24. November 2023
Heute streiken Amazon-Beschäftigte in Europa, Großbritannien und den USA. Hinter ihnen steht ein breites Bündnis von Aktivistinnen und Abgeordneten, die entschlossen sind, Amazons arbeiterfeindliche und klimaschädliche Praktiken zu beenden.
Streik bei Amazon in Dortmund am »Amazon Prime Day«, 11. Juli 2023.
Im Juli, als unser Planet den heißesten Monat seit Beginn der Aufzeichnungen erlebte, veröffentlichte Amazon seinen letzten Nachhaltigkeitsbericht. Mit großem Tamtam feierte das Unternehmen den ersten Rückgang der Gesamtemissionen seit Beginn der Berichterstattung im Jahr 2018. Der Rückgang betrug lediglich 0,4 Prozent auf 71,3 Millionen Tonnen. Bei diesem Tempo würde Amazon bis zum Jahr 2378 brauchen, um sein erklärtes Ziel von Netto-Null-Emissionen im Jahr 2040 zu erreichen.
Amazon versagt im Kampf gegen den Klimawandel. Das wurde auf dem ersten »Summit to Make Amazon Pay«, einer globalen Zusammenkunft von Beschäftigten, Gewerkschaftern, Klimaaktivistinnen, führenden Vertretern der Zivilgesellschaft und Abgeordneten wie uns, mehr als deutlich. Wir müssen nicht nur die vielfältigen Arten und Weisen, durch die Amazon den Klimazusammenbruch anheizt, verstehen, sondern auch wie eine breite Koalition aus Arbeiterinnen und Arbeiter, Klimaaktivisten und Zivilgesellschaft — und wir als ihre Verbündeten in unseren Parlamenten — dem ein Ende setzen kann.
Amazon-Gründer Jeff Bezos kündigte sein Netto-Null-Ziel und den »Climate Pledge« im Jahr 2019 unter dem Druck einer Arbeitsniederlegung von Tausenden von Amazon-Beschäftigten am Hauptsitz in Seattle an. Bezos versprach: »Wir wollen unsere Größe und unseren Spielraum nutzen, um eine Vorreiterrolle zu spielen.« Er hatte Recht, was die Größe des Unternehmens und den daraus resultierenden CO2-Fußabdruck angeht, aber er lag falsch, was die Vorreiterrolle angeht. Amazon, das sich der Gefahr eines Scheiterns seiner Dekarbonisierungspläne durchaus bewusst ist, emittiert von den fünf größten sogenannten »Big-Tech«-Unternehmen weit am meisten — und die Gesamtemissionen des Unternehmens sind seit der Ankündigung des »Climate Pledge« um fast 40 Prozent gestiegen.
Das ist zwar schon ein erheblicher Anstieg. In Wirklichkeit ist er aber wahrscheinlich noch höher: Im Gegensatz zu Konkurrenten wie Target verwendet Amazon eine kreative Form der Buchführung, um seinen CO2-Fußabdruck massiv nach unten zu drücken. In seiner »carbon methodology« räumt Amazon ein, dass es nur »die Herstellung von Produkten unter der Marke Amazon, wie z. B. Echo-Geräte, Kindles E-Reader, Amazon Basics, Whole Foods Market-Marken und andere Amazon Private Brands-Produkte« berücksichtigt. Aber das ist nur die Spitze von Amazons CO2-Eisberg: nur 1 Prozent des Gesamtumsatzes.
Die andere große Ankündigung in Amazons Nachhaltigkeitsbericht war das Vorhaben, die Emissionen in der Lieferkette in Angriff zu nehmen. Sie machen mehr als drei Viertel der Gesamtemissionen des Unternehmens aus. Da Amazon jedoch den Verkauf von 99 Prozent der Produkte, die direkt von Amazon oder von Drittanbietern verkauft und vertrieben werden, nicht zählt, wird der Großteil der Emissionen, für die das Unternehmen verantwortlich ist, nicht erfasst. Statt bei der Dekarbonisierung eine Vorreiterrolle einzunehmen, schafft Amazon eine Dynamik, die die Umweltberichterstattung und die Standards seiner Konkurrenten zu senken droht.
»Statt bei der Dekarbonisierung eine Vorreiterrolle einzunehmen, schafft Amazon eine Dynamik, die die Umweltberichterstattung und die Standards seiner Konkurrenten zu senken droht.«
Das bringt uns zu Amazons angeblicher Vorreiterrolle. Laut der Website des Unternehmens haben sich seit 2019 über 424 Unternehmen und Organisationen aus 38 Ländern dem »Climate Pledge« angeschlossen. Da Amazon selbst seinen erklärten Ambitionen nicht gerecht wird, droht der Pledge allerdings zu einem reinen Greenwashing zu werden — und zeigt so anderen Unternehmen, dass man damit durchkommen kann. Einige der großen Konzerne, die den Pledge unterzeichnet haben, wie PepsiCo, Coca-Cola, Unilever und Iberdrola, sind in der Zwischenzeit beim Greenwashing erwischt worden oder sogar von ihren Netto-Null-Versprechen zurückgerudert.
Für die Gruppe »Amazon Employees for Climate Justice«, die 2019 die Arbeitsniederlegung organisierte, brachte Amazons Einstellung des Programms »Shipment Zero« das Fass zum Überlaufen. Dieses Programm wurde 2019 als Teil des »Climate Pledge «gestartet und zielte darauf ab, die Hälfte aller Schifftransporte bis zum Ende dieses Jahrzehnts klimaneutral zu machen. Dies veranlasste die Tech-Beschäftigten, zu Beginn des Jahres erneut die Arbeit niederzulegen.
Aber es sind nicht nur Größe und Umfang, die eine Abrechnung mit der Umweltbilanz von Amazon erfordern.
Abgesehen vom Plastik- und Verpackungsmüll vernichtet Amazon jede Woche viele Millionen neuer und unverkaufter Produkte. So hat ein Amazon-Beschäftigter in Großbritannien eine Tabelle geleakt, die mehr als 124.000 neue und unbenutzte Artikel wie Laptops, Smart-TVs, Haartrockner, Kopfhörer, Drohnen und Bücher zeigt, die alle zur Vernichtung markiert sind — und das in nur einem Lager. Einige Schätzungen gehen davon aus, dass Amazon für die Entsorgung von etwa einer Milliarde Artikeln pro Jahr verantwortlich sein könnte. Aus diesem Grund haben unsere Länder, Frankreich und Irland, Verbote für Amazon und andere Unternehmen eingeführt, die neue und unbenutzte Produkte einfach wegwerfen.
Und dann sind da noch Amazons Rechenzentren. Amazons Cloud-Technologie-Sparte, Amazon Web Services (AWS), hält ein Drittel des globalen Cloud-Computing-Marktes und ist damit der mit Abstand größte Anbieter von Cloud-Diensten weltweit. Ein großer Teil der digitalen Wirtschaft läuft über Amazons Infrastruktur, von Unterwasserkabeln bis hin zu Rechenzentren. Und Amazon vermarktet sich selbst als »größter Käufer von erneuerbarer Energie«, um die Cloud zu betreiben. Durch diese Einkäufe wurde im vergangenen Jahr der Großteil der Emissionsreduzierungen erzielt. Doch das Unternehmen ist bekannt für fehlende Transparenz und die Nichteinhaltung von Verpflichtungen zum Ausbau erneuerbarer Energien.
Amazons unaufhaltsamer Expansionsdrang könnte dazu führen, dass ein ganzes Land sein CO2-Budget überschreitet. Die Pläne des Unternehmens für den Bau von drei neuen Rechenzentren in Irland in diesem Jahr würden es dem Land praktisch unmöglich machen, seine Klimaziele zu erreichen.
Während Irlands staatlicher Strombetreiber EirGrid vor einer extremen Instabilität des irischen Stromnetzes und der Gefahr von Stromausfällen warnt, würden die irischen Rechenzentren von Amazon insgesamt mehr Strom benötigen als eine Million irische Haushalte. Pläne für weitere Amazon-Rechenzentren mussten aufgrund des Risikos, das sie für das Stromnetz darstellen, gestoppt werden.
