21. August 2020
Abseits der großen Bühnen operiert der »Deep State« und setzt alles daran, Trump politisch lahmzulegen. So behaupten es zumindest Rechte in den USA. Tatsache ist, den »Deep State« gab es schon immer – und sollte eine sozialistische Regierung an die Macht kommen, müssen wir uns auf seinen Gegendruck gefasst machen.
Im eigentlichen Sinn bezeichnet der »Deep State« Netzwerke aus repressiven staatlichen Behörden, der Ultrarechten und dem organisierten Verbrechen.
Im Jahr 2020 scheint die Angst vor der Zukunft angebrachter denn je. Die politischen Entwicklungen von Indien bis Brasilien, von Ungarn bis in die USA entfachen bei vielen Menschen die Sorge vor einer neuen autoritären Rechten, die demokratische Freiheiten komplett aussetzen will.
Es ist unwahrscheinlich, dass diese Länder dem italienischen Faschismus oder Nazi-Deutschland nacheifern werden: Zu viel hat sich verändert, als dass diese als belastbare Vergleichsmodelle herhalten könnten. Anstatt zu fragen »Ist Person X Faschist oder Faschistin?« ist es sinnvoller, von einem anderen Blickpunkt an die Sache heranzugehen. Wird eine der rechtsradikalen Regierungen die formalen Grenzen der Demokratie hinter sich lassen und ein umfassend autoritäres Regime errichten? Und falls nicht, wie repressiv kann eine solche Regierung agieren und sich dabei gleichzeitig noch hinter der demokratischen Demarkationslinie aufhalten?
Diese Fragen haben in den letzten zehn Jahren an Dringlichkeit gewonnen. In Europa hat sich die post-faschistische Rechte von den Restriktionen, die ihre Ausbreitung verhindern sollten, emanzipiert. In Ungarn und Polen ist eine ultranationale Rechte demokratisch gewählt worden. Radikal rechtsgerichtete Parteien regieren in Italien und Österreich mit, ohne die Abwehrreaktion von benachbarten Staaten zu erfahren, wie das noch vor 20 Jahren bei der österreichischen Koalition mit der Freiheitlichen Partei Österreichs von Jörg Haider der Fall war.
Marine Le Pen folgte den politischen Fußstapfen ihres Vaters Jean Marie Le Pen, als sie bei den Präsidentschaftswahlen von 2017 die zweite Runde erreichte. Nur handelte es sich bei ihr nicht um einen Zufallserfolg, sondern um das Ergebnis einer seit langem absehbaren Entwicklung. In Italien bedarf es nur einer kleinen politischen Verschiebung, um Matteo Salvini an die Regierungsspitze zu bringen: Seine Partei Lega lag bei den Meinungsumfragen von 2019 vorn.
Mittlerweile ziehen auch gemäßigtere Rechte Agenden in Betracht, die vormals als völlig inakzeptabel galten: So ist es hinfällig, die britischen Konservativen oder Spaniens Partido Popular als »mitte-rechts« zu bezeichnen. Das wohl eindrucksvollste Beispiel dieses Rechtsrucks sitzt, natürlich, jenseits des Atlantiks, wo mit Donald Trump ein populistischer Rüpel ins Oval Office eingezogen ist.
Keines dieser Beispiele entspricht dem klassischen Bild eines autoritären Regimes. Alle genannten Regierungen mussten demokratische Wahlprozesse durchlaufen. Sogar in Ungarn, das dem Autoritarismus wohl am stärksten verfallen ist, besteht eine funktionierende Opposition und eine Medienlandschaft; gleichwohl sind diese Restriktionen ausgesetzt, die dem Ideal eines wirklichen Pluralismus ins Gesicht spucken. Auch in anderen Teilen der Welt nutzen Machthaber wie Narendra Modi (Indien) und Jair Bolsonaro (Brasilien) Werkzeuge repräsentativer Demokratie, um ihre politischen Projekte voranzutreiben. Man kann sich Modi und Bolsonaro leicht als Anführer eines jeweiligen Einparteiensystems vorstellen – aus ihrer Verachtung für demokratische Werte machen sie keinen Hehl –, aber kein Rechtsradikaler hat dies bis dato gewagt.
