03. Februar 2022
Die Energiepreise steigen – und die Ampel beschließt einen mickrigen Heizkostenzuschuss. Stattdessen müsste die Regierung Maßnahmen umsetzen, die die breite Bevölkerung erheblich entlasten. Steigende Energiepreise treffen nämlich alle.
Steigende Benzinpreise retten auch nicht das Klima.
Explodierende Energiepreise bahnen sich schon seit längerem an. Dafür ist auch die Vorgängerregierung mitverantwortlich. Die Sparpolitik von Olaf Scholz als Ex-Finanzminister vor der Pandemie und die Verhinderungspolitik von Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier haben der jetzigen Krise den Boden bereitet. Angesichts der hohen Preissteigerungen zieht der ehemalige Wirtschaftsweise Peter Bofinger sogar den Vergleich zur ersten Ölpreiskrise der 1970er Jahre.
Gründe für diese Anstiege gibt es einige. Liberale konstatieren, die Preissteigerung sei nichts weiter als Greenflation, also lediglich eine Steigerung bei den erneuerbaren Energien. Damit liegen sie falsch. Die Preise für die erneuerbaren Energien sind in den letzten zehn Jahren so stark gefallen, dass sie heute günstiger sind als fossile Energieträger. Deren Preise wiederum, die vor allem von außenpolitischen Faktoren bestimmt werden, sind stark gestiegen. Dabei spielen die Gaslieferungen aus Russland und die Öllieferungen aus dem Nahen Osten eine entscheidende Rolle. Die Abhängigkeit von Energiepreisen aus dem Ausland wird durch die verschlafene Energiewende, die hohe Besteuerung von Energiepreisen und die Spekulation auf Energiepreise an den Finanzmärkten erhöht.
Fakt ist: Die deutsche Bevölkerung leidet massiv unter den Energiepreisen – von Hartz-IV-Empfängern bis zur Mittelschicht. Der Preisanstieg bei Kraftstoffen liegt im Jahresvergleich bei 30 Prozent, bei Heizöl bei 40 Prozent und bei Flüssiggas sogar bei 70 Prozent. Diese Preissteigerungen wurden durch eine misslungene Steuerpolitik befeuert. Denn auf jede Preiserhöhung, die nach Deutschland kommt, werden noch Steuern erhoben. In diesem Sinne profitieren Lindner und die Landesfinanzminister von den steigenden Preisen sogar.
Es ist unwahrscheinlich, dass die Preise kurzfristig wieder sinken werden. Genauso unwahrscheinlich ist es, dass fossile Energieträger kurzfristig ersetzt werden können – denn dafür fehlen bislang die Alternativen. Daher muss die Regierung jetzt handeln, um den Preis auf ein sozial-ökologisch vertretbares Maß zu senken. Sie kann zwar nicht bei Ölscheichs oder Gas-Oligarchen anklopfen und höhere Fördermengen erbitten, doch sie kann die Kosten, die für die Bevölkerung entstehen, beeinflussen.
Dafür wurden in den letzten Wochen unterschiedliche Instrumente diskutiert: Finanzierung der EEG-Umlage über den Bundeshaushalt, Abschaffung der Stromsteuer, temporäre Mehrwertsteuersenkung auf Energie, Einmalzahlungen und der Heizkostenzuschuss. Das sind alles Maßnahmen, die leicht zu realisieren wären und bei beherzter Umsetzung eine große Wirkung entfalten könnten. Weitreichendere Maßnahmen wie ein Ökobonus, die Mobilitäts- und Klimawende können zwar langfristig helfen, brauchen in der Einführung aber mehr Zeit – und sind darüber hinaus von der zerstrittenen Ampel auch kaum zu erwarten.
Die Koalition zieht aufgrund der aktuellen Preisexplosion einige der oben genannten Maßnahmen in Erwägung – jedoch viel zu zaghaft. So wird zum Beispiel diskutiert, die EEG-Umlage, die derzeit auf den Strompreis aufgeschlagen wird und ihn somit erhöht, schneller in den Haushalt zu überführen. Das würde zwar breit entlasten, war aber ohnehin für 2023 geplant. Sinnvoll wäre diese Maßnahme, doch sie reicht auf keinen Fall aus, denn sie betrifft lediglich die Strompreise. Zudem sorgt sie auch nur für einen milderen Anstieg, nicht aber eine Senkung der Preise, wie sogar Robert Habeck darlegt.
Als weitere Maßnahme ist ein Heizkostenzuschuss in Höhe von 115 bis 135 Euro für Alleinlebende beschlossen worden. Dieser würde 2,1 Millionen Menschen, also nicht mal 3 Prozent der deutschen Bevölkerung, zustehen. Erfolgversprechend ist das kaum, denn unter den steigenden Heizkosten leiden alle. Auch die Höhe des Zuschusses ist mehr als fraglich. Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale würden pro Haushalt 500 Euro benötigt – also deutlich mehr. An diesem Punkt zeigt sich der Sparkurs der Regierung: Der geplante Heizkostenzuschuss kostet rund 200 Millionen Euro. Das ist verschwindend gering, allein im letzten Jahr belief sich der Bundeshaushalt auf 413,4 Milliarden Euro. Hinzu kommt, dass der Zuschuss auch nicht direkt ausgezahlt werden soll, sondern erst im kommenden Juni. Bis dahin sollen die Ärmsten der Gesellschaft die steigenden Kosten wohl einfach vorstrecken. Bauministerin Clara Geywitz verteidigte den Zuschuss dennoch – 135 Euro seien viel Geld. Wie die Bevölkerung die steigenden Preise nach dieser Einmalzahlung stemmen soll, lässt Geywitz offen.
Während die Ampel weiter schläft, wird in anderen Ländern um einiges entschiedener gehandelt. In Polen wurde etwa die Mehrwertsteuer auf Sprit temporär von 23 Prozent auf 8 Prozent reduziert. Über Nacht sanken die Spritkosten daraufhin um 20 Cent. Frankreich hat bereits im Oktober letzten Jahres die Energiepreise gedeckelt und Energiechecks an die Bevölkerung ausgezahlt.
Schnelle und effektive Maßnahmen sind also möglich. Auch die Bundesregierung weiß das und nutzt diese ja – allerdings viel zu zögerlich. Warum sie nicht beherzt handelt, lässt sich nur mit Lindners Schlingerkurs begründen. Während der Finanzminister wochenlang vom »Ermöglichungsministerium« sprach, ordnet er seit kurzem wieder Ausgabendisziplin an. Damit wird die notwendige Beschleunigung der Klimawende auf keinen Fall gelingen.
Die Ampel gibt auf dem Papier vor, progressive Projekte voranzutreiben, doch bei drängenden Problemen steht sie still. Die hohen Preise an den Tankstellen bringen den Klimaschutz nicht voran, wenn die Menschen aufs Auto angewiesen sind. Wir brauchen jetzt pragmatische Antworten, die schnell umsetzbar sind und große Teile der Bevölkerung erheblich entlasten. Eine Kombination aus Zuschüssen, die höher und breiter sind, sowie eine temporäre Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas, Sprit und Strom könnten genau das leisten. Gleichzeitig müssen Investitionsprogramme, Reformen der Energiebepreisung und eine Regulierung des Energiemarktes Weichen für eine langfristige Klimawende stellen. Breite Entlastungen für die Bevölkerung waren schon vor der Energiepreiskrise notwendig – jetzt sind sie es umso mehr.
Lukas Scholle ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag für Finanzpolitik und betreibt den Podcast Wirtschaftsfragen.
Lukas Scholle ist Ökonom und Kolumnist bei JACOBIN.