19. Juli 2023
Das britische Königshaus versucht seit langem, seine koloniale Vergangenheit abzuschütteln. Doch wird Charles III. auch jenes Unrecht eingestehen, das Großbritannien weiterhin verursacht?
Woher kommen eigentlich die vielen Juwelen, lieber Charles?
Das weltgrößte Steueroasen-Imperium hat einen neuen König. Am 6. Mai wurde Charles III. gesalbt, gesegnet und geweiht. Er thront nun über Großbritannien, die Kronbesitzungen und die britischen Überseegebiete, die zusammen für fast 40 Prozent der weltweiten Steuerausfälle verantwortlich sind.
Als Charles im Jahr 1948 geboren wurde, war dieses Geflecht von Steueroasen gerade im Entstehen. Während sich immer mehr Nationen von den Fesseln des Kolonialismus befreiten, billigte und förderte Großbritannien den Aufbau dieses verborgenen zweiten Imperiums. Heute helfen britische Steueroasen multinationalen Unternehmen, ihre Gewinne aus den Ländern auszulagern, in denen die meiste wirtschaftliche Aktivität stattfindet. Und auch reiche und mächtige Einzelpersonen können ihr Geld und Vermögen hinter den intransparenten Steuergesetzen dieses Systems verstecken.
Das Tax Justice Network – ein Zusammenschluss von Aktivistinnen und Wissenschaftlern, die sich gegen Steuervermeidung einsetzen – hat einen offenen Brief an König Charles verfasst. Darin fordert die Organisation den Monarchen auf, sich mit den wirtschaftlichen und menschlichen Kosten zu befassen, die sein Reich von Steueroasen verursacht. Nach ihren jüngsten Untersuchungen verursachen die britischen Steuerparadiese der Welt jährlich Steuerausfälle von über 189 Milliarden Dollar – das ist mehr als drei Mal so viel, wie die UNO in diesem Jahr an humanitären Mitteln benötigen würde, um 230 Millionen Menschen zu helfen, die infolge verschiedenster Katastrophen am Abgrund stehen.
Die Hilfsgelder, die Großbritannien ins Ausland schickt, sind in den letzten Jahren immer mehr zurückgegangen. Doch was vielen Regierungen auf der Welt am meisten nutzen würde, um den Bedürfnissen ihrer Bevölkerungen nachzukommen, ist die Trockenlegung dieser Steueroasen. Das Modellierungstool GRADE der Universitäten von St. Andrews und Leicester hat errechnet: Wenn wir die von diesem System verursachten Steuerausfälle rückgängig machen könnten, hätten heute 36 Millionen Menschen mehr Zugang zu sanitärer Grundversorgung, 18 Millionen Menschen mehr Zugang zu Trinkwasser und fast 7 Millionen Kinder könnten ein Jahr länger zur Schule gehen.
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Rachel Etter-Phoya ist leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Tax Justice Network in Lilongwe, Malawi und Co-Direktorin des Verlags Logos Open Culture.