch die Erfahrungen enthielt, die zukünftige kollektivistische Gesellschaften brauchen würden.
Viele Sozialistinnen und Sozialisten waren optimistisch, dass aus den zentralisierten Kriegswirtschaften der kriegsführenden Länder des Ersten Weltkriegs eine sozialistische Gesellschaft entstehen würde. Diese Ansicht teilte Bogdanow nicht. Er betrachtete diese Ökonomien als eine Form des »Kriegskommunismus«, als Symptome einer im Niedergang befindlichen Wirtschaftsweise.
Als das zaristische Regime im Februar 1917 zusammenbrach, hoffte Bogdanow auf das Entstehen einer neuen demokratischen Ordnung in Russland. Bei den Bolschewiki sah er dieselben autoritären Merkmale, die auch den Zarismus charakterisierten. Aus Bogdanows Sicht konnte nur eine »Kulturrevolution« Abhilfe schaffen – eine Bewegung, die der russischen Gesellschaft zumindest Demokratie beibringen würde.
Bogdanow lehnte 1918 die Einladung ab, sich an der neuen Sowjetregierung zu beteiligen. Er sah sie als zu autoritär an und bescheinigte ihr einen Mangel an »genossenschaftlicher Kooperation«. Nichtsdestotrotz leistete er 1921 einen wichtigen Beitrag zum sowjetischen System, indem er die Prinzipien der sowjetischen Wirtschaftsplanung formulierte.
Da alle Sektoren voneinander abhängig waren, sollte nach Bogdanow ein Gleichgewicht zwischen ihnen hergestellt werden. Entsprechend dem tektologischen Prinzip des geringsten Aufwands argumentierte er, dass das Wirtschaftswachstum von der Größe des unterentwickeltsten der grundlegenden Produktionszweige begrenzt werde. Genau diese Sektoren sollten durch die Zuführung von Ressourcen und Arbeitskraft priorisiert werden. Das sowjetische Modell der Wirtschaftsplanung folgte diesen Prinzipien, bis Stalin sie 1929 widerrief.
Zwischen 1918 und 1920 befand sich Bogdanows Einfluss auf dem Höhepunkt. Seine Schriften zählten zu den Standardwerken der sozialistischen und marxistischen Theorie. Sein Roman Der rote Planet war die einzige Vision einer sozialistischen Gesellschaft, die die Bolschewiki zur Verfügung hatten.
»Bluttransfusionen hatten für Bogdanow eine besondere Bedeutung, da er sie als eine Form der sozialen Integration verstand.«
Seine Ideen inspirierten den Proletkult, eine berühmte Organisation mit Gruppen in der gesamten Sowjetrepublik, die sich sogar einer internationalen Sektion rühmte. Lenin beendete jedoch 1920 die Unabhängigkeit des Proletkults, indem er ihn dem Volkskommissariat für Bildung unterstellte. Im selben Jahr startete er eine Kampagne gegen Bogdanow persönlich. Er veranlasste eine Wiederveröffentlichung seines Buchs Materialismus und Empiriokritizismus mit einer Einführung, in der er die Tektologie und andere theoretische Arbeiten Bogdanows anprangerte.
Die Anti-Bogdanow-Kampagne gipfelte im September 1923, als er von der Vereinigten staatlichen politischen Verwaltung (GPU) verhaftet wurde. Man verdächtigte ihn, ideologische Verbindungen zur oppositionellen Gruppe Arbeiterwahrheit zu unterhalten. Es gelang ihm jedoch, Feliks Dzierżyński, den Chef der GPU, von seiner Unschuld zu überzeugen. Alles in allem verbrachte Bogdanow fünf Wochen in Haft und schätzte sich glücklich, mit dem Leben davongekommen zu sein. Nach diesem Vorfall wurde es für Bogdanow jedoch schwieriger, seine Schriften zu publizieren oder an akademischen Aktivitäten teilzunehmen.
Aufgrund dieser Restriktionen beschäftigte sich Bogdanow von da an hauptsächlich mit der medizinischen Forschung. Auf seinen Vorschlag hin gründete das Volkskommissariat für Gesundheit 1926 ein Institut für Hämatologie und Bluttransfusionen und ernannte ihn zum Direktor. Zu dieser Zeit befanden sich Bluttransfusionen im Anfangsstadium und viele der Eigenschaften von Blut waren noch unentdeckt.
Bluttransfusionen hatten für Bogdanow eine besondere Bedeutung, da er sie als eine Form der sozialen Integration verstand. Als solche beschrieb er sie auch in Der rote Planet. Im März 1928 wollte Bogdanow einen Blutaustausch mit einem Studenten der Moskauer Universität durchführen, eine Standardprozedur am Institut. Jedoch waren das Blut von Bogdanow und dem Studenten inkompatibel, was damals noch nicht vorhergesehen werden konnte. Bogdanow litt fünfzehn Tage lang unter schrecklichsten Schmerzen und verstarb am 7. April 1926.
Bogdanow war eine der herausragendsten Persönlichkeiten der russischen revolutionären Bewegung und des frühen Sowjetstaates. Seine Werke als sozialistischer Denker sind von bleibendem Interesse. Weil er mit Lenin in Konflikt geriet und ab 1920 zur Unperson wurde, ist seine Existenz in der Geschichtswissenschaft leider wenig beachtet worden. Sein intellektuelles Vermächtnis wurde in den letzten Jahren jedoch wiederentdeckt; auch seine Rolle als Pionier der Systemtheorie wird nun anerkannt. Es bleibt jedoch noch viel zu tun, um Bogdanow den Platz in der modernen russischen Geschichte einzuräumen, den er verdient hat.