01. Juni 2021
Allem Hype zum Trotz ist der Bitcoin ein Zahlungsmittel, das die Welt nicht braucht. Denn der Bitcoin ist keine Währung, er ist ein Spekulationsobjekt.
Um Transparenz und Anonymität zu gewährleisten, gibt es bessere Möglichkeiten als den Bitcoin.
Im März dieses Jahres kündigte Elon Musk an, dass man bei Tesla künftig mit der Kryptowährung Bitcoin bezahlen könne. Der Wert des Bitcoin erreichte bis dahin unbekannte Höhen und überschritt sogar die 50.000-Euro-Marke. Nachdem Elon Musk kürzlich auf Twitter verkündete, dass Tesla nun doch keine Bitcoins mehr akzeptiere, stürzte der Kurs über Nacht um 7 Prozent ab. Der Bitcoin-Kurs fiel ein weiteres Mal, nachdem staatliche Banken und Fