19. November 2025
Mit gewohnter Macho-Rhetorik hat Donald Trump in den Raum gestellt, die USA könnten wieder Atomwaffen testen. Trotz Richtigstellung reichen diese Worte aus, um die internationale Sicherheit zu untergraben und die Welt einem neuen Atomwettlauf auszusetzen.

Aktivisten verbrennen eine Puppe von Donald Trump im Rahmen einer Friedenskundgebung zum 80. Jahrestag des Hiroshima-Tages in Kalkutta, 6. August 2025.
Ende Oktober sorgte US-Präsident Donald Trump mit der Aussage, die Vereinigten Staaten würden unverzüglich neue Atomwaffentests beginnen, international für Empörung. Denn mit dem Detonieren von Atomwaffen zu Testzwecken würden die USA ein jahrzehntelanges Tabu brechen. Erst mit mehrtägiger Verzögerung erklärte der zuständige US-Energieminister Chris Wright, dass lediglich Systemtests und Simulationen geplant seien und keine tatsächlichen Explosionen. Doch schon die Ankündigung war ein gefährlicher Tabubruch, der die internationale Rüstungskontrolle endgültig zerschlagen könnte.
Direkt nach der Ankündigung des US-Präsidenten herrschte erhebliche Verwirrung: Trump hatte geschrieben, die USA würden in gleicher Weise testen wie andere Staaten. Kurz zuvor hatte Russland mit der Erprobung der Unterwasserdrohne »Poseidon« für Aufmerksamkeit gesorgt, der Marschflugkörper »Burewestnik« wurde für einsatzbereit erklärt. Beide Systeme laufen mit einem nuklearen Antrieb. Auch wenn es sich nicht um Atomwaffen, sondern um Trägersysteme handelt, wurde das Signal in Washington als Machtdemonstration verstanden. Entsprechend wurde spekuliert, ob Trump das Testen von Trägersystemen für Atomsprengköpfe meinen könnte.
Eine andere Vermutung war die Aufnahme sogenannter subkritischer Tests, wie sie Russland und vermutlich auch China durchführen. Dabei handelt es sich um Experimente, bei denen zwar spaltbares Material – etwa Plutonium – zum Einsatz kommt, jedoch keine nukleare Kettenreaktion ausgelöst wird. Es war absolut unverantwortlich von der US-Regierung, dass sie mehrere Tage verstreichen ließ, ehe sie die Äußerungen des Präsidenten präzisierte – denn damit heizte sie Spekulationen um tatsächliche Atomwaffentests im Sinne gezielter nuklearer Explosionen weiter an.
»Mit seinen Worten untergräbt Trump eine der fundamentalsten Normen der internationalen Sicherheit.«
Diese Möglichkeit sorgte in weiten Teilen der internationalen Gemeinschaft für einen berechtigten Aufschrei. Zwar würde die Aufnahme solcher Tests enorme finanzielle Mittel und lange Vorlaufzeiten erfordern – Voraussetzungen, die derzeit kaum gegeben sind. Jedoch hatten Beratende aus Trumps Umfeld bereits im »Project 2025«, einem von rechten Vordenkern 2023 veröffentlichten Regierungsprogramm, die Ratifizierung des Atomteststoppvertrags (CTBT) abgelehnt und sogar eine Wiederaufnahme von Atomtests in Aussicht gestellt. Gerade vor diesem Hintergrund war die internationale Sorge berechtigt und kam die Richtigstellung des zuständigen Energieministers Chris Wright viel zu spät.
Die Durchführung von Atomwaffentests wäre ein bedrohlicher Rückschritt. Die Tabuisierung von Atomtests ist eine zivilisatorische Errungenschaft, die nicht für die populistische Inszenierung als »starker Mann« aufgegeben werden darf. Ein Blick in die Geschichte verdeutlicht, welche Folgen Atomwaffentests haben. Zwischen 1945 und 1996 fanden weltweit über 2.000 solcher Tests statt, mehr als 500 davon überirdisch. Dabei wurden Atombomben bewusst zur Explosion gebracht, um ihre Wirkung zu erforschen und die Waffen weiterzuentwickeln.
