02. Oktober 2024
China will weg von der unipolaren Weltordnung, aber auch nicht zurück zur Blockkonfrontation.
Seit einigen Jahren wird die westliche Haltung gegenüber der Volksrepublik China immer feindseliger. Für Außenministerin Annalena Baerbock ist China unter dem »Dikator« Xi Jinping ein »systemischer Rivale«, der »seine eigenen Regeln schaffen« will. Wie kürzlich bekannt wurde, hat Noch-US-Präsident Joe Biden im März die Leitlinien der USA zum Einsatz von Atomwaffen neu justiert und verstärkt auf eine wachsende chinesische Bedrohung ausgerichtet. Mit immer weniger Ausnahmen scheint sich das politische Establishment in Europa und Nordamerika auf einen neuen außenpolitischen Konsens einzuschwören: China ist der Hauptfeind, der notfalls auch militärisch niedergekämpft werden muss.
Demgegenüber beteuern alle offiziellen und akademischen Äußerungen, die wir seit Beginn des Krieges in der Ukraine aus der Volksrepublik hören, dass China sich gegen die Vorstellung zur Wehr setzt, die Welt müsse wie seinerzeit im Kalten Krieg wieder in zwei Blöcke geteilt werden. Dabei wird sowohl die Bipolarität als auch die ideologisch begründete Blockbildung in Zweifel gezogen. China hält nichts von der Frontstellung zwischen »Autokratie« und »Demokratie«.
»Der neue kalte Krieg« als Bezeichnung für den aktuellen Zustand der internationalen Beziehungen geht auf eine Analyse des US-amerikanischen State Departments zurück. Demnach sei China das einzige Land der Welt, das über die Macht und den Willen verfüge, die Vorherrschaft der USA in der unipolaren Ordnung infrage zu stellen. Mit derselben Formulierung wurde zu Beginn der 1970er Jahre die Sowjetunion bedacht.
Der Zerfall der Sowjetunion markierte das Ende des Kalten Kriegs. Da liegt es nahe, anzunehmen, dass mit der Rede vom »neuen kalten Krieg« die Zielsetzung der USA verbunden sei, auf den Zerfall der Volksrepublik China hinzuarbeiten. Die Legitimität dieses Vorgehens ergibt sich aus der Gegenüberstellung von Demokratie und Autokratie: Während autokratische Systeme nicht das Recht haben, demokratische infrage zu stellen, ist es umgekehrt legitim, dass Demokratien Autokratien stürzen. Auch dieser Logik widersetzt sich China verständlicherweise.
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Susanne Weigelin-Schwiedrzik ist Professorin der Sinologie an der Universität Wien und Programmdirektorin des Centers für Strategische Analysen.