23. März 2022
Die Linke auf den Philippinen ist jahrzehntelang faule Kompromisse mit der herrschenden Elite eingegangen. Doch bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen tritt ein sozialistischer Kandidat für das höchste Amt des Landes an – zum ersten Mal in der Geschichte.
Präsidentschaftskandidat und Gewerkschafter Leody de Guzman bei einer Kundgebung, Manila, 26. August 2019.
Im Mai dieses Jahres finden auf den Philippinen Wahlen statt. Es steht viel auf dem Spiel. Rodrigo Dutertes sechsjährige Amtszeit als Präsident des Landes neigt sich endlich dem Ende zu. Jüngste Umfragen zeigen jedoch, dass Ferdinand »Bongbong« Marcos Jr. klarer Spitzenreiter im Rennen um Dutertes Nachfolge ist. Marcos Jr. ist Sohn des ehemaligen Diktators Ferdinand Marcos, der die Philippinen von 1965 bis 1986 regierte – davon fast ein Jahrzehnt unter Kriegsrecht.
Marcos Jr. hat sich bereit erklärt, Dutertes Agenda weiterzuführen. Duterte selbst mag zwar zurücktreten, aber der Dutertismo – der populistisch-autoritäre Politikstil, der seinen Aufstieg ermöglicht hat – wird damit nicht verschwinden; er könnte sogar noch an Kraft gewinnen.
Im Hinblick auf diese Gefahr plädieren viele philippinische Linken für eine Strategie, die aus anderen Ländern bekannt ist, in denen Figuren wie Duterte das Ruder übernommen haben.
Sie bestehen darauf, dass die Filipinos strategisch abstimmen sollten: Man müsse sich hinter derjenigen oder demjenigen mit den besten Chancen auf den Sieg versammeln, um eine neue Marcos-Präsidentschaft und weitere sechs Jahre despotischer Herrschaft zu verhindern. Es sei notwendig, ein geschlossenes Bündnis mit anderen oppositionellen Gruppen einzugehen, da die Linke noch zu schwach sei, um Marcos Jr. allein zu bekämpfen.
Die Kandidatin, die sie im Blick haben, ist die amtierende Vizepräsidentin Leni Robredo, die als Unabhängige kandidiert, aber weiterhin den Vorsitz der Liberalen Partei innehat. Nach dem philippinischen Wahlsystem gibt es zwei getrennte, aber gleichzeitig stattfindende Wahlen für die Präsidentschaft und die Vizepräsidentschaft: Robredo kandidierte 2016 als Vizepräsidentschaftskandidatin von Mar Roxas, der bei der Präsidentschaftswahl hinter Duterte den zweiten Platz belegte. Robredo besiegte Marcos Jr. und wurde in dem Jahr mit knappem Vorsprung Vizepräsidentin.
Politisch gesehen könnte man Robredo als »progressive Neoliberale« bezeichnen – als eine Kandidatin, die zwar gegen Autoritarismus ist, aber das neoliberale Wirtschaftsmodell nicht abschaffen, sondern lediglich abmildern will. Dennoch, so die Argumentation, wird sie den progressiven Kräften des Landes zumindest eine Atempause verschaffen, um in den kommenden Jahren neue Kraft zu schöpfen.
Angesichts des immer näher rückenden Wahltages ist diese Form des politischen Pragmatismus in der philippinischen Linken sehr verbreitet. Die Präsidentschaftswahlen basieren auf einem Mehrheitswahlsystem: Ohne Stichwahl in der zweiten Runde reicht es aus, wenn die siegreiche kandidierende Person eine Mehrheit der Stimmen erhält. Seit 1998 haben kandidierende Personen mit 39 bis 42 Prozent der Stimmen erfolgreich Wahlen gewonnen.
Der Druck, sich hinter diejenige Person zu stellen, die als das kleinere Übel angesehen wird, ist entsprechend hoch. Viele Linke bestehen jedoch darauf, dass diese Wahl anders sei, weil es anscheinend eine klare Alternative gäbe. Sie sehen in Robredo eine verlässliche »progressive« Verbündete – obwohl sie eine Neoliberale ist, und nicht nur das kleinere Übel.
