06. Februar 2025
Während Friedrich Merz der AfD die Tür öffnet, droht einer Klimaaktivistin in Bayern das Berufsverbot. Der deutsche Staat hat schon immer eine Brandmauer aufgezogen – nur eben nicht gegen rechts.
Klimaaktivistin Lisa Poettinger wurde in Bayern nicht zum Referendariat zugelassen.
Ich möchte ungern wie ein Boomer klingen, aber vielleicht hätte es Luisa Neubauer besser getan, freitags in die Schule zu gehen. Wie sehr es der Klimaaktivistin an historischer Bildung mangelt, brachte sie am Dienstag unfreiwillig mit einem Tweet zum Ausdruck, in dem sie das berühmte Konrad-Adenauer-Plakat mit dem Slogan »Keine Experimente!« teilte – verbunden mit der Botschaft: »Bring this energy back. #Brandmauer«
Konrad Adenauer als Brandmauer gegen rechts? Man muss nicht viel von Geschichte verstehen, um zu wissen, dass das Quatsch ist. Während seiner Kanzlerschaft, die von 1949 bis 1963 andauerte, war Adenauers engster Vertrauter Hans Globke – ein Mitverfasser der Nürnberger »Rassengesetze«, mit denen jüdische Menschen ab Mitte der 1930er Jahre aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen wurden. Koalitionspartner Adenauers war elf Jahre lang die heute vergessene Deutsche Partei, die die Farben schwarz, rot und weiß in ihrem Logo trug und sich für ehemalige Wehrmachtsangehörige einsetzte.
Die einzige Brandmauer, die es unter Adenauer gab, wies nach links: Der CDU-Kanzler führte ein Gesinnungsstrafrecht ein, das allein gegen Sozialisten und Kommunisten zur Anwendung kam. Für das bloße Verteilen von kommunistischen Flugblättern konnte man für fünf Jahre im Gefängnis landen. Die Botschaft war klar: Wer sich zu sozialistischen Idealen – oder aber zu einer Entspannungspolitik gen Osten – bekannte, dessen Freiheit galt in der frühen Bundesrepublik nichts.
Nach dem Parteiverbot der KPD im Jahr 1956 hörten diese Internierungen zwar auf. Die antikommunistische Hetzjagd wurde aber jahrzehntelang fortgesetzt, etwa mithilfe von Berufsverboten, die es Kommunisten verunmöglichten, als Pädagogen, Lokführer und in anderen öffentlichen Berufen zu arbeiten.
Wenn heute die Bundesrepublik für ihre Liberalität gelobt wird, dann dürfen wir als Linke nicht müde werden, zwei Dinge zu betonen. Erstens: Diese viel gelobte Freiheitlichkeit hat sich erst eingestellt, nachdem Sozialisten mit allen Mitteln mundtot gemacht und marginalisiert wurden. Und zweitens: Wann immer der Staat seine Räson angetastet sieht, kann er anders – auch heute noch.
Davon zeugen die jüngsten Berufsverbote in Bayern: Im vergangenen Jahr wurde dem angehenden Uni-Dozenten Benjamin Ruß die Anstellung an der TU München verweigert – wegen angeblicher Verfassungsfeindlichkeit. Ähnliches war vor wenigen Tagen zu vernehmen, als die Klimaaktivistin Lisa Poettinger nicht zum Referendariat für den Schuldienst zugelassen wurde.
Erinnert sei des weiteren an die Fördermittelaffäre rund um die liberale Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die palästina-solidarischen Akademikerinnen und Akademikern die Mittel entziehen wollte – eine Politik, die der Berliner Senator Joe Chialo im Kultur-Ressort erfolgreich in die Tat umsetzte.
Der Blick in Vergangenheit und Gegenwart zeigt: Es bedeutet ganz sicher keinen Bruch mit den Prinzipien Adenauers, mit Rechten zu paktieren und gegen Linke zu hetzen. Im Gegenteil: Die Bundesrepublik wurde auf ebendiesen Prinzipien begründet. Umgekehrt bedeutet das nicht zwangsläufig, dass Friedrich Merz nach der Wahl mit der AfD gemeinsame Sache machen wird. Es ist gut möglich, dass es sich vergangene Woche tatsächlich bloß um ein Wahlkampfmanöver gehandelt hat, um der AfD Wähler abzuluchsen, und dass Merz weiter auf schwarz-grün spekuliert – um seine rassistische Migrationspolitik dann als lupenreiner Demokrat zu organisieren.
Es steht zu befürchten, dass der Protest gegen diese Politik dann deutlich kleiner ausfallen wird als die Anti-AfD-Demos der vergangenen Woche. Denn rechte Politik stört hierzulande kaum jemanden – solange sie ein staatsmännisches Gesicht zeigt.
Ole Nymoen betreibt den Wirtschaftspodcast Wohlstand für Alle und ist Kolumnist bei JACOBIN.