In seinem Buch Marxism and Politics warnte Ralph Miliband davor, dass
eine permanente Versuchung bestehe, die Grenze zwischen bürgerlich-demokratischen Regierungen und autoritären zu entwerten. Von der Annahme ausgehend, dass es sich bei ersteren um Klassenregime handelt, die mehr oder weniger repressiv agieren, was eine absolut legitime Beobachtung ist, war es für den Marxismus immer relativ einfach, die falsche und gefährliche Behauptung zu vertreten, dass die Unterschiede dieser Regime in Abgrenzung zu wahrhaft autoritären Regimen nicht nennenswert oder zumindest »qualitativ« unerheblich seien.
Milibands Analyse trifft nach wie vor zu. Dennoch besteht die Gefahr, qualitative Verschiebungen in der Beschaffenheit kapitalistischer Herrschaft zu übersehen, denn diese wahrt das formale Gesicht liberaler Demokratie und entledigt sich gleichzeitig aller ihrer Inhalte.
Der Ansporn, nach außen hin einen demokratischen Anstrich zu behalten, ist aktuell größer denn je. Zwischen den Weltkriegen verspotteten faschistische Führer öffentlich die liberale Demokratie als ein gescheitertes System, das für den Schrotthaufen der Geschichte reif war. Im Kalten Krieg legten beide Seiten demokratische Lippenbekenntnisse ab; gleichzeitig lehnte der Ostblock das Mehrparteiensystem strikt ab und die USA unterstützte unverhohlen Länder wie den Kongo oder Indonesien, in denen jeweils ein autokratischer Führer die Macht für Jahrzehnte auf sich vereinte.
Dieser Typus eines autoritären Regimes ist aus der Mode gekommen. Sogar ein theokratischer Staat wie der Iran setzt heute auf eine repräsentative Regierung mit einem gewählten Parlament und Präsidenten, die von geistlichen Sittenwächtern kontrolliert werden. Die arabische Gegenrevolution hat mindestens einen Despoten hervorgebracht, der aus demselben Holz wie Augusto Pinochet oder Suharto geschnitzt ist: Ägyptens Militärherrscher Abdel Fattha el-Sisi. Das im Dunstkreis der USA präferierte Model der politischen Einflussnahme setzt hingegen auf eine Kombination aus formaler Demokratie mit Einschränkungen des Bürger- und Bürgerinnenwillens. Die jüngeren Entwicklungen in Lateinamerika zeigen, wie drastisch diese Einschränkungen sein können, wenn es hart auf hart kommt.
Fareed Zakaria machte in einem 1997 im Foreign Affairs erschienenen Essay das Konzept der »illiberalen Demokratie« populär. Er betonte die Notwendigkeit von Begrenzungen des Mehrheitsprinzips, lobte den US-Senat als »das am wenigsten repräsentative Oberhaus der Welt mit der einzigen Ausnahme des House of Lords« in den Himmel und fetischisierte richterliche Autonomie: »Das ›westliche Modell‹ versinnbildlicht sich am besten in der richterlichen Autonomie, nicht in Volksabstimmungen.«
Zakaria verwies wenig überraschend nur mit einem winzigen Fingerzeig auf die Möglichkeit eines Konflikts zwischen Kapitalismus und Demokratie: »Vor 50 Jahren strebte die Politik der Entwicklungsländer nach größtmöglicher politischer Einflussnahme, um die damals in Mode gekommenen Wirtschaftsdoktrinen durchzusetzen, wie die Verstaatlichung der Industrie. Heute streben die Nachfolger dieser Politik nach ähnlicher Einflussnahme, um dieselbe Industrie zu privatisieren.« Sein Terminus der »illiberalen Demokratie« konnte produktiv gemacht werden, um beliebte, demokratisch gewählte Führer wie Hugo Chávez oder Evo Morales, deren politische Programme von Washington als inakzeptabel eingestuft wurden, politisch zu brandmarken.
Zwei Jahrzehnte später, im Angesicht des großen Finanzcrashs und seiner politischen Folgen, erkannte Zakaria immer noch keine grundsätzlichen Konstruktionsfehler im kapitalistischen System, obwohl er eingestand, dass seinen Vorteilen Grenzen gesetzt seien: »Manchmal frage ich mich, ob ein Hochschullehrplan, der allein von Marktkräften geschrieben würde, eine gute Sache sei. Ich fürchte nicht.«
Nichtsdestotrotz konnte das Konzept der »illiberalen Demokratie« nun umgedeutet und auf die großen Länder Lateinamerikas angewendet werden, die Kunden der USA waren. Der »Illiberalismus« in diesem Kontext beruhte nicht auf einem Exzess der Demokratie oder der Stimme des Volkes, sondern auf der von Zakaria propagierten Gewaltenteilung, so zum Beispiel auf seiner heißgeliebten »unabhängigen Justiz«. Es war das oberste Gericht von Honduras, das einen Vorwand lieferte, um 2009 einen Militärschlag gegen die Regierung von Manuel Zelaya durchzuführen. Der brasilianische Richter Sérgio Moro verwandelte seinen Anti-Korruptions-Feldzug in einen Parteikampf gegen die regierende Arbeiterpartei und bereitete so den Weg für den Wahlsieg von Jair Bolsonaro. Moro erhielt daraufhin einen Posten in Bolsonaros Kabinett.
