12. August 2024
Marktbasierte Methoden werden uns nicht rechtzeitig in eine nachhaltige Wirtschaft führen. Soll die Transformation gelingen, müssen wir Formen demokratischer Planung entwickeln.
Arbeiter installiert Solarpanele.
Die Klimakrise ist ein Fall des Marktversagens und des Versagens neoliberaler, wachstumsorientierter Wirtschafts- und Umweltpolitik. Alle Versuche, Treibhausgasemissionen ausreichend schnell über Marktinstrumente wie das EU-Emissionshandelssystem zu senken, und Hoffnungen, dass der Anstieg der erneuerbaren Energien die fossilen Energien schnell genug aus dem Markt drängt, waren vergeblich. Eine wichtige Rolle dabei spielten auch neoklassische ökonomische Klimamodelle, die effektiven Klimaschutz als zu teuer im Vergleich zu zukünftigem Wachstum modelliert haben. Beispielhaft sind die Arbeiten des Ökonomen William Nordhaus, der hierfür den sogenannten Wirtschaftsnobelpreis erhielt.
Wie kann eine Transformationsperspektive aussehen, die Alternativen zum umweltpolitischen Marktversagen aufzeigt und die dabei sowohl die kapitalistische Akkumulationsdynamik in den Blick nimmt als auch die Folgen der imperialen Lebensweise ernst nimmt? Degrowth kann als Versuch verstanden werden, hierauf – auf die System- und Klassenfrage im Kapitalozän – eine zeitgemäße Antwort zu finden. Diese Antwort steht auch in Verbindung mit der neueren internationalen Debatte zur Notwendigkeit sozial-ökologischer Planung – von Kriegswirtschaft über Industriepolitik bis hin zur ökologischen Dimension der Socialist Calculation Debate – und mit dem vermehrten Interesse an ökosozialistischen Konzepten.
Degrowth wird oft als »geplante Verringerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs« definiert, die darauf abzielt, »die Wirtschaft wieder in Balance mit der lebenden Welt zu bringen, auf eine Art, die Ungleichheit verringert und menschliches Wohlergehen verbessert«. Tatsächlich qualifizieren die meisten Definitionen die eingeforderte Verringerung des Material- und Energiedurchsatzes, oder der Wirtschaftsaktivität, mit Begriffen wie »geplant«, »by design«, »demokratisch«, »freiwillig«, »managed«, »zielgerichtet«, »intentional« oder »absichtsvoll«. Aber auch wenn auf der abstrakten, definitorischen Ebene die Notwendigkeit von sozial-ökologischer, demokratischer Planung fast durchgehend betont wird, fehlt bisher weitgehend eine explizite Auseinandersetzung mit der Frage, wie genau diese Planung aussehen könnte und welche Ziele, Prozesse, Institutionen und Akteure eine Rolle spielen könnten.
Gleichzeitig gibt es in den letzten Jahren eine deutliche Annäherung zwischen Degrowth und kapitalismuskritischen, ökosozialistischen Positionen. Auch wenn Postwachstum – vor allem im deutschsprachigen Kontext – oft als angepasster, konsumfixierter und wenig kapitalismuskritischer Aufruf zum individuellen Verzicht verstanden wird, scheint es so zu sein, dass die Degrowth-Debatte aktuell eine ökosozialistische Wende erfährt und gleichzeitig ökosozialistische Konzepte Degrowth aufgreifen. Diese Konvergenz stellt eine produktive Basis dar, um radikal-reformistische Konzepte für sozial-ökologische Planung jenseits des Wachstums zu entwickeln.
In den letzten fünfzehn Jahren hat sich unter den Schlagwörtern décroissance, degrowth oder Postwachstum eine vor allem europäische Bewegung von Menschen aus den Bereichen des Aktivismus und der Wissenschaft versammelt, die das vorherrschende Entwicklungsmodell des kontinuierlichen kapitalistischen Wachstums kritisiert und nach Alternativen sucht. Die Kernidee ist eine sozial-ökologische Transformation der Produktions- und Lebensweise, die das Wohlergehen aller zum Ziel hat. Das bedeutet wiederum – angesichts der ökologischen Krisendynamiken sowie anderer wachstumsbezogener Krisen – für den Globalen Norden eine demokratisch organisierte Reduktion von Produktion und Konsum auf ein global gerechtes und nachhaltiges Niveau.
»Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass es kaum möglich ist, die Treibhausgasemissionen so zu reduzieren, wie es notwendig wäre, um einen Klimakollaps zu vermeiden, wenn die Länder des Globalen Nordens weiterhin grünes Wachstum anstreben.«
Degrowth basiert auf einer soliden Kritik an Marktinstrumenten, dem Vertrauen auf Preismechanismen und dem Optimismus bezüglich privatwirtschaftlicher Lösungen, die im Mittelpunkt der sogenannten »grünen Wirtschaft« stehen. Trotz aller Bemühungen um eine Dekarbonisierung in Ländern mit hohem Einkommen, die oft als Beweis dafür angepriesen werden, dass das BIP von den Emissionen entkoppelt werden kann, sind Umfang und Geschwindigkeit der Emissionsreduzierungen bei weitem nicht so hoch wie nötig. Tatsächlich zeigen die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre, dass es kaum möglich ist, die Treibhausgasemissionen in dem Tempo und Umfang zu reduzieren, wie es notwendig wäre, um einen Klimakollaps zu vermeiden, wenn die Länder des Globalen Nordens weiterhin »grünes Wachstum« anstreben.
Nehmen wir Europa als Beispiel: Die Umstellung auf kohlenstoffärmere Energien zwischen 1990 und 2020 hat zwar eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um 34 Prozent ermöglicht (ohne Berücksichtigung des Handels). Doch diese Verringerungen von durchschnittlich weniger als 1 Prozent pro Jahr sind weit von dem entfernt, was zur Eindämmung des Klimazusammenbruchs erforderlich ist, der laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen für Deutschland auf etwa 11 Prozent pro Jahr und für die EU auf 6 Prozent geschätzt wird. Andere Analysen weisen darauf hin, dass die Emissionen sogar noch stärker gesenkt werden müssen.
Im Kern geht es darum, das Ökonomische als Sphäre verselbständigter Rationalität und das ökonomische Kalkül als alleinige Entscheidungsgrundlage zurückzudrängen, Nachhaltigkeit, den gesellschaftlichen Stoffwechsel und gesellschaftliche Institutionen zu repolitisieren und zu demokratisieren sowie selbstbestimmte Freiräume zu erkämpfen. Das derzeitige Verständnis von »der Wirtschaft« – die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung erfasst durch das BIP – ist eine historisch produzierte Konstruktion, die mit ihrem Wachstumsparadigma kapitalistische Ideologie, Produktions- und Verteilungsverhältnisse stabilisiert.
Da Degrowth ein umkämpftes Terrain ist, gibt es innerhalb des Degrowth-Spektrums unterschiedliche Strömungen – von denen einige offener für Planung sind als andere. Insbesondere jene Degrowth-Strömungen, die anthropologische Perspektiven mit ökologischer, feministischer und marxistischer Ökonomie sowie systemkritischen Alternativvorschlägen verbinden, neigen dazu, die Notwendigkeit verschiedener Formen der Planung explizit anzuerkennen.
In den letzten Jahren hat die kapitalismuskritische Strömung im Degrowth-Spektrum zunehmend an Bedeutung gewonnen und ist vor allem in der internationalen akademischen Diskussion aktuell die stärkste. Dies zeigt sich an den meistdiskutierten Büchern und Artikeln oder auch an den Diskussionen auf der Beyond-Growth-Konferenz, die im Mai 2023 im Europäischen Parlament in Brüssel stattgefunden hat. Gleichzeitig gibt es eine deutliche Annäherung an Degrowth vonseiten des Ökosozialismus, was sich in Büchern bekannter Persönlichkeiten dieser Richtung, in Zeitschriften wie Monthly Review und Emanzipation oder bei Verlagen wie Verso ausdrückt.
Kohei Saitos Bestseller Marx im Anthropozän, der trotz – oder wegen – des Untertitels Zur Idee des Degrowth-Kommunismus zum Bestseller in Japan wurde, ist wohl das beste Beispiel für diese Annäherung. Das Buch des ökomarxistischen Autors, das in deutscher Übersetzung im August 2023 unter dem Titel Systemsturz erschienen ist, stellt einige zentrale Grundsätze der produktivistischen Linken infrage: Die Produktivkraftentwicklung im Kapitalismus – die Verbesserung von Technologien, Maschinen, die Entwicklung der Arbeitsteilung – schaffe nicht automatisch die materielle Grundlage für eine neue postkapitalistische Gesellschaft, sondern verschärfe den Raubbau an der Natur eher noch. Reiche Gesellschaften benötigten daher einen Übergang zum Degrowth.