Doch nicht alle sind von dieser Logik überzeugt. In den letzten Monaten hat sich mit der beispiellosen Kampagne der ersten sozialistischen Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftskandidaten auf den Philippinen eine andere Perspektive herauskristallisiert: Leody de Guzman, ein ehemaliger Fabrikarbeiter und Gewerkschaftsführer, und der bekannte Wissenschaftler und Aktivist Walden Bello. Sie treten unter dem Banner einer demokratisch-sozialistischen Koalition an und haben ein bislang unvergleichliches radikales Programm für einen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Wandel vorgestellt.
Die Kandidaturen von de Guzman und Bello sind nicht nur in Bezug auf ihre Agenda revolutionär, sondern auch, weil die Kampagne starke Präsenz zeigt. Sie nimmt außerhalb der Grenzen des Erlaubten Raum ein und setzt ihren eigenen Bezugsrahmen, anstatt vor den Bedingungen anderer zu kapitulieren. Darüber hinaus lehnt sie eine lange Tradition des politischen Defätismus in der philippinischen Linken ab, die ihre Organisationen dazu gebracht hat, Wahlbündnisse mit der etablierten politischen Elite des Landes einzugehen.
Um die Bedeutsamkeit der Kampagne von de Guzman und Bello zu verstehen, muss man sich die wahlpolitische Geschichte der progressiven Kräfte auf den Philippinen vor Augen führen. Die Kollaborationsstrategien der Linken haben ein Muster der Zusammenarbeit mit der philippinischen Elitendemokratie hervorgebracht. Dies geht zurück auf Bündnisse mit den antikommunistischen Regierungen von Ramon Magsaysay und dem älteren Marcos während des Kalten Krieges.
Seit dem populären Sturz der Marcos-Diktatur im Jahr 1986 ist dies zur Standardmethode der Linken bei der Einmischung in Wahlen und staatliche Angelegenheiten geworden. Die Wiederherstellung der Demokratie hätte zu sozialem und wirtschaftlichem Wandel und zur Stärkung der politischen Partizipation der Bevölkerung führen müssen. Doch stattdessen haben die Folgen der »Volksrevolution« von 1986 lediglich die neoliberale Umstrukturierung der philippinischen Wirtschaft verstärkt. Gleichzeitig hat sie die Kontrolle der oligarchischen Elite über die philippinische Gesellschaft weiter gefestigt.
Zu den verheerenden Folgen dieser postrevolutionären Neoliberalisierung gehört die Dezimierung der Textilindustrie des Landes und anderer arbeitsintensiver Sektoren, für deren Aufbau Teile der Linken in den 1980er und 90er Jahren so hart gekämpft hatten. Viele linke Führungskräfte wurden dadurch in die Bedeutungslosigkeit verdrängt und Stützpunkte der Bewegung in den Städten praktisch zerstört. Gleichzeitig erschwerte die gewerkschaftsfeindliche Gesetzeslage die Organisierung der Arbeiterschaft und hinderte die Linke daran, verlorenen Boden zurückzugewinnen.
Die Bewegung der Arbeitenden wurde infolgedessen enorm geschwächt: Die gewerkschaftliche Organisierung ging dramatisch zurück, ebenso wie die Beteiligung der Arbeitskräfte an Demonstrationen und anderen Formen der direkten politischen Aktion. Derweil intensivierte der Staat im ländlichen Raum seine Militäroffensiven gegen rebellische Kräfte des wohl am längsten andauernden kommunistischen Aufstandes der Welt.
Diese Faktoren führten zu einer Schwächung der Linken, die einst eine relativ starke Kraft in der philippinischen Gesellschaft war. Darüber hinaus wurde die Linke nach dem Sturz der Diktatur durch interne blutige Säuberungen und doktrinäre Debatten noch stärker zersplittert, was jede Chance auf eine strategische Versöhnung verhinderte.
