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24. Oktober 2025

Die Linke braucht bessere Antworten auf die Wehrpflicht

Wer sich darauf einlässt, die Bundeswehr diene dazu, dass »wir uns verteidigen« können, kann nicht mehr schlüssig gegen die Wehrpflicht argumentieren. Antimilitarismus muss bereits da ansetzen, dass niemand für den Staat töten und sterben soll.

Angehörige des Gebirgsmusikkorps der Bundeswehr während einer Zeremonie in Roth, Bayern, 15. Oktober 2025.

Angehörige des Gebirgsmusikkorps der Bundeswehr während einer Zeremonie in Roth, Bayern, 15. Oktober 2025.

IMAGO / Ardan Fuessmann

Es sind keine leichten Zeiten für Antimilitaristen: Ein Großteil der Bevölkerung befürwortet Aufrüstung und Wehrpflicht. Die Bundesregierung streitet nicht mehr darüber, ob Menschen zum Dienst an der Waffe genötigt werden, sondern nur noch, wie. Und wer sich diesem kriegerischen Zeitgeist verweigert, der kann sicher sein, dass er im besten Fall für naiv und im schlimmsten Fall zur fünften Kolonne Moskaus erklärt wird.

Was tun als Linkspartei? Im Wahlprogramm war noch zu lesen: »Wir widersetzen uns der militaristischen Zeitenwende.« Und in der Tat: Keine andere Partei ist derart laut, wenn es gegen die Wehrpflicht geht. Nur: Wie tut man das am besten?

Eine konsistente Haltung zur Armee hat die Linkspartei bis heute nicht gefunden. Einerseits verschreibt sie sich dem Antimilitarismus, andererseits führt das nicht zu einer kategorischen Absage an die sogenannte Parlamentsarmee. Im Wahlprogramm etwa hieß es, man wolle die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen abziehen und sie zu einer »strukturell nicht angriffsfähigen Verteidigungsarmee« umbauen.

Man könnte auch sagen: Ja zur Bundeswehr, nein zur Bundeswehr! Zwar ist die Linke gegen eine Interventionsarmee. Aber die Verteidigung Deutschlands will sie nun auch nicht infrage stellen. Nur: Wie soll ebendiese Verteidigung möglich sein, wenn nicht genug junge Männer in der Armee dienen wollen, man aber gleichzeitig gegen eine Wehrpflicht ist?

Das fragte sich in der vergangenen Woche auch der ZDF-Comedian Fabian Köster, der im Bundestag für die Heute Show unterwegs war. »Wie werden wir denn verteidigungsbereit?«, wollte er von der Linken-Abgeordneten Clara Bünger wissen. Ihre Antwort: »Die Lösung ist nicht, dass man junge Menschen in einen Zwangsdienst schickt.« Eine Ansage, mit der Köster alles andere als zufrieden war: Wiederholt hakte er nach, was denn stattdessen getan werden solle, um »eine verteidigungsbereite Bundeswehr zu kriegen«. Die Replik Büngers lautete immer nur, eine Pflicht sei nicht der richtige Weg.

»Ohne eine Absage an die Nation ist kein Antimilitarismus zu haben. Und das wiederum bedeutet, dass man ›nicht regierungsfähig‹ ist und nur außerparlamentarisch wirken kann.«

Bei aller Sympathie: Eine gelungene Argumentation gegen die Wehrpflicht sieht anders aus. Denn wenn man tatsächlich der Meinung ist, die Landesverteidigung sei im linken Sinne – dann wird man um eine Wehrpflicht kaum herumkommen. Eine Vaterlandsverteidigung ohne Zwang ist nicht denkbar. Wenn Köster fragt, wie »wir« uns verteidigen können, dann stellt er letztlich die Gretchenfrage: »Nun sag’, wie hast du’s mit der Nation?«

Genau diese Behauptung – dass das Interesse des Staates und das der Bürger eins seien – müssen Linke zurückweisen. Offensichtlich verteidigen sich zwangsrekrutierte junge Männer im Krieg nicht selbst, sondern sie verteidigen den Staat gegen ihren Willen. Wer gegen den Militarismus ankämpfen will, der muss sich trauen, dieses angebliche »Wir«, das »sich« verteidigt, zu hinterfragen. Und der muss sagen: Wie die Vaterlandsverteidigung organisiert wird, interessiert uns nicht. Wir wollen junge Leute gegen den Krieg agitieren – selbst wenn uns das von den anderen Parteien und den großen Medienhäusern übelgenommen wird.

Genau das traut sich die Linkspartei aber nicht. Stattdessen stellt sie unsinnige Forderungen auf, etwa nach einer Streichung der Wehrpflicht aus dem Grundgesetz. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die Linke bittet ebenjene Parteien, die gerade eine neue Wehrpflicht planen, das genaue Gegenteil zu tun. Das ist nichts als peinlicher Aktivismus.

Offenkundig gibt es auf der anderen Seite dieser Forderung kein Subjekt, das im geringsten gewillt wäre, nachzugeben. Wäre es da nicht viel sinnvoller, junge Leute direkt anzusprechen und ihnen ehrlich zu sagen: Dieser Staat will euch im Ernstfall in den Krieg zwingen – und wir sind es, die mit euch dagegenhalten und die euch zur Kriegsdienstverweigerung beraten. Im Gegensatz zur Regierung, die die Militarisierung schon geplant und junge Männer verplant hat, kann man ebendiese Jugend tatsächlich für das eigene Anliegen gewinnen.

Diese Haltung ist natürlich unbequem: Ohne eine Absage an die Nation ist kein Antimilitarismus zu haben. Und das wiederum bedeutet, dass man »nicht regierungsfähig« ist und nur außerparlamentarisch wirken kann. Aber bestand nicht hierin ein zentrales Wahlversprechen der Linkspartei? »Alle wollen regieren. Wir wollen verändern«, so lautete die Losung im Wahlkampf. Genau das könnte man nun unter Beweis stellen: Indem man jungen Leuten beisteht, die keine Lust haben, für rassistische Kanzler und bellizistische ZDF-Satiriker im Schützengraben zu sterben. Dann muss auch niemand mehr vor Kameras rumdrucksen, sondern kann konsistent antworten.

Ole Nymoen betreibt den Wirtschaftspodcast Wohlstand für Alle und ist Kolumnist bei Jacobin. Sein neustes Buch Warum ich nicht für mein Land kämpfen würde ist kürzlich beim Rowohlt Verlag erschienen.