06. März 2024
Erst kommt die Bezahlkarte, jetzt will Christian Herrgott von der CDU Asylsuchende zu schlecht bezahlter Arbeit zwingen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis solche Methoden von den Rändern auf die ganze Gesellschaft ausgeweitet werden.
Christian Herrgott ist ein Mann der Ideen. Seine neueste: Asylsuchende sollen für 80 Cent die Stunde Hecken schneiden.
Deutschland rüstet auf – und das nicht nur militärisch, sondern auch ganz zivil. Das lässt sich derzeit an der drohenden Arbeitspflicht für Asylsuchende ablesen: Nicht nur nach außen wird mit Kriegsschiffen und Panzern ernst gemacht, auch nach innen wird der Wind rauer. Zwar lobt die bundesdeutsche Politik sich gern für ihre Liberalität, derzeit werden aber viele an den Rand gedrängte Gruppen verstärkt in die Mangel genommen – allen voran Geflüchtete.
Aber fangen wir von vorne an: Christian Herrgott, der neue CDU-Landrat im Thüringer Saale-Orla-Landkreis, der sich nur knapp gegen die Konkurrenz der AfD durchsetzen konnte, war bereits im Wahlkampf vor allem dadurch aufgefallen, dass er die AfD rechts überholen wollte. So warb er mit den Versprechen: »Bürgergeld abschaffen. Konsequent abschieben. Windkraft im Wald verhindern.«
Derartige Vorhaben kann man von zwei Seiten beleuchten: Einerseits von der Seite der Machbarkeit. Das Bürgergeld abzuschaffen, ist beispielsweise im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung quasi unmöglich. Immerhin gibt es genug Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die den Staat dabei eingeschränkt haben, Hartz-IV-Sätze künstlich kleinzurechnen oder 100-Prozent-Sanktionen zu verhängen. Und da das Bürgergeld letztlich genau dasselbe ist wie Hartz IV, nur unter anderem Namen, kann man es auch nicht so einfach abschaffen.
»Dass einige in der FDP nun schon darüber nachdenken, ähnliche Konstrukte für Deutsche einzuführen, die Sozialleistungen empfangen, ist dann eigentlich nur der nächste logische Schritt.«
Andererseits hat ein solches Wahlversprechen trotz seiner Undurchführbarkeit einen Nutzen, da es die Rachegelüste anspricht, die in der Bevölkerung schwelen. Die bestehenden Ressentiments gegen Arme oder Asylsuchende sollen zumindest eine rhetorische, im »besten Falle« sogar eine politische Befriedigung erfahren. Während die Abschaffung des Bürgergelds realpolitische Schwierigkeiten mit sich bringt, ist es bei Geflüchteten ungleich leichter, sie zu gängeln. Christian Herrgott hat nun vorgelegt: Menschen, die sich auf Asyl bewerben, sollen in seinem Landkreis dazu verpflichtet werden, schlecht bezahlte Arbeiten anzunehmen – für 80 Cent die Stunde dürfen sie dann etwa Hecken schneiden. In guter deutscher Tradition werden hier Menschen zu einer regelrechten Arbeitspflicht verdammt – denn wer sich weigert, diese Schikanen hinzunehmen, muss mit Kürzungen der Sozialleistungen von 180 Euro rechnen.
Geistige Fürsprecher für derartige Widerwärtigkeiten gibt es genug: Etwa in der Ökonomenzunft, wo ein Professor aus der Provinz nicht hören mag, dass es hier unfair zugeht: »Hecken schneiden eröffnet keine Chancen? Aber den ganzen Tag in der Unterkunft abhängen schon? Da kommen nicht lauter Ärzte und Ingenieure, tatsächlich wird Heckenschneiden u.ä. für viele der einzige Einstieg in den hiesigen Arbeitsmarkt sein.«
So viel geistige Verrenkung schaffen wirklich nur Vulgärökonomen: Denn ein Staat, der geflüchteten Menschen einerseits das Recht verwehrt, einer regulären Erwerbsarbeit nachzugehen, andererseits aber eine solche Arbeitspflicht einführt, verfolgt offenkundig nicht den Zweck, zukünftige »Chancen« zu eröffnen. Stattdessen sollen Arbeitskräfte zweiter Klasse geschaffen werden, deren Schlechterstellung dem rassistischen Gerechtigkeitsideal vieler Deutschen Genüge tut.
In dieselbe Kerbe schlägt auch die Bezahlkarte für Asylsuchende: Auch hier geht es um eine Schlechterstellung von Menschen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Die Freiheit, sich das Geld nach eigenem Gutdünken einzuteilen – eine Freiheit, die übrigens auch die Ärmsten in Deutschland bislang haben –, wird hier beschnitten. Dass einige in der FDP nun schon darüber nachdenken, ähnliche Konstrukte für Deutsche einzuführen, die Sozialleistungen empfangen, ist dann eigentlich nur der nächste logische Schritt: Wenn die ärmste Gruppe – nämlich Geflüchtete und Migrantinnen – abgefrühstückt sind, dann dürfen als nächstes die hiesigen Armen die geballte Kälte des Staates spüren.
Ole Nymoen betreibt den Wirtschaftspodcast Wohlstand für Alle und ist Kolumnist bei JACOBIN.