Die kohärenteste Annäherung zwischen Degrowth und Ökosozialismus findet sich in einem kurzen Manifest, das 2022 in der marxistischen Zeitschrift Monthly Review veröffentlicht wurde. Autorinnen und Autoren aus beiden Feldern – Michael Löwy, Bengi Akbulut, Sabrina Fernandes und Giorgos Kallis – skizzieren gemeinsam die Grundpfeiler für ein »ökosozialistisches Degrowth«.
»Die Notwendigkeit ökologischer Planung ist der vielleicht produktivste Bereich der Konvergenz zwischen Degrowth und ökosozialistischen Konzepten.«
Nach der Feststellung, dass es eine »wachsende Tendenz des gegenseitigen Respekts und der Konvergenz« gibt, legen sie die zentralen Argumente dar, die beide Strömungen verbinden: die Analyse der Wachstumsabhängigkeit des Kapitalismus; die Notwendigkeit radikaler Alternativen, die eine Reduktion von Produktion und Konsum einschließen; die Ablehnung jedes produktivistischen »Sozialismus«, wie er in der Sowjetunion praktiziert wurde; die historische Verantwortung des Globalen Nordens für die derzeitigen (sozial-)ökologischen Krisen; schnelle Emissionsreduktionen; die Änderung von Konsum- und Lebensweise; die Erweiterung des Subjekts der Veränderung über die Arbeiterinnenklasse hinaus auf alle, die an der sozialen und ökologischen Reproduktion beteiligt sind; und die Verortung in breiteren radikalen, antisystemischen ökologischen Bewegungen – vom Ökofeminismus über die anti-extraktivistische Bewegung Blockadia bis hin zu kritischen Varianten des Green New Deals.
Die Gründe für diese Konvergenz sind vielfältig. Entscheidend ist zum einen die zunehmende wissenschaftliche Evidenz, dass Wirtschaftswachstum in den reichen Ländern nicht nachhaltig gestaltet werden kann – selbst wenn es unter ganz anderen gesellschaftlichen Verhältnissen geschähe. Die Produktivkräfte, die sich im Kapitalismus entwickeln, sind eben nicht, wie in der Linken oft fortschrittsoptimistisch angenommen, progressiv, sondern werden vor allem angesichts der ökologischen Krisen zu Destruktivkräften.
Neben der wissenschaftlichen Evidenz für die Unmöglichkeit von ausreichender Entkopplung ist vor allem die Einsicht zentral, dass Kapitalismus ohne Wachstum nicht dauerhaft existieren kann, ohne mit refeudalisierenden Tendenzen, monopolkapitalistischen Konzentrationsprozessen und explodierender sozialer Ungleichheit einherzugehen. Wenn der Zwang zur Expansion von Produktion und Konsum und zur Profitsteigerung in kapitalistische Gesellschaftsstrukturen eingeschrieben ist und Wachstum nicht nachhaltig gestaltet werden kann, dann muss eine ökologische Gesellschaft an den Ursachen kapitalistischer Akkumulation ansetzen – angefangen bei den Eigentumsstrukturen über die Konkurrenz bis hin zur Erwerbsarbeitsgesellschaft.
Degrowth wird daher immer mehr als ein postkapitalistisches Projekt verstanden. Vor allem aber wird zunehmend die Notwendigkeit ökologischer Planung diskutiert – der vielleicht produktivste Bereich dieser Konvergenz zwischen Degrowth und ökosozialistischen Konzepten.
Auch wenn diese Diskussion erst am Anfang steht, lassen sich drei besonders wichtige Felder in der Debatte um Planung jenseits des Wachstums identifizieren. Makroökonomische Koordination kann aus Postwachstumsperspektive als demokratische Erörterung sowohl der ökologischen Grenzen als auch der sozialen Bedürfnisse verstanden werden, oder als Planung dessen, was im heterodoxen ökonomischen Denken als »Donut« bekannt geworden ist.