Angesichts der Zersplitterung und Marginalisierung der Linken etablierte sich in den 1990er und 2000er Jahren der Konsens, keine eigenen Kandidierenden für die höchsten Ämter des Landes aufzustellen. Anstatt eigenständige Kampagnen für solche Positionen zu führen, argumentierten progressive Kräfte, dass Linke für kleinere Ämter kandidieren und Bündnisse mit verschiedenen Fraktionen oder Parteien der herrschenden Klasse eingehen sollten, um ihre Wahlchancen zu erhöhen. Solche Argumente setzten sich weitgehend durch.
Tatsächlich haben in den letzten Jahrzehnten eine Reihe prominenter linker Persönlichkeiten – meist aus den sozialdemokratischen Blöcken und »unabhängigen« progressiven NGOs – Ämter in zentristischen und rechten Regierungen bekleidet. In der Hoffnung, Reformen voranzutreiben, besetzten sie unter den Präsidentschaften von Joseph Estrada und Gloria Macapagal-Arroyo Schlüsselpositionen im Kabinett und in staatlichen Organen. Diese Bemühungen wurden jedoch durch konservativen Druck und schwere Korruption in Regierungskreisen blockiert.
Die Verstrickung der Linken mit der Elitendemokratie erreichte 2010 ihren Höhepunkt. Die etablierte nationaldemokratische Linke – ein Bündnis von Parteien, Gewerkschaften und anderen Gruppen, die mit der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP) verbunden sind – hat sich bei den Präsidentschaftswahlen in dem Jahr für eine »taktische Partnerschaft« mit dem Milliardär und Immobilienmogul Manny Villar entschieden.
Damit befanden sie sich in einer schwierigen Lage, da sie mit Ferdinand Marcos Jr. in Verbindung gebracht wurden, der damals für einen Sitz im Senat unter Villars Liste kandidierte. Die nationaldemokratische Linke war also Teil derselben Koalition, deren Präsidentschaftskandidat für sein aggressives Land Grabbing berüchtigt war, und die zur Rehabilitierung der Marcos-Dynastie in der nationalen Politik beitrug.
Die sozialdemokratische Linke, die sich in der Akbayan Citizens’ Action Party organisierte, fand ihrerseits in der liberalen Opposition unter Noynoy Aquino einen Verbündeten. Aquino war Sohn der ehemaligen Präsidentin Cory Aquino und Nachfolgerin des älteren Marcos. Die Aquinos zählen zu den mächtigsten Landbesitzern der Philippinen.
In den ersten Jahren der Regierung Noynoy Aquinos florierte eine linksliberale Koalition, deren Agenda der »guten Regierungsführung« Raum für eine fortschrittliche Gesetzgebung wie auch für progressive Kräfte in der Bürokratie schaffte. Allerdings hatten institutionelle Zwänge und koalitionspolitische Umstände eine »demobilisierende Wirkung« auf Akbayans Handlungsfähigkeit als linke Partei. Dadurch wurde die Integrität der Partei beeinträchtigt, insbesondere angesichts ihrer Treue zur Regierung Aquino im Rahmen vieler Skandale, die seine Amtszeit belasteten.
Anstatt die Chance für eine radikale Erneuerung zu ergreifen, driftete Akbayan weiter in das liberale Parteiestablishment ab. Die Partei war Mitinitiator des Wahlbündnisses, die die Präsidentschaftskandidatur des designierten Nachfolger Aquinos auf den Weg brachte – eine uncharismatische Figur des politischen Establishments, die sich für den Kurs der neoliberalen Kontinuität einsetzte.
Als Folge davon wurde die Fähigkeit von Akbayan, eine konsequente Kritik am Status quo zu üben und alternative progressive Diskurse zu vertreten, weiter geschwächt. Akbayan zementierte lediglich ihre Rolle innerhalb der Struktur der Liberalen Partei als deren »linker« Flügel.
