25. Oktober 2023
Die Ampel will im großen Stil abschieben und fährt damit klar den antimuslimischen Kurs der AfD. Zwar läuft diese Strategie unter dem Deckmantel des Kampfes gegen »importierten« Antisemitismus, von bestehenden antisemitischen Strukturen in Deutschland will die Politik jedoch nichts wissen.
Abschiebekanzler Olaf Scholz beim Migrationsgipfel, 6. November 2023
Bundeskanzler Olaf Scholz skandiert auf dem Spiegelcover, dass wir endlich im großen Stil abschieben müssen. Auch Jens Spahn spricht öffentlich davon, Migration mit physischer Gewalt aufzuhalten, und Friedrich Merz empfiehlt, sich mit den Thesen Thilo Sarrazins auseinanderzusetzen. Flüchtende aus Gaza sein zusätzlich abzulehnen, da es bereits genug antisemitische Männer im Land gäbe.
Die aktuelle Abschiebe-Offensive wird gerechtfertigt mit Diskussionen über »importierten« Antisemitismus. Diese stellen den Antisemitismus als Problem von außen dar, von dem ein imaginiertes, moralisch überhöhtes Deutschland ansonsten frei wäre, welches es nun zu schützen gelte.
Wäre der Kampf gegen Antisemitismus im Interesse von Politikerinnen und Politikern, würden keine Coronaleugner mit Reichsflaggen durch deutsche Städte ziehen. Dann würde nicht jede Woche eine neue rechtsextreme Chatgruppe entdeckt werden. Dann müssten all jene Eigentümer deutscher Firmen, die sich auf der Basis jüdischer Zwangsarbeit etablierten, konsequent enteignet werden. Dieses Land trieft aus seinen Institutionen heraus Antisemitismus. Nicht zuletzt wurden Parteikollegen der CDU wie Hubert Aiwanger gar für diesen gewählt.
»Wir lassen uns nicht spalten.«
Der Schutz jüdischen Lebens wird nicht durch diese Institutionen implementiert und erst recht nicht durch eine vermehrte Abschiebung. Die Instrumentalisierung lässt tief blicken, wenn selbige Regierenden in den neuen Bundeshaushaltsplänen massive Kürzungen im Bereich Soziales vorsehen, unter anderem bei Bildungsinstitutionen gegen Antisemitismus.
Wer die rassistisch generalisierende Kontinuität von der Böller-Debatte über die Freibad-Debatte bis hin zur Sonnenallee nicht sehen möchte, verschließt willentlich die Augen vor einem offensichtlichen Kurs. Schon länger bereiten uns diese Debatten auf eine neue Abschiebeoffensive, Aufrüstung und Abschottung vor, angefangen mit dem Bau des größten Abschiebezentrums Europas hier in Berlin. Die Ampel spricht nicht nur wie die AfD, sie möchte auch so handeln. Umso nötiger sind deshalb solidarische Allianzen, die sich gegen diese Politik richten. Denn wir lassen uns nicht spalten.
Simin Jawabreh (@siminjawa) arbeitet an der Humboldt-Universität zu Berlin im Lehrbereich Theorie der Politik, in der politischen Bildung und ist Kolumnistin bei JACOBIN.