28. April 2023
Die EU-Kommission will die Regeln zum Schuldenabbau ein kleines bisschen lockern – und FDP-Chef Christian Lindner blockiert. Warum diese Zombie-Ökonomie den Rechtsruck in ganz Europa beschleunigen könnte.
Finanzminister Christian Lindner beim FDP-Parteitag 21. April 2023.
IMAGO / Achille AbboudDas war’s mit einer echten Kindergrundsicherung. Christian Lindner hat den Bundeshaushalt 2024 auf Sparkurs gesetzt und will insgesamt 20 Milliarden weniger staatliche Ausgaben machen – der Verteidigungshaushalt hat natürlich weiterhin Priorität, wir sind schließlich im Krieg.
SPD und Grüne hatten ihren Mitgliedern und Wählern die Ampel damals als »Fortschrittskoalition« schmackhaft gemacht. Nun müssen sie auf einige soziale wie ökologische Projekte verzichten. Denn der frisch bestätigte FDP-Vorsitzende und Finanzminister Christian Lindner drückt auf die Bremse. Dabei ist laut Bundesbank der Realzins auf Staatsanleihen leicht negativ – die erwartete, um die Inflationsrate verminderte Rendite auf fünf- oder zehnjährige Schuldverschreibungen im Frühjahr 2023 liegt immer noch knapp unter Null.
Den Vorschlag des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich, Kreditermächtigungen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds einzusetzen, um Sparpolitik in der Krise möglichst abzuwenden, lehnt Lindner dennoch ab. Diese Finanzpolitik mit der Abrissbirne gefährdet indessen nicht nur die sozialen Rechte der Menschen in Deutschland, sondern in ganz Europa.
Lindner begründet seine Blockade mit wirtschaftsliberalen Mythen und Legenden. Mehr Staatsausgaben erteilt er eine klare Absage: »Die Zeit der reinen Verteilungspolitik in unserem Land ist zu Ende gegangen. Wir müssen jetzt wieder investieren, erneuern und strukturelle Reformen auf den Weg bringen, denn mit dem Wohlstand der Vergangenheit können wir die soziale Sicherheit von heute und morgen nicht mehr darstellen«.
Dieses Statement ist aus mehreren Gründen haarsträubend. Legende ist zunächst Lindners Behauptung, das vergangene sei ein »Jahrzehnt der Verteilung« gewesen – außer vielleicht von unten nach oben. Auch wenn sich in der Ära Merkel eine Abkehr vom radikalen Neoliberalismus vollzog, ist die Ungleichheit seit 2010 wie auch und die Armutsrisikoquote weiter gestiegen. Das oberste Einkommenszehntel hat sich seit der Jahrtausendwende phänomenal nach oben abgesetzt, und der Abstand zwischen dem untersten Einkommenszehntel und dem Rest ist weiter gewachsen. Steuererhöhungen für Reiche hat es trotzdem nicht gegeben – im Gegenteil profitierten diese dank Lindner zuletzt vom im Inflationsausgleichsgesetz enthaltenen Abbau der kalten Progression.
Legende ist auch Lindners These, durch das Ziel des Schuldenabbaus sei eine Sparpolitik geradezu zwingend. Dass Deutschland die seit 2011 für den Bundeshaushalt verbindliche Schuldenbremse einhalten konnte, ist nämlich nicht der Sparpolitik zu verdanken. Die Staatsausgaben stiegen von 1991 bis 2015 – nur eben langsamer als jeweils das nominale BIP und die Einnahmen im Durchschnitt. Deutschland profitierte von einer günstigen Arbeitsmarktentwicklung und erheblichen Zinsersparnissen (alleine zwischen 2008 und 2019 betrugen diese 368 Milliarden Euro) sowie der bis zur gegenwärtigen Inflation lockeren Geldpolitik der EZB und seinem Status als »sicherer Hafen« auf den Kapitalmärkten.