Das wohl umstrittenste Beispiel für die Zusammenarbeit der philippinischen Linken mit den politischen Eliten lieferte jedoch die nationaldemokratische Linke, die zu Beginn der Amtszeit von Rodrigo Duterte eine einjährige »taktische« Allianz mit ihm einging. Obwohl sie anfangs mit Dutertes tyrannischem Ruf als langjährigem Bürgermeister von Davao City zu kämpfen hatten, sahen Schlüsselfiguren der Bewegung in einigen Eigenschaften von Duterte Chancen für eine gemeinsame Basis: sein Nationalismus, seine Ablehnung des US-Imperialismus und seine aktivistische Vergangenheit.
Ebenso wie ein Großteil von Dutertes breiterer Anhängerschaft fand die nationaldemokratische Linke seinen Populismus anziehend. Obwohl er aus einer herrschenden Elite in der Provinz stammte, machte er sich die Anti-Establishment-Rhetorik zunutze und behauptete, er wolle die philippinische Oligarchie beseitigen. Seine Hartnäckigkeit bei der Durchsetzung seiner Vision des »Wandels« und seine scheinbare Sympathie für revolutionäre Bewegungen ermutigten den nationaldemokratischen Block, eine Strategie der Zusammenarbeit zu verfolgen, so wie es die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der vorherigen Regierung getan hatten.
Nach seiner Wahl traten Dutertes bekannte despotische Tendenzen schnell zutage. Die Erklärung des neuen Präsidenten zum »Krieg gegen die Drogen« und die Förderung außergerichtlicher Tötungen und anderer Menschenrechtsverletzungen sowie die Gewährung eines Heldenbegräbnisses für den Diktator Marcos, die Inhaftierung und Verfolgung der politischen Opposition und die Verhängung des Kriegsrechts in Mindanao stellten die Ambitionen der nationaldemokratischen Linken auf Zusammenarbeit in Frage. Wachsende Kritik aus den eigenen Reihen angesichts des Scheiterns der Friedensverhandlungen mit der New People’s Army, dem bewaffneten Flügel der CPP, führte zum Austritt des nationaldemokratischen Blocks aus Dutertes Koalition.
In den folgenden Jahren verstärkte sich die Opposition der philippinischen Linken gegen Duterte. Das zeigte sich an der Zunahme kämpferischer Straßenproteste und insbesondere an der kurzzeitigen Konsolidierung linker Kräfte für die Zwischenwahlen 2019, die zur Bildung einer Allianz im Senat führten, der sogenannten »Labor Win Alliance«, die einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen schickte. Die Liste setzte sich ausdrücklich für die Interessen der arbeitenden Klasse ein. Leody de Guzman sowie weitere führende Vertretende der radikalen Opposition waren unter den Kandidierenden.
Das Bündnis konnte jedoch keinen der erforderlichen Sitze erringen. Ihr bestplatzierter Kandidat und eine Schlüsselfigur der nationaldemokratischen Linken, der Menschenrechtsanwalt Neri Colmenares, erhielt bei einer Wahl, bei der das ganze Land einen einzigen Wahlkreis bildet, nur knapp 10 Prozent der Stimmen. Das verdeutlicht, dass die philippinische Linke noch lernen muss, wie sie den elektoralen Raum effektiv nutzen kann, während sie gleichzeitig mit einer Machtelite konfrontiert ist, die entschlossen ist, alle ihren Ressourcen zu mobilisieren, um progressive Kräfte zu verdrängen.
Trotz dieser Defizite stellte das Bündnis einen seltenen Moment linker Solidarität dar. So bedeutsam diese Entwicklung auch war, so sollte man sie nicht vorschnell als Vorboten neuer Möglichkeitsräume interpretieren. Die philippinische Linken ist extrem zersplittert, was wiederum Bemühungen für eine gemeinsame radikale politische Alternative erschwert.
Das sozialistische Programm von de Guzman und Bello folgt einer anderen Vorstellung davon, wie sich die Linke bei Wahlen engagieren sollte. Sie begreifen Wahlen als eine Gelegenheit, eine neue Politik der radikalen Demokratie einzuleiten.