Die Vereinigten Staaten führten ihre Tests bis 1992 durch – vor allem auf den Marshallinseln im Pazifik und in der Wüste von Nevada, auf dem Land indigener Gruppen. Ganze Gemeinschaften wurden umgesiedelt, Menschen als Versuchspersonen missbraucht und den Folgen von Strahlung und Kontamination schutzlos ausgesetzt. Viele Betroffene leben bis heute mit gesundheitlichen Schäden, verseuchtem Boden und einer zerstörten Heimat. Trumps Ankündigung hat insbesondere in diesen Gemeinschaften Empörung ausgelöst. Viele Überlebende fühlen sich retraumatisiert – die Angst vor einer Rückkehr jener Zeit, in der ihre Lebensräume und Körper für nukleare Experimente geopfert wurden, ist wieder spürbar.
Doch nicht nur die Testgebiete selbst, auch die übrige Welt litt unter den Auswirkungen. Nach Schätzungen der medizinischen Friedensorganisation IPPNW (Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs) verursachen die bisherigen Tests langfristig rund 2,4 Millionen zusätzliche Krebstote weltweit. Die massiven Konsequenzen der Tests für Menschen und Umwelt rief weltweit Proteste von Betroffenen und zivilgesellschaftlichen Organisationen hervor, die 1996 zum Zustandekommen des Umfassenden Atomteststoppvertrags (CTBT) beitrugen, der jegliche Atomtests verbietet. Auch wenn er nie in Kraft trat, führte seither ausschließlich Nordkorea noch Atomwaffentests durch.
»Die Tabuisierung von Atomtests ist eine zivilisatorische Errungenschaft, die nicht für die populistische Inszenierung als ›starker Mann‹ aufgegeben werden darf.«
Gerade deshalb wirkt es umso schockierender, wie verhalten die Reaktion der Bundesregierung ausfiel. Deutschland setzt sich seit Jahren für CTBT ein – und blieb auffallend still, obwohl die Ankündigung neuer US-Atomwaffentests dieses zentrale Abkommen offen infrage stellte. Der außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jürgen Hardt, äußerte sogar Verständnis für Atomwaffentests. Noch vor der Richtigstellung, dass es sich nicht um nukleare Explosionen handeln soll, sagte er RTL und NTV, zu einer umfassenden Modernisierung der Atomwaffenarsenale »gehören vielleicht auch Tests«. Solche Akzeptanz ist nicht nachvollziehbar. Wer den internationalen Teststopp stets als Eckpfeiler globaler Sicherheit betont hat, kann die Rückkehr zu atomarer Machtdemonstration nicht einfach achselzuckend hinnehmen.
Die erwartbaren Folgen der verspäteten US-amerikanischen Richtigstellung und der zögerlichen Reaktionen durch Verbündete sind bereits sichtbar: Russland kündigte an, im Falle tatsächlicher US-Tests ebenfalls wieder mit Atomversuchen zu beginnen. Entsprechende Pläne zu möglichen Tests auf dem Testgelände auf Nowaja Semlja sollen erarbeitet werden. Auf der Insel wurden bereits von der Sowjetunion Atomwaffentests durchgeführt, darunter die größte nukleare Explosion überhaupt. Für das Testgelände wurde die dortige Bevölkerung der Nenzen zwangsumgesiedelt. Auch andere indigene Gruppen entlang der nördlichen russischen Küste, wie etwa die halb-normadisch lebenden Samen, waren von der radioaktiven Kontamination betroffen.
Mit seinen Worten untergräbt Trump eine der fundamentalsten Normen der internationalen Sicherheit. Selbst nach ihrer verspäteten Korrektur droht seine Ankündigung, sich zu einem gefährlichen neuen Kräftemessen zwischen den Atommächten zu entwickeln – einem Wettlauf, an dessen Ende erneut ein Atompilz am Horizont stehen könnte.
Nicht zuletzt, da es keineswegs ausgemacht ist, dass Trump es bei der Erklärung seines Energieministers belässt und nicht doch verbal weiter aufrüstet. Statt dieser Macho-Rhetorik tatenlos zuzusehen, müsste die Bundesregierung jetzt klare Haltung zeigen – und sich entschieden gegen jede Form von Atomwaffentests stellen. Ebenso dringend ist ein deutliches Engagement für die Verlängerung des New-START-Vertrags, der im Februar ausläuft. Ohne eine Anschlussregelung könnten die strategischen Arsenale der USA und Russlands wieder unkontrolliert wachsen – ein Schritt, der sich nahtlos in die ohnehin besorgniserregende Dynamik gegenseitiger Modernisierung und Aufrüstung einfügen würde.
Juliane Hauschulz ist Referentin für Atomwaffen bei der deutschen Sektion der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V. und Mitglied im Vorstand von ICAN Deutschland.