Dies ist das neue Modell antidemokratischen Systemwechsels. Solche pseudolegalen Manöver sind den internationalen Medien leichter zu verkaufen als ein altmodischer Putsch; das Ergebnis ist jedoch das gleiche: eine progressive Regierung, die vom Erfüllen ihres Mandats durch nicht gewählte Staatskräfte abgehalten wird, die bereit sind, jeglichen Widerstand gewaltvoll niederzuschlagen.
Die Amtsenthebung von Evo Morales ist eine weitere Variation dieser Taktik: zweifelhafte Anschuldigungen wegen Wahlbetrugs, die – nachdem sie lange genug vorgetragen wurden – eine militärische Intervention rechtfertigten, gefolgt von einer Machtübergabe an eine rechte Politik – angeblich »vorübergehend«. Die noch ausstehende Wahl in Bolivien könnte wie in Honduras manipuliert werden oder wie in Brasilien ganz unvermblümt restriktiv stattfinden. Die rechtsgerichtete Oligarchie wird zumindest alles tun, um die Karten zu ihren Gunsten zu mischen, bevor auch nur ein einziger Wahlzettel abgegeben worden ist.
Das Beispiel von Kolumbien zeigt, wie viel Repression hinter einer demokratischen Fassade stecken kann. Anders als seine Nachbarländer hat das Land keine Erfahrung mit einer Militärregierung; die Regierung wird regulär alternierend von einer zivilen Präsidentschaft gestellt. Gleichzeitig findet jedoch eine unnachgiebige Hetzjagd auf die kolumbianische Linke statt, die die Opferzahlen in Chile unter Pinochet oder in Argentinien unter Jorge Rafael Videla weit überschreitet. Indem der Staat die Verfolgung seiner Gegnerschaft an paramilitärische Mordkommandos auslagert, kann die finanzielle Unterstützung fürs Militär aus Washington eine moralische Mitschuld glaubhaft abstreiten.
Seit dem Ende des Kalten Krieges wurden vor allem in Lateinamerika die Grenzen der kapitalistischen Demokratie ausgereizt wie nirgendwo sonst. Die sogenannte dritte Welle der Demokratisierung, die von Autoren wie Samuel Huntington beschworen wurde, basierte auf dem unausgesprochenen Konsens beim Thema Wirtschaftspolitik: Der Kapitalismus galt als einzige Option und alle kapitalistischen Staaten sollten sich dem neoliberalen Modell verschreiben (dem »Washington-Modell«). Für Oligarchien war es ein Leichtes, Mehrparteiensysteme zu tolerieren, im Wissen, dass auch ein Regierungswechsel keine ernsthafte Gefahr für sie darstellen würde.
Linke Regierungen in Lateinamerika gefährdeten dieses behagliche Gefühl der Sicherheit. Während die brasilianische PT-Regierung von der englischsprachigen Presse für ihren gemäßigten Reformwillen gelobt wurde, reagierte die brasilianische regierende Klasse, als ob Sie mit Enteignungen wie auf Kuba bedroht würde und bewies damit, dass es keiner aufständischen Intentionen mehr bedurfte, um mit einer aggressiven Taktik zu antworten.
»Es gab niemals so etwas wie eine ›faschistische Revolution‹ gegen eine bestehende Ordnung: In jedem Fall kamen faschistische Bewegungen mit der Einwilligung von tradierten, konservativen Eliten an die Macht.«
Aber so geht es nicht nur in Lateinamerika. Immer dann, wenn linke Bewegungen in Kernländern den Status Quo in Frage zu stellen wagen, können sie mit einem vergleichbaren Backlash durch die Eliten rechnen. Tatsächlich lässt sich auch in einigen europäischen Ländern beobachten, wie die Politik lateinamerikanische Züge annimmt, obwohl bis dato keine dasselbe Ausmaß angenommen hat.
In der Zeit nach dem Wahldurchbruch von Syriza im Jahr 2012 fuhr die griechische Rechte eine Taktik der konsequenten politischen Delegitimierung der linken Opposition. Gleichzeitig gründete sich eine Neonazi-Partei mit eigenen paramilitärischen Schlägertrupps und Unterstützung der griechischen Polizei. Die hochrangigen Verhandlungen zwischen Alexis Tsipras und den führenden EU-Staaten ließen leicht über den Umstand hinwegsehen, dass Tsipras durch die konservative Opposition und deren Verbündete im Staatsapparat (insbesondere durch den Direktor der griechischen Zentralbank) eine unerbittliche Feindschaft im eigenen Land erfuhr. Wenn Syriza nicht unter dem Druck der europäischen Troika 2015 nachgegeben hätte, hätte sich die »Lateinamerikanisierung« der griechischen Politik sicherlich weiter intensiviert und zugespitzt.
Griechenland kann sicherlich auch als Ausnahme zur westeuropäischen Norm gelesen werden, gerade im Hinblick auf seine Erfahrung mit Bürgerkrieg und Militärdiktatur, die es näher an Lateinamerika rückt als an Skandinavien. Das wiederum stimmt überhaupt nicht im Hinblick auf Großbritannien – einem Land, das für seine Stabilität und Zurückhaltung bekannt ist und seine letzte Revolution bzw. seinen letzten Bürgerkrieg im 17. Jahrhundert erlebte. Der Aufstieg von Jeremy Corbyn provozierte jedoch im rechten politischen Lager einen Kurswechsel, der den Entwicklungen in Griechenland nach 2012 stark ähnelte.
Dieser stark polarisierende Diskurs erreichte seinen Höhepunkt im Wahlkampf von 2019, als sich die konservative Partei, ihre Medienpartner und ein Großteil der liberalen Mitte verbündeten, um Corbyns Bewegung als illegitime, »anti-nationale« Kraft zu diskreditieren, deren Anwesenheit im Parlament einer ausländischen Besatzung gleichkäme. Pensionierte Geheimdienst-Chefs verschrien den Labour-Chef als Bedrohung für die Staatssicherheit; Zeitungen verbreiteten ultrarechte Todeslisten in der Absicht, Gewalt gegen prominente Linke zu provozieren. Die staatlichen Sender reduzierten ihre Wahlberichterstattung, manipulierten Bild- und Videomaterial und verbreiteten in einer Art und Weise Desinformation im Sinne der regierenden Partei, die stark an Medienkampagnen gegen linke Regierungen in Lateinamerika erinnerte.
Die vordergründige Intention dieser Angriffe lag in der Abwendung der Bedrohung eines Labour-Wahlsiegs. Auch wenn Corbyns Partei in der Lage gewesen wäre, wider aller Erwartungen die Konservativen zu schlagen, wären bereits größere Geschütze in Stellung gebracht worden, um sein Sozialreformprogramm zu delegitimieren.
Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Politik in Großbritannien sich wieder normalisieren wird, auch nicht, nachdem die Labour-Partei einen Chef wählte, der mehr Akzeptanz als Corbyn erfährt. Die Scottish National Party befindet sich aufgrund ihres erneuten Unabhängigkeitsreferendums auf einem permanenten Konfrontationskurs mit der Regierung von Boris Johnson. Der wohl repressivste Schlag einer westeuropäischen Regierung fand gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung statt, die nicht von linken Rebellierenden, sondern von mitte-rechtsorientierten Nationalistinnen und Nationalisten angeführt wurde. Carles Puigdemont und seine Verbündeten hatten nicht die Absicht, den Kapitalismus abzuschaffen, und dennoch erfuhren sie die ganze Bandbreite der spanischen Staatspotenz, inklusive politischer Schauprozesse, brutalem Durchgreifen bei Demonstrationen und der Auferlegung von restriktiven Maßnahmen direkt aus Madrid. Unter Johnsons Führung ist Großbritannien bestens befähigt, genau diesem spanischen Modell zu folgen.
Nicht nur der Aufschwung einer linken Bewegung mit einer inakzeptabel radikalen Agenda kann den Mainstream-Konservatismus in eine ultrarechte Ecke treiben. Die Beispiele von Polen und Ungarn zeigen, dass es einen lautstarken Antikommunismus auch ganz ohne anwesende Kommunistinnen und Kommunisten geben kann, gegen die man ins Feld ziehen könnte (oder Antisemitismus ohne eine nennenswerte jüdische Community). Die Anwesenheit gefühlter Bedrohungen sorgt in der Regel für reaktionäre Backlashes, bei denen die herkömmlichen Grenzen zwischen Mitte, Rechts und weit Rechtsaußen zunehmend verschwimmen.
Ein Sozialismus, der in Europa und Nordamerika Parteien mit ernsthaft transformativen Programmen zum Wahlerfolg verhelfen will, muss damit rechnen, dass die kapitalistische Demokratie dem Beispiel Italiens während des Kalten Krieges folgen wird. Die italienische Regierung ging damals davon aus, dass die kommunistische Opposition niemals zur Regierungsbildung fähig sein könnte, egal wie viele Stimmen sie erhalten würde. Der repressive Kern der Regierung übte ganz regelmäßig tödliche Gewalt gegen linke Protestierende aus und kollaborierte mit ultrarechten terroristischen Gruppierungen (wie zum Beispiel mit der Schwarzen Brigade, deren Einsatz von Gewalt mit der linker Pendants in keiner Weise vergleichbar war). Dieser ultrakonservative Schattenblock traf auch Vorbereitungen für einen Putsch nach dem Vorbild Chiles, sollte die italienische Linke jemals mit regulären Mitteln an die Macht kommen.
Als Silvio Berlusconi, einmaliger Unterstützer des ultrarechten P2 (Propaganda Due)-Netzwerkes, 2001 den G8-Gipfel ausrichtete, verwandelte seine Regierung Genua für die Dauer des Gipfels in einen Polizeistaat mit eigenen Straflagern, in denen die Polizei linke Aktivistinnen und Aktivisten folterte und zwang, faschistische Hymnen zu singen.
Seit kurzem haben Unterstützerinnen und Unterstützer von Donald Trump den Begriff »Deep State« gekapert und ihn seiner ursprünglichen Bedeutung beraubt. Im eigentlichen Sinne benennt er die sich überschneidenden Netzwerke aus repressiven staatlichen Behörden, der Ultrarechten und dem organisierten Verbrechen in Ländern wie Griechenland oder der Türkei, die seit Menschengedenken von Militärdiktaturen regiert wurden. Ähnliche Muster der Cliquenwirtschaft lassen sich auch in Deutschland beobachten, wo der Präsident des Verfassungsschutzes – ein Mitglied von Angela Merkels CDU – wegen seiner öffentlich verlautbarten Sympathien für Rechts zurücktreten musste, nachdem diverse Skandale öffentlich wurden, die belegten, dass der Geheimdienst gewaltbereiten neo-faschistischen Gruppen freie Bahn gewährt hatte. Auch der zögerliche Umgang bei der Verfolgung von rechtsextrem-rassistischen Netzwerken durch US-Polizeibehörden ist hinreichend dokumentiert. Die britische Regierung hat eine lange Geschichte der Kollaboration mit der Anhängerschaft paramilitärischer Einheiten in Nordirland, die für hunderte konfessioneller Morde verantwortlich sind. Der »Deep State« ist gelebte Realität, auch in Ländern mit einer lückenlosen rechtsstaatlichen Tradition, die seit Generationen Bestand hat.
Trotz aller offensichtlicher Unterschiede zwischen damals und heute gilt es, zwei unübersehbare Lehren aus der Erfahrung des europäischen Faschismus zwischen den Weltkriegen zu ziehen: Wie es schon Robert Paxton in der Anatomie des Faschismus formulierte, gab es niemals so etwas wie eine »faschistische Revolution« gegen eine bestehende Ordnung: In jedem Fall kamen faschistische Bewegungen mit der Einwilligung von tradierten, konservativen Eliten an die Macht. Und diese Bewegungen fanden immer existierende staatliche Strukturen vor – vor allem die Armee, die Polizei und die Justiz – die mehr als bereitwillig mit ihnen kooperierten.
Heute, da die Grenzen zwischen konservativem Mainstream und seiner ultranationalistischen Konkurrenz mehr und mehr verwischen, besteht die wirkliche Bedrohung von Rechts in Form eines schleichenden Annäherungsprozesses und nicht in einer plötzlichen Landnahme. Dieser Bedrohung entgegenzuwirken muss unsere oberste Priorität sein.
Daniel Finn ist Redakteur bei Jacobin.