Widerspruch erhält Lindner inzwischen auch lautstärker aus den Bundesländern. In einem Gastbeitrag im Handelsblatt werfen ihm die sozialdemokratischen und grünen Finanzministerinnen und -minister aus Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg vor, »die sensiblen Bund-Länder-Finanzbeziehungen« würden ihm »als Steinbruch zur Konsolidierung herhalten«. Sie fordern eine Ausfinanzierung von Ländern und Kommunen für die Klimaziele ein, die auf kommunaler und landespolitischer Ebene umgesetzt werden müssen. (Wir vergessen an dieser Stelle natürlich nicht, dass die rot-grüne Bundesregierung ab 1999 eine Steuersenkungs- und Konsolidierungspolitik zulasten beider Ebenen betrieb.) Länder und Kommunen verfügen über wenig eigene Finanzierungsquellen. Gegenüber den Ländern ist die Schuldenbremse strenger als gegenüber dem Bund. Außerdem müssen Länder und Kommunen Personalkostensteigerungen durch einen hoffentlich guten Abschluss der Tarifrunde im öffentlichen Dienst viel stärker schultern. Statt beim ökologisch-sozialen Umbau ernst zu machen, lässt die Ampel Länder und Kommunen im Regen stehen.
Der Beitrag der Finanzministerinnen und -minister gibt auch einen Hinweis auf die Doppelzüngigkeit Lindners und der FDP in Fragen der Klimapolitik: »Will die Ampel als Fortschrittskoalition punkten, braucht sie eine breite Akzeptanz für eine ökonomisch und sozial funktionierende ökologische Transformation. Diese Akzeptanz wird es nur geben, wenn die Menschen vor Ort spüren, dass die Daseinsvorsorge funktioniert.« Die Wirtschaftsliberalen werden rekordverdächtig schnell zu Arbeiter- und Benachteiligtenverstehern, wenn es darum geht, ökologischen Umbau mit Hinweis auf die Sorgen und Ängste der »kleinen Leute« abzuwehren. Tatsächlich aber blockieren gerade sie alles, was die Transformation als sozialen Fortschritt spürbar machen könnte.
Christian Lindners Politik ist aber nicht nur schlecht für die Menschen in der Bundesrepublik, sondern für alle in der EU. Zunächst dämpfte ein wachstumshemmender Sparkurs in Deutschland den Import von Vorleistungs- und Konsumgütern. Die nach Deutschland gehenden Exporte haben relevanten Anteil an der Wertschöpfung und Beschäftigung in anderen europäischen Ländern. Wird im größten und wirtschaftlich stärksten Land Europas der »Gürtel enger geschnallt«, werden die mit ihm verflochtenen Nachbarn gleich mit auf Sparkurs gesetzt.
Dabei ist auf europäischer Ebene gerade eher eine dezente Abkehr von strengen ordoliberalen Ideologien zu beobachten. Nach der Eurokrise brach eine Zeit des Misstrauens gegenüber den Kapitalmärkten an. Einer der Chefintellektuellen des Kapitals, Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), kritisiert nicht nur massiv die Schuldenbremse im deutschen Grundgesetz, sondern warnte zuletzt auch vor einer zu restriktiven Geldpolitik. Bei erheblichen Teilen der wissenschaftlichen und politischen Eliten hat es auf leisen Sohlen – ohne öffentliche und vollständige Absage an das alte neoliberale Paradigma der Wirtschaftspolitik – einen Wechsel zu einem »technokratischen Keynesianismus« gegeben. Diese Wirtschaftspolitik folgt der Einsicht, dass ein stramm neoliberaler Kurs im heutigen Kapitalismus selbstzerstörerisch wäre.
Die Bewertung der wirtschafts- und finanzpolitischen Rahmensetzung der EU blieb davon nicht unberührt. Im Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) steht, dass die Mitgliedstaaten »übermäßige öffentliche Defizite« vermeiden sollen. Die Haushaltsdisziplin soll sowohl Neuverschuldung beziehungsweise Haushaltsdefizite, als auch den öffentlichen Schuldenstand jeweils im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt umfassen. Beides ist von der EU-Kommission zu überwachen (»Maastricht-Regeln«). Die Referenzwerte von 3 Prozent zulässigem Defizit und 60 Prozent Schuldenquote im Verhältnis zum BIP sind dabei in einem gesonderten Protokoll zum Vertrag festgehalten. Die EU-Kommission ist nun in ihren Vorschlägen zur Änderung der wirtschaftspolitischen Steuerung den zahlreichen Kritikerinnen und Kritikern bereits deutlich entgegengekommen. Wiederkehrender Kritikpunkt war vor allem die prozyklische, also die jeweilige konjunkturelle Lage verschärfende statt ausgleichende Ausrichtung des bisherigen Regelwerks.
In kapitalistisch-demokratischen Wohlfahrtsstaaten, zu denen alle Mitgliedstaaten der EU und der Währungsunion gehören, werden unvermeidlich immer wieder Haushaltsdefizite als Resultat wirtschaftlicher Entwicklungen anfallen. Kapitalistische Marktwirtschaften finden nicht aus sich heraus zu einem Gleichgewicht, bei dem sich auf allen Märkten einschließlich des Arbeitsmarkts Angebote und Nachfrage entsprechen, alle Kapazitäten ausgelastet und alle Menschen beschäftigt werden. Sie können sich, wie es John Maynard Keynes formulierte, nur in einem »Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung« einpendeln. Die pessimistischen Erwartungen von Unternehmen und Beschäftigten reißen gesamtwirtschaftlich eine Nachfragelücke auf, wenn sie Investitionen und Konsum nach unten drücken. Unternehmenspleiten und Erwerbslosigkeit nehmen dann zu. Werden daraufhin die öffentlichen Haushalte durch Steuerausfälle und steigenden Bedarf an sozialen Unterstützungsleistungen belastet, sehen sich EU-Mitgliedstaaten in die Nähe oder über die Grenze der Maastricht-Regel geschoben. So verengt sich durch das Gebot zum Schuldenabbau der Spielraum für kreditfinanzierte öffentliche Investitionen zur Schließung der Nachfragelücke genau dann, wenn sie besonders dringend gebraucht werden.
Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass die Europäische Kommission laut ihrer Mitteilung vom 9. November vergangenen Jahres von der strengen Version dieses Regelwerk Abschied nimmt und es für eine investitionsfreundlichere Politik öffnen will. Abgelöst wäre demnach die bisherige Regel, wonach Mitgliedstaaten, die mit über 60 Prozent ihres BIP verschuldet sind, jedes Jahr den Anteil über dieser Grenze um ein Zwanzigstel abbauen müssen. Statt wie bisher den Abbau »übermäßiger Defizite« innerhalb von zwanzig Jahren vorzuschreiben, soll den Ländern auf Grundlage einer Analyse ihrer Schuldentragfähigkeit vier Jahre Zeit gegeben werden, sofern sie einen Plan vorlegen können, der sie in diesem Zeitraum auf einen Pfad sinkender Staatsschuldenquote führt. Legen sie einen entsprechenden Plan vor, kann der ihnen zur Verfügung stehende Zeitraum um weitere drei Jahre verlängert werden.
Zur Einhaltung des Defizit- und Schuldenkriteriums soll künftig eine Ausgabenregel gelten. Grundlage hierfür ist die Entwicklung nationaler Netto-Primärausgaben ohne Zahlungen von Zinsen, Arbeitslosengeld sowie Mehrausgaben, die durch Steuererhöhungen gedeckt sind. Die Böckler-Stiftung fasst zusammen: »Falls Steuereinnahmen konjunkturell bedingt wegfallen (Rezession) oder übermäßig stark wachsen (Boom), steigen die Staatsausgaben immer noch entsprechend der Regel und wirken dementsprechend stabilisierend«. Die Reformvorschläge erfüllen bei Weitem noch nicht alle Forderungen linker Ökonominnen und Ökonomen, wie beispielsweise der nach Demokratisierung. Abzulehnen ist auch die Integration der haushaltspolitischen Überwachung in das sogenannte Europäische Semester, das die Kommission wiederholt genutzt hat, um Mitgliedsländern im Tausch für finanzpolitisches Entgegenkommen Arbeitsmarktreformen nach dem Muster deutschen Agenda 2010 aufzudrängen.
