30. August 2024
Die FDP steht in Ostdeutschland vor dem Abgrund, auch SPD und Grüne dümpeln knapp über der 5-Prozent-Hürde herum – kein Grund für linke Schadenfreude, findet Ole Nymoen.
In Sachsen und Thüringen liegt die Partei des Kanzlers in den Umfragen bei knappen 6 Prozent.
»Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.« Mit diesen Worten torpedierte Christian Lindner 2017 die Jamaika-Koalitionsverhandlungen mit der CDU und den Grünen. Was die einen Berichterstatter damals als staatspolitische Verantwortungslosigkeit geißelten, lobten die anderen als klugen Schachzug: Denn die FDP drohe von der Merkel-CDU im Laufe einer solchen Koalition marginalisiert zu werden. Nun, sieben Jahre später, können wir nur sagen: Masterful gambit, sir! Ein großartiger Schachzug. Denn mittlerweile regiert die FDP, stellt seit drei Jahren den Bundesfinanzminister, der die Koalition fest im Griff hat – und vor allem hat sie es damit aus eigener Kraft geschafft, in den Umfragen auf fünf Prozent bundesweit zu fallen.
Aber nicht nur die FDP steckt in der Krise. Die anstehenden Ost-Wahlen drohen für alle Ampel-Parteien ein Desaster zu werden. In Sachsen etwa ist nicht bloß die FDP völlig chancenlos, in den Landtag einzuziehen. Nein, auch SPD und Grüne dümpeln bei lediglich 6 beziehungsweise 5 Prozent in den Umfragen herum und könnten mit etwas Pech in die Bedeutungslosigkeit fallen. Die Bundespolitik macht sich also auf regionaler Ebene bemerkbar, was wiederum Rückwirkungen auf den Bund erzeugen könnte. Die Ampel mag zwar die letzten Haushaltsverhandlungen mit Ach und Krach überstanden haben, ob das aber auch für die Ostwahlen gilt, steht auf einem anderen Blatt.
»Das Scheitern der Ampel, das eigentlich ein guter Nährboden für eine starke linke Partei in Deutschland hätte werden können, verwandelt sich somit in einen Albtraum.«
Alle Verlautbarungen dieser drei Parteien, eine sogenannte Fortschrittskoalition zu bilden, haben sich in den vergangenen drei Jahren als leere Versprechen herausgestellt, nun gibt es die Quittung – und den Rechtsruck gleich mit dazu. Denn wenn Grüne, FDP und vielleicht sogar die SPD aus ostdeutschen Landtagen fliegen, wird der bereits beängstigende Rechtsruck nur noch weiter verschärft. Dass die Linkspartei auch kurz davor steht, die 5-Prozent-Hürde zu verpassen, macht das ganze nur noch dramatischer.
Da könnten sich die Hoffnungen von links natürlich auf Sahra Wagenknecht richten. Kann sie dem Rechtsruck etwas entgegensetzen? Wohl kaum, denn Wagenknecht fischt mittlerweile auch nur noch in trüben Gewässern herum. Sie haut dabei kräftig auf den Putz, fordert den Rücktritt der Innenministerin, ein Ende der Willkommenskultur und mehr Abschiebungen.
Wenn die politische Entwicklung in dieser Form weitergeht, erleben wir also die völlige Marginalisierung der politischen Linken im deutschen Parlamentarismus. Das Scheitern der Ampel, das eigentlich ein guter Nährboden für eine starke linke Partei in Deutschland hätte werden können, verwandelt sich somit in einen Albtraum. Die Linkspartei kämpft um ihr Überleben, während Sahra Wagenknecht das ehemalige Publikum abgreift – mit ausländerfeindlicher Rhetorik und einem überkommenen ordoliberalen Weltbild.
Das liegt letztlich auch daran, dass die Linkspartei nie eine Massenpartei in sozialdemokratischer Tradition geworden ist, sondern bis heute bloß einen Wahlverein darstellt. Es ist kaum vorstellbar, dass man in Deutschland einmal Bilder wie in Frankreich erleben könnte, wo Jean-Luc Mélenchon die Massen auf die Straßen bringt und begeistert. Und das heißt leider: Ohne eine baldige Reform der Linkspartei und ihrer Öffentlichkeitswirkung droht die letzte linke Partei Deutschlands bald der Vergangenheit anzugehören – was wiederum eine weitere Schwächung aller linken Organisationen, Stiftungen und Institute nach sich ziehen könnte.
Ole Nymoen betreibt den Wirtschaftspodcast Wohlstand für Alle und ist Kolumnist bei JACOBIN.