22. Mai 2020
... und zwar umsonst: mit Deinen Klicks, Downloads, Posts, Netflix-Binges und Schritten, die Du trackst. Wir erwarten für unsere Daten keine Gegenleistung, weil ihre Produktion nicht als »Arbeit« gilt – warum?
Wem gehören unsere Daten? Wir sind es gewohnt diese Frage wegzuklicken, sie in »Nutzungsbedingungen« zu verbannen, die kein Mensch liest. Doch zunehmend berühren diese Frage auch unsere Lebensbedingungen. Transportunternehmen wie UPS und Amazon, zum Beispiel, nutzen ausgefuchste Technologien, um das Verhalten ihrer Beschäftigten bis ins Kleinste zu überwachen; internationale Einzelhandels- und Fast Food-Ketten lassen ihre Arbeitspläne von datengefütterten Algorithmen erstellen; »Smart Farm«-Technologien des Agrar-Giganten Monsanto saugen massenhaft wertvolle Informationen aus den Daten selbstständiger Bäuerinnen; und die Fahrerinnen von Uber trainieren mit Myriaden detaillierter Bewegungsdaten jene selbstfahrenden Autos, die am Ende wahrscheinlich ihren Arbeitsplatz ersetzen werden.
Seit eh und je steigern Kapitalisten ihren Profit mithilfe der Daten von Arbeiterinnen, ohne sie dafür zu bezahlen. Doch heute erlaubt ihnen die Verbreitung »smart« vernetzter Technologien – das »Internet der Dinge« – diese Überwachung über den Arbeitsplatz hinaus auszudehnen. Unser Privatleben wird zur Arena einer neuen Form nicht entlohnter Wertschöpfung. Digitale Verkaufsplattformen geben uns maßgeschneiderte Empfehlungen, Streaming-Dienste lernen, unseren Musikgeschmack vorherzusagen, Fitness-Apps tracken unseren Kalorienverbrauch und geben uns Tipps für »gesündere« Entscheidungen. Schon bald können Virtual Reality-Headsets die kleinsten spontanen Bewegungen der Augäpfel und der Netzhaut speichern.
Diese Technologien liefern unsere Information an private Unternehmen, für die das Wissen über Kaufgewohnheiten, Vorlieben und Körperfunktionen pures Gold ist. Big Data könnte ohne unser aller Beitrag nicht existieren. Nie hätte der Handel mit Daten zu einer 130 Milliarden Dollar schweren Industrie wachsen können, hälfen wir den Unternehmen nicht so verlässlich und fleißig beim Sammeln. Wie das passive Tracken von Abläufen neue, unsichtbare Formen der Arbeit in das Tagwerk der »smarten Farmerin« integriert, so füllt es auch unsere Freizeit im Hintergrund mit produktiver Arbeit.
Als die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin 1996 ihren PageRank-Algorithmus vom Stapel ließen, begann eine Umkehr in der Richtung der Datenströme. Indem sie eine wachsende Zahl von Webseiten nach der Dichte von Verlinkungen und Besucherinnen-Statistiken ordnen ließen, übergaben die beiden Stanford-Studenten die Arbeit ihrer Suchmaschine de facto an die Kundinnen. Denn indem wir Googles kostenlosen Service nutzen und das Netz durchsuchen, trainieren und verbessern wir beständig den Algorithmus. Das so verbesserte Produkt zieht dann weitere Nutzerinnen an, deren Daten wiederum helfen, die Suchmaschine zu verfeinern.
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Evan Malmgren ist Verlagsassistent bei »Experiment«.