Dennoch schaffen die Kommissionsvorschläge eine Grundlage für weitere Schritte in die richtige Richtung. Nähme Deutschland als mächtigstes Land in der EU seine Verantwortung für Europa und die Ampel ihren Anspruch als »Fortschrittskoalition« ernst, müssten sie eigentlich an der Spitze dieser Reformen stehen.
Im Lichte dieser Fortschritte sehen die ordoliberalen Ideologen, allen voran Christian Lindner, in der EU ihre Felle wegschwimmen. Bis zuletzt hat sich der deutsche Finanzminister und FDP-Vorsitzende gegen die Kursänderung bei der wirtschaftspolitischen Rahmensetzung auf EU-Ebene gestemmt.
Bereits im Vorfeld machte ein von seinem Ministerium lanciertes »Non-Paper« von sich reden. Darin lehnt die deutsche Position eben jene Punkte ab, die eine Abkehr vom bisherigen Korsett des Regelwerks bedeuten, nämlich eine Orientierung an Analysen der landesspezifisch zu ermittelnden Schuldentragfähigkeit. Anlässlich der Veröffentlichung des offiziellen Kommissionsvorschlags legte Lindner noch mal nach. Er hält die für »nicht zustimmungsfähig«. Der FDP-Chef stört sich an der Geschäftsgrundlage des Vorschlags, derzufolge »die haushaltspolitische Ausgangslage, die Herausforderungen und die wirtschaftlichen Aussichten in den 27 EU-Mitgliedstaaten […] sehr unterschiedlich« seien, weshalb es keinen Ansatz zum Schuldenabbau gebe, der auf alle passen könne. Doch aus ordoliberaler Sicht können und dürfen nur allgemeine Regeln gelten, auch Ungleiches soll gleich behandelt werden. In Europa soll weiter »Deutsch gesprochen« werden, wie der damalige CDU-Fraktionschef Volker Kauder geschichtsvergessen während der Eurokrise verkündete.
Lindner lehnt zudem ab, den Mitgliedsstaaten mehr Gestaltungsspielraum bei der Minderung ihrer Verschuldung zu verschaffen. Im Gegenteil: Es soll eine jährlich Mindestsenkung der Schuldenquote um einen Prozentpunkt für hoch verschuldete und einen halben Prozentpunkt für Staaten mit über 60 Prozent Staatsschuldenquote vorgeschrieben werden. Mit seinem sturen Festhalten an allgemein gültigen Regeln will der deutsche Finanzminister ein System durchsetzen, in dem die Finanzpolitik ganz automatisch auf FDP-Kurs gehalten wird. Sein Beharren auf der 3-Prozent-Defizit- und der 60-Prozent-Schuldengrenze als Gegenmaßnahme zu einer Politisierung des Schuldenabbaus ist geradezu lächerlich, da diese Regeln selbst keinerlei wissenschaftliche Grundlage haben, sondern zu politisch opportunen Zwecken im Finanzministerium des Mitterand-Frankreichs erdacht wurden. Kritikerinnen und Kritiker mahnen zu recht, dass ein ökologisch-soziales Umsteuern in Europa das genaue Gegenteil dessen erfordert.
Zwar hat die EU-Kommission Lindners Vorstoß abblitzen lassen, doch nach einigen Einschätzungen steht ein harter Kampf bevor, denn Lindner hat angekündigt, sich Unterstützung zu holen. Es droht eine ähnliche Frontstellung, wie es sie bereits zu Beginn der Corona-Pandemie gab, als Österreich, Dänemark, die Niederlande und Schweden als »Sparsame Vier« beim Corona-Wiederaufbaufonds, der die Maastrichtregeln aussetzte, auf die Bremse traten. In diesem Fall geht es jedoch nicht nur um eine Fiskalkapazität, die wie der Corona-Wiederaufbaufonds bisher nur ein Ausnahmeinstrument ist, sondern um die allgemeine Rahmensetzung der Finanzpolitik für jeden Mitgliedstaat in Europa. Entsprechend schwer wiegen die Folgen. Und anders als im Frühjahr 2020, als der damalige Finanzminister Olaf Scholz den Wiederaufbaufonds begrüßte und Angela Merkel zur Überraschung vieler von ihrem strikten Nein zu jeder Schuldenvergemeinschaftung abrückte, reiht sich das deutsche Finanzministerium diesmal in die Front der Sparsamen Vier ein.
Lindner möchte den dezenten finanzpolitischen Aufbruch in Europa stoppen. Sobald die Corona-bedingte Aussetzung der Maastricht-Regeln ab 2024 ausläuft, droht Schlimmes. Bereits vor dem Amtsbeginn der Ampel-Koalition warnten die Ökonomen Adam Tooze und Joseph Stiglitz vor Christian Lindner: »Die größte Bedrohung für Europas Demokratie«, schreiben sie, »ist nicht die Einmischung durch Internet-Trolle oder andere Außenstehende, sondern eine unangemessene und zum falschen Zeitpunkt durchgesetzte Haushaltsdisziplin, die ein Minderheitsbündnis von ›Nordstaaten‹ einer Mehrheit der europäischen Wählerschaft zwangsverordnet. Für Deutschland wäre es katastrophal, sich an die Spitze eines solchen Bündnisses zu stellen, wie es die FDP versprochen hat.« Sie verweisen außerdem auf den Zusammenhang zwischen Rechtspopulismus und neoliberaler Sparpolitik: »Den nationalistischen Populisten in Italien könnte nichts Besseres passieren als eine öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung mit dem deutschen Finanzministerium. Das wäre fatal für Italien, schlecht für Europa und schlecht für Deutschland.«
Die deutsche »Mitte« ignoriert diese Fakten oder lächelt sie weg. Dabei ist sie für den europaweiten Aufstieg radikal rechter Parteien und Regierungen mitverantwortlich. Als die Merkel-Regierungen den krisengeplagten Ländern Spardiktate und Sozialabbau aufzwang als Preis für ihren Verbleib in der Eurozone, hielt der breite deutsche Mainstream dem nichts entgegen und suhlte sich im Ressentiment des »faulen Griechen«. Die Angst um Europa flackerte erst auf, als die etablierten und technokratischen Eliten in den Krisenländern als willige Vollstrecker Merkels und der Troika abgewählt wurden und rechte Kräfte erstarkten. Da war der Aufschrei groß. Das deutsche Feuilleton kürte Emmanuel Macron zum Retter Europas vor Marine Le Pen – dabei führt die eine Politik zur anderen.
Neoliberale Sparpolitik und die daraus resultierende Verarmung und Perspektivlosigkeit schaffen den fruchtbaren Nährboden für den Aufschwung radikal rechter Parteien, die sich als Opposition zu den Verhältnissen darstellen. Im schlimmsten Fall begünstigen sie den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien wie etwa in Polen oder Ungarn, die xenophobe und frauenfeindliche Ressentiments mit einer klientelistischen Sozialpolitik kombinieren und mit Steuererleichterungen, Familienkrediten und direkten Geldtransfers Teile der Arbeiterklasse an sich binden, und die traditionelle Linke politisch ins Abseits schießen. Wer diesen Zusammenhang verkennt, wird im Angesicht breiter und erfolgreicher rechter und faschistischer Mobilisierungen hilflos bleiben. Um den Vormarsch der Rechten an der Wurzel zu stoppen und ein anderes, Europa zu erkämpfen, müssen wir uns offensiv mit der Abrissbirne Christian Lindner und seinen Verbündeten in Deutschland und Europa anlegen.
Alban Werner ist Politikwissenschaftler. Er war von 1999 bis 2004 Mitglied bei der SPD. Seit 2005 ist er bei der Linkspartei aktiv. Seine Texte erschienen unter anderem in »Sozialismus« und »Das Argument«.
Daphne Weber ist Mitglied im geschäftsführenden Parteivorstand von DIE LINKE. Ihre Texte sind in der »taz«, »neues deutschland« und »analyse&kritik« erschienen. Sie ist in antifaschistischen, antimilitaristischen und feministischen Zusammenhängen aktiv.