Leider haben die vorherrschenden Strömungen der Linken des Landes diese Chance ausgeschlagen und sich hinter Leni Robredo gestellt, die die strukturelle Dynamik der Anziehungskraft einer Politik des »starken Mannes« nicht versteht. Diese Kapitulation unterstreicht das ständige Versagen der Linken, regressive Kräfte herauszufordern. Diese Strategie hat dazu geführt, dass die Rücksichtslosigkeit der liberal-demokratischen elitären Ordnung des Landes weiter aufrechterhalten wurde.
Durch die Unterstützung der Linken für Robredo haben sich die Progressiven in eine prekäre Situation manövriert, in der sie nicht in der Lage sind, sich den verschiedenen Teilen des regressiven Establishments – sei es das Großkapital oder das Militär – entgegenzustellen. Anstatt ihr Programm zu kritisieren und eine Alternative anzubieten, haben sie sich dafür entschieden, für eine Kandidatin zu werben, die nicht fähig und nicht bereit ist, einen radikaleren Gegenentwurf für die philippinischen Gesellschaft anzubieten.
Die Forderung nach einer »guten Regierungsführung«, die Robredos Wahlprogramm prägt, unterstreicht die Unfähigkeit, sinnvolle Alternativen zu entwickeln. In der philippinischen Politik ist das sogenannte »Good Governance« ein verbreitetes leeres Schlagwort, das sowohl von Linken, Zentristen als auch von Rechten konstant ins Feld geführt wird. Dies ist insofern problematisch, als dass es die Verlockungen der reaktionären Politik (verkörpert durch den Dutertismo) als Krise der Regierungsführung darstellt und sie damit auf die Frage der Führungsqualität reduziert.
Eine solche vereinfachende Sichtweise des Autoritarismus erklärt, warum es Robredo vor allem um Bekräftigung geht – nämlich Bekräftigung des »Vertrauens« in öffentliche Institutionen, in liberale »Werte« und letztlich in die liberale Gesellschaftsordnung. Darauf läuft ihr Versprechen des Wandels hinaus. Angesichts dessen fragt man sich, wie eine reformorientierte Elitendemokratie, die sich für den Erhalt von Strukturen einsetzt, von denen nur einige wenige profitieren, überhaupt Hoffnung schenken soll.
Nirgendwo wird dieses Paradox deutlicher als in einem politischen Programm, das sich auf Arbeit und Soziales stützt und zwar die Notwendigkeit einer Lohnerhöhung anerkennt, diese aber nicht wirklich fordert. Diese Ironie zieht sich wie ein roter Faden durch Robredos Politik: Sie verspricht Chancengleichheit ohne Vermögensumverteilung, soziale Ermächtigung ohne Bürgerbeteiligung, Armutsbekämpfung ohne Strukturwandel. Ihre Vision ist eine Fantasie, in der arme Menschen und Milliardäre harmonisch nebeneinander leben und gleichzeitig die Mitte besetzen: die Armen sollen von den Rändern her näher ins Zentrum rücken, während die Reichen genau dort bleiben, wo sie jetzt schon sind.
Wie der marxistische Geograf Erik Swyngedouw argumentierte, reduziert die Idee des »Good Governance« die Politik auf ein enges Feld verwaltungstechnischer Kompetenz. Weder kann diese Idee als Gegenmittel für reaktionäre Politik dienen, noch kann sie das Elend beheben, das die philippinische Gesellschaft seit langem plagt. Stattdessen führt die Fixierung auf die Regierungsführung dazu, dass strukturelle und systemische Probleme als eine Frage des »politischen Willens« fehldiagnostiziert werden. Der »politische Wille«, ebenfalls ein leeres Schlagwort, ist ein Begriff, der immer wieder verwendet wird, um reaktionäre Herrschaft zu rechtfertigen und die harte Hand des Autoritarismus zu entschuldigen.
Darüber hinaus bestärkt die Idee der »Good Governance« die liberale Gesellschaftsordnung. Außerhalb eines emanzipatorischen Rahmens ist dieses Prinzip völlig konträr zu sozialem Wandel. Es wird zu einer Methode, um die liberale Fantasie eines sich selbst korrigierenden Systems zu reproduzieren – eine Blackbox, die den Wandel entpolitisiert, indem sie systemische Transformationen unnötig macht.