Das bedeutet, dass die Gesellschaft auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und öffentlicher Debatten demokratisch über soziale Versorgungssysteme und die Einhaltung planetarer Grenzen entscheidet. Denn auch wenn soziale Bedarfe und ökologische Grenzen eine wissenschaftliche Grundlage haben, können sie nur dann politisch wirksam werden, wenn sie das Ergebnis gesellschaftlicher Entscheidungsprozesse sind.
Aufbauend auf produktiven Debatten über ökologische Planung, partizipatives Wirtschaften, Commoning und Plattform-Kooperativismus können Institutionen für Planung jenseits des Wachstums entwickelt werden, die über verschiedene Ebenen fraktal integrierte, subsidiäre und nicht marktvermittelte Planung von Investitionen, ökologischen Grenzen und sozialer Versorgung organisieren. Degrowth basiert auf einer grundlegenden Demokratisierung der Wirtschaft, die auch kollektive »Selbstbeschränkung« (nach André Gorz) beinhaltet, das heißt die Entscheidung über kollektiv definierte gesellschaftliche Grenzen und Ansprüche, die die Bedingungen für ein gutes Leben für alle festlegen. All dies wird eine demokratische Planung erfordern.
»Die Vergesellschaftung zentraler Sektoren ermöglicht eine aktive Industriepolitik, Konversion, Rationierung und selektives Wachstum bei gleichzeitigem Rückbau jener Wirtschaftsbereiche, die nicht nachhaltig umgestaltet werden können.«
Tatsächlich kann die kollektive Selbstbeschränkung als der stärkste Ausdruck demokratischer, gesellschaftlicher Autonomie verstanden werden – als gesellschaftliche Befreiung von der allgegenwärtigen »heteronomen« Logik der Akkumulation, die kapitalistische Gesellschaften zu ständiger Expansion zwingt und demokratisch bestimmte kollektive Regeln verhindert. Sie ist ein Ausdruck gesellschaftlicher Freiheit oder Autonomie in dem Sinne, dass sich ein Kollektiv als Akt der Selbstverwaltung seine eigenen Regeln gibt und sich so »seinem Gegenteil, der Heteronomie, oder der funktionalen Regelung des Verhaltens nach vorgegebenen Prinzipien, wie den sogenannten Gesetzen des Marktes oder dem Mantra von Sparen und Wachstum« widersetzt, wie Ulrich Brand und sein Forschungsteam schreiben.
Daher liegt ein zweiter Schwerpunkt auf der Stärkung verschiedener Varianten von Wirtschaftsdemokratie – oft verstanden nicht nur in Bezug auf die Ausweitung der Mitbestimmung am Arbeitsplatz, sondern auch in Bezug auf gesamtgesellschaftliche Fragen der Partizipation, der Bottom-up-Entscheidung und autonomer Formen der dezentralen Planung. Die kubanische Agrarökologie, Klimabürgerräte oder Stadtplanung bieten realpolitische Inspirationen.
Die Vergesellschaftung zentraler Infrastrukturen und Sektoren ermöglicht eine aktive Industriepolitik, Konversion, Rationierung und selektives Wachstum bestimmter Sektoren bei gleichzeitigem Rückbau jener Wirtschaftsbereiche, die nicht oder zu langsam nachhaltig umgestaltet werden können, besonders energieintensiv sind, dem Statuskonsum der Eliten dienen oder aus irrationaler Tauschwertproduktion resultieren (wie geplante Obsoleszenz).
Solidarisches Postwachstum erfordert demnach eine makroökonomische und makrofinanzielle Planung für die selektive Ausweitung oder Reduktion verschiedener Sektoren. Dabei geht es auch darum, Investitionen zu lenken – um öffentliche Mittel für Investitionen in die demokratisch geplante grüne Transformation zu mobilisieren und gleichzeitig die Reduzierung privater Finanzmittel voranzutreiben, den Finanzsektor zu schrumpfen, und so auch den »Stranded Assets« und damit verbundene Auswirkungen der Desinvestition aus fossilen Brennstoffen entgegenzuwirken.
