27. März 2023
Nach der Finanzkrise von 2008 wurde versprochen, die Finanzmärkte stabil aufzustellen. Doch die Credit Suisse und die Silicon Valley Bank zeigen, dass die entscheidenden Reformen ausgeblieben sind.
Was nach 2008 ausgeschlossen werden sollte, hat sich wieder ereignet: sowohl die SVB als auch die Credit Suisse wurden staatlich gerettet.
IMAGO / NurPhotoFast fünfzehn Jahre ist die Pleite der Lehman Brothers Bank her. Sie hatte die letzte globale Finanzkrise so richtig losgetreten. Danach hatten Politikerinnen und Politiker versprochen, den Finanzsektor strenger zu regulieren. Nie wieder sollte die Politik von einem kriselnden Finanzsystem erpresst werden können. Regeln sollten her, um Banken kleiner und stabiler zu machen. Doch am 19. März 2023 war es wieder soweit: Eine Bank war zu groß, um sie pleitegehen zu lassen – too big to fail.
Nachdem die Credit Suisse öffentlich um Hilfe bat, vermittelten die Schweizer Regierung und Zentralbank im Eiltempo eine Fusion mit der größten Schweizer Bank UBS. Die Behörden betonen, dies sei eine »kommerzielle Transaktion« und keine staatliche Rettung. Doch 9 Milliarden Franken an Garantien durch den Schweizer Steuerzahler und 200 Milliarden Franken Liquiditätsspritze durch die Zentralbank sprechen eine andere Sprache: Das war eine staatliche Rettungsmaßnahme.
Die Credit Suisse war seit Jahren eine Skandalbank. Bei jedem neuen Finanzskandal konnte man sich fast sicher sein, dass die Credit Suisse involviert war. Und während die Credit Suisse zwischen 2013 und 2022 insgesamt 3,2 Milliarden Franken Verlust machte, schüttete sie im gleichen Zeitraum 32 Milliarden Franken an Bonuszahlungen aus. Schon zwischen Oktober und Dezember 2022 begannen Kundinnen und Kunden, Vermögen in Höhe von 111 Milliarden Franken von der Bank abzuziehen. Man musste also kein Hellseher sein, um zu wissen, dass die Bank schon länger ernsthafte Probleme hatte.
So stand die Credit Suisse nach der Pleite der Silicon Valley Bank schnell im Fokus der Anlegerinnen und Anleger. Dass die Probleme des Finanzinstituts nicht früher thematisiert wurden, lag auch an der laschen Finanzaufsicht. Auf den Punkt bringt es folgendes Video: Darin spricht sich der ehemalige Schweizer Finanzminister Ueli Maurer, selbst sechs Jahre lang für die Bankenaufsicht zuständig, für weniger Kontrolle und mehr Eigenverantwortung bei Banken aus.
Hauptgrund für die weiter wackeligen Finanzmärkte ist aber nicht die Schläfrigkeit der Aufsicht oder das miese Management der Credit Suisse. Hauptgrund ist, dass nach 2008 zu wenig passiert ist. Es wurde viel über strengere Regeln gesprochen, aber wenig getan. Immer wieder fand die unmittelbar nach der Finanzkrise noch kleinlaute Finanzlobby Gehör bei den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern.
»Durch die Fusion mit der UBS entsteht eine neue, noch größere Bank, deren Bilanz fast doppelt so groß ist wie das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz.«
Auch beim Eigenkapital für Großbanken gab es so nur kleine Verbesserungen. Vor 2008 hatten große Institute zwischen 2 und 3 Prozent Eigenkapital, mittlerweile liegt es zwischen 4 und 5 Prozent. Das ist zwar besser, aber immer noch viel zu wenig, damit Banken auch im Krisenfall stabil bleiben. Nötig wären mindestens 10 Prozent.
Ambitionierte Vorhaben wie die Finanztransaktionssteuer oder ein Trennbankengesetz wurden nach 2008 ebenfalls geplant, scheiterten aber ebenso am Druck der Finanzlobby. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Finanzwende Recherche zeigt, wie die Finanzlobby zahlreiche gute Gesetzesinitiativen stoppte.
Das Ergebnis der Lobbyarbeit: Viele Banken sind weiter zu groß oder zu zentral, um pleitegehen zu können – und gleichzeitig zu wackelig kapitalisiert, um bei kleinen Erschütterungen nicht direkt ins Wanken zu geraten.
Der Schweiz blieb angesichts der Größe und Systemrelevanz der Credit Suisse dann nur eine Wahl zwischen Pest und Cholera: verstaatlichen oder eine Übernahme mit der UBS organisieren. Man kann darüber streiten, welche Entscheidung die bessere gewesen wäre, aber das geht am zentralen Punkt vorbei: Der Fehler passierte vorher. Nur wenn Banken mit mehr Eigenkapital operieren, gibt es im Falle einer Pleite ausreichend Haftungsmasse. Und die ist letztlich zentral dafür, eine Bank auch geordnet abwickeln zu können. Zudem stärken ausreichende Kapitalpuffer das nicht unwesentliche Vertrauen in die Stabilität von Banken und sorgen dafür, dass Verluste abgefedert werden können.
Dass man sich in der Schweiz für die Fusion mit der UBS entschied, passt im Übrigen ins Bild. Das Schweizer Bankgeheimnis sollte gewahrt, das Ansehen und die Rolle des Schweizer Finanzplatzes zumindest einigermaßen gerettet werden. Mit staatlichen Garantien und Liquiditätshilfen der Zentralbank organisierte man einen Deal, der für UBS wohl durchaus lukrativ ist. Frei nach dem Motto von 2008: Gewinne werden privatisiert und Verluste sozialisiert. Es entsteht eine neue, noch größere Bank, deren Bilanz fast doppelt so groß ist wie das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz. Immerhin eine Verbesserung gegenüber 2008 gab es: Zumindest die Besitzer bestimmter Anleihen der Credit Suisse in Höhe von 17 Milliarden Franken (sogenannte Nachranganleihen) wurden nicht mit Staatsgeldern gerettet.
Was lernen wir nun aus den Vorkommnissen der letzten Tage? Wenn wir das Erpressungspotenzial der Finanzmärkte endlich eindämmen wollen, brauchen wir einen Neustart bei der Finanzmarktregulierung. Es braucht endlich eine Umsetzung der von der Bankenlobby blockierten Maßnahmen. Politische Entscheidungsträger müssen ein Trennbanksystem, die Finanztransaktionssteuer und die Regulierung von Schattenbanken wieder neu auf die Tagesordnung setzen.
Für Europa ist besonders die Schaffung eines Sicherungssystems nach Vorbild der US-amerikanischen FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation) wichtig, damit im Krisenfall die Bankeinlagen schnell gesichert werden können. Und wir brauchen eine wirksame Schuldenbremse für Banken. Das bedeutet: Eigenkapital von mindestens 10 Prozent der Bilanzsumme. Als ersten Schritt sollte die EU zumindest die internationalen Basel-III Standards sauber umsetzen, wie es EZB und europäische Bankenaufsicht fordern, und nicht noch hinter sie zurückfallen. Passenderweise wird das Thema gerade zwischen EU-Parlament, Kommission und Mitgliedsstaaten verhandelt. Es ist höchste Zeit, dass die alten Versprechen endlich eingelöst werden.
Michael Peters leitet bei der Bürgerbewegung Finanzwende den Bereich Finanzsystem und Realwirtschaft. Er hat Volkswirtschaft mit Schwerpunkt Finanzpolitik studiert.