Sechs Jahre unter der Herrschaft Dutertes haben die Dringlichkeit struktureller und systemischer Veränderungen in der philippinischen Politik und Gesellschaft verdeutlicht, und die Pandemie hat diese Botschaft noch verstärkt. Robredo selbst spricht vom Aufbau einer »Zukunft der wahren und radikalen Solidarität«.
Doch ihre Agenda und ihre Ambitionen untergraben die dringende Notwendigkeit und den Wunsch nach Veränderung. Robredos Politik der Hoffnung versperrt sich einer grundlegenden, solidarischen Transformation der philippinischen Politik. Robredos rosige Rhetorik ist inspirierend und gleichzeitig zurückhaltend, vielversprechend und trotzdem zaghaft, hoffnungsvoll und zugleich mutlos. Sie bleibt der neoliberalen Rationalität verhaftet und ist besessen vom »guten Regieren«. Letztlich verpflichtete sie sich der Fortführung des Status quo durch palliative Reformen, die nicht auf eine grundlegende Verbesserung der Gesellschaftsverhältnisse abzielen.
Nur eine neue Art von Politik, wie sie die sozialistischen Kandidaturen von Leody de Guzman und Walden Bello bietet, kann die Linke aus der Sackgasse führen. Indem sie für die höchsten Ämter kandidieren, bereiten de Guzman und Bello den Boden für radikale progressive Interventionen auf nationalen Plattformen. Sie bringen eine revolutionäre Perspektive in die Öffentlichkeit und bauen die politische und organisatorische Infrastruktur auf, die für die Nachhaltigkeit solcher Initiativen erforderlich ist.
Über die Chancen dieser beispiellosen Kampagne sollte man sich keine Illusionen machen. De Guzman und Bello haben noch einen langen Weg vor sich. Angesichts der begrenzten Mittel und Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen, besteht ihr größtes Problem darin, die breite Bevölkerung zu erreichen und deren politische Vorstellungskraft zu entfachen. Doch allein dadurch, dass sie für das Amt kandidieren und die Aufmerksamkeit so vieler Filipinos auf sich ziehen, beanspruchen sie bereits einen Platz, den die Linke seit mehreren Jahrzehnten Leuten wie Duterte und Marcos überlassen hat.
De Guzman und Bello haben schon jetzt etwas geschafft, was der Linken angesichts der zunehmenden Enttäuschung der Bevölkerung über die liberale Demokratie und die Krise der Repräsentation überwiegend nicht gelungen ist. Sie bieten den Menschen eine echte und radikale Alternative, nicht nur zum reaktionären Populismus und autoritären Neoliberalismus von Duterte und Marcos, sondern auch zum progressiven Neoliberalismus von Figuren wie Robredo. Auf diese Weise verbessern sie die Fähigkeit der Linken, mehr Menschen auf ihre Seite zu ziehen und ihre beiden Ziele zu erreichen: den Dutertismo zu besiegen und die progressive Bewegung wiederzubeleben.
Maria Khristine Alvarez ist kritische Stadtgeografin und -ökologin und Doktorandin an der Bartlett Development Planning Unit, University College London.
Joshua Makalintal schreibt und forscht freiberuflich und ist Masterstudent der sozialen und politischen Theorie an der Fakultät für Soziale und Politische Wissenschaften der Universität Innsbruck.
Herbert Docena, ist promovierter Soziologe und Dozent für Soziologie an der University of the Philippines, Diliman.
Maria Khristine Alvarez ist kritische Stadtgeografin und -ökologin und Doktorandin an der Bartlett Development Planning Unit, University College London.
Joshua Makalintal schreibt und forscht freiberuflich und ist Masterstudent der sozialen und politischen Theorie an der Fakultät für Soziale und Politische Wissenschaften der Universität Innsbruck.
Herbert Docena, ist promovierter Soziologe und Dozent für Soziologie an der University of the Philippines, Diliman.