»Nachdem Amazon den stationären Einzelhandel des 20. Jahrhunderts ›disruptiert‹ hat, um eine monopolistische ›everything company‹ aufzubauen, bestimmt es zunehmend die Art und Weise, wie unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften geführt werden.«
Gleichzeitig ist AWS laut einem Greenpeace-Bericht aus dem Jahr 2020 stark in verschiedene Phasen der Ölförderung involviert und konzentriert sich auf Pipelines, Transport und Lagerung für Öl- und Gasunternehmen. Im Jahr 2021 unterzeichnete Amazon eine strategische Zusammenarbeit mit TotalEnergies, um das Unternehmen bei der »Beschleunigung seiner digitalen Transformation« zu unterstützen — mit anderen Worten, die Rentabilität fossiler Brennstoffe zu sichern, indem es dem Konzern hilft, ihre Förderung effizienter zu gestalten. TotalEnergies nutzte seine Rekordgewinne im Jahr 2022, um mehr neue Öl- und Gasexpansionen zu genehmigen als jeder andere internationale Ölkonzern.
Nachdem Amazon den stationären Einzelhandel des 20. Jahrhunderts »disruptiert« hat, um eine monopolistische »everything company« aufzubauen, bestimmt es zunehmend die Art und Weise, wie unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften geführt werden. Angesichts der Klimakrise und der Untätigkeit und aktiven Behinderung von Klimaschutz durch das Unternehmen war es nie dringender als heute, eine Gegenmacht zu Amazon, einem der mächtigsten Konzerne der Welt, aufzubauen.
Glücklicherweise wehrt sich eine Koalition aus Arbeiterinnen, Aktivisten und Gemeinden — von Amazon-Lieferfahrern in den USA, die streiken und Amazon auffordern, sich mit den extremen Temperaturen am Arbeitsplatz auseinanderzusetzen, über Tech-Beschäftigte, die am Hauptsitz in Seattle protestieren, bis hin zu Klimaaktivisten, die Amazon-Verteilzentren in Großbritannien und Deutschland blockieren, sowie Gruppen in Österreich, Frankreich und Südafrika, die sich gegen den Bau neuer Amazon-Anlagen wehren.
Diese grün-rote Koalition erhebt sich heute, am Black Friday, dem 24. November, in über 30 Ländern auf der ganzen Welt, um Amazon dazu zu bringen, seine Beschäftigten, unseren Gemeinden und für seinen Schaden an unserem Planeten zu bezahlen. Während Amazon-Beschäftigte in Deutschland, Italien, Spanien, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten streiken, protestieren Klimaaktivisten in sieben Ländern von Japan bis Kanada in Solidarität mit ihnen vor Einrichtungen von Amazon Web Services (AWS) — und prangern Amazons Greenwashing, die zunehmende Klimabelastung und den steigenden Stromverbrauch seiner Rechenzentren sowie AWS-Verträge mit Öl- und Gaskonzernen an.
Wir, als gewählte Abgeordnete, stehen an der Seite der Arbeiterinnen und Aktivisten, um ihre Forderungen in unsere Parlamente zu tragen. Von der Regulierung des Wachstums von Rechenzentren und der Auswirkungen auf das Klima bis hin zu Gesetzentwürfen, die Amazon daran hindern sollen, neue und unbenutzte Produkte auf den Müll zu werfen, haben wir gezeigt, dass wir entschlossen sind, Amazons Macht, seine schädlichen Praktiken und sein Greenwashing herauszufordern, um eine lebenswerte Zukunft für uns alle zu gewinnen.
Alma Dufour ist Abgeordnete der französischen Nationalversammlung für La France Insoumise. Zuvor leitete sie die Kampagne der Umwelt-NGO Amis de la Terre gegen die Expansion von Amazon in Frankreich.
Lynn Boylan ist Senatorin im Oberhaus des irischen Nationalparlaments und Sprecherin von Sinn Féin für Klimagerechtigkeit.