Jüngste Beiträge im Degrowth-Spektrum haben sich ausdrücklich für eine Wirtschaftspolitik ausgesprochen, die auf Deakkumulation und Dekommodifizierung abzielt, einschließlich radikaler und partizipatorischer demokratischer Planung von unten, um gesellschaftlich unerwünschte Sektoren abzubauen (von der Produktion fossiler Brennstoffe über die geplante Obsoleszenz bis hin zum Militär) und die Wirtschaft zugunsten lokaler Genossenschaften zu dezentralisieren, Arbeitszeiten drastisch zu verkürzen, Monopole aufzubrechen und Mieten abzuschaffen.
Ein dritter Aspekt der Planung, der in der Degrowth-Literatur hervorgehoben wurde, sind Überlegungen zu nachhaltigen Konsumkorridoren und die damit verbundene demokratisch organisierte und dekommodifizierte Bereitstellung essenzieller Grundgüter und Dienstleistungen im Rahmen der Fundamentalökonomie. Demokratisch verwaltete und vergesellschaftete Infrastrukturen unterliegen keinem Verwertungs- und Wachstumszwang – sie sind daher eine wichtige Voraussetzung für klimagerechtes Wirtschaften.
»Um ökologische Gerechtigkeit jenseits von Expansion zu erreichen, fordert Degrowth aber auch eine grundlegende Umverteilung.«
Universelle Grundversorgung sieht demokratische und partizipative Prozesse vor, die lokale Kontrolle mit nationaler Koordination verbinden. Die Macht über die Organisation der Versorgung soll so weit wie möglich dezentralisiert werden. Die Regierungen könnten eine Rolle spielen, um »den gleichberechtigten Zugang zu gewährleisten, Standards festzulegen und durchzusetzen, Gelder zu sammeln und zu investieren und die Funktionen sektorübergreifend zu koordinieren, um die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Ergebnisse zu maximieren«, wie Anna Coote und Andrew Percy schreiben.
Um ökologische Gerechtigkeit jenseits von Expansion zu erreichen, fordert Degrowth aber auch eine grundlegende Umverteilung. Dabei geht es darum, die Reichen zu besteuern, Einkommen und Vermögen zu begrenzen und Eigentum umzuverteilen, um ihnen so die Lizenz zur Umweltverschmutzung zu entziehen. Die Reduzierung von Privatjets, Yachten, Kreuzfahrten, großen Villen und der Produktion von Positionsgütern sind nicht nur Schritte, die durch die Verringerung des Gesamtenergieverbrauchs eine schnelle Dekarbonisierung erleichtern, sondern auch Voraussetzungen dafür, dass gesellschaftsweite Nachhaltigkeitsänderungen, die Suffizienz beinhalten, akzeptiert werden.
Degrowth basiert also auf Strategien für kollektiv definierte Minima und Maxima für Zugangsrechte zu gesellschaftlich verfügbaren Ressourcen, Energie und Output – demokratisch festgelegte »Konsumkorridore«, die auf Vorstellungen von globaler Umweltgerechtigkeit und Wohlbefinden aufbauen.
All dies erfordert nicht nur gute Konzepte, die den kapitalistischen Realismus des Wachstums- und Marktparadigmas aufbrechen, sondern auch kluge Strategien und breite Allianzen für den Aufbau von Gegenmacht. Ein vielversprechendes Einstiegsprojekt fokussiert auf die Verbindung von Klimagerechtigkeit und Vergesellschaftung – im März 2024 gab es dazu eine wichtige Tagung unter dem Titel »Let’s socialise – Vergesellschaftung als Strategie für Klimagerechtigkeit«.
Klimapolitische Vergesellschaftungsprojekte, die auf sozial-ökologische Planung fokussieren, können ein Ausweg aus der strategischen Sackgasse ökologischer Politik sein. Denn sie ermöglichen es, in breiten Bündnissen für die Aneignung und ökologische Transformation notwendiger Infrastrukturen zu streiten – beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Landwirtschaft, Care und Energie, wie auf der Tagung im März – statt nur appellativ abstrakte Klimaziele einzufordern.
Elena Hofferberth promoviert derzeit in Volkswirtschaftslehre an der Universität Leeds. In ihrer Forschung untersucht sie makroökonomische und polit-ökonomische Herausforderungen und Möglichkeiten einer sozial-ökologischen Transformation.
Matthias Schmelzer ist Wirtschaftshistoriker und Transformationsforscher und vertritt aktuell die Professur für sozial-ökologische Transformationsforschung an der Europa-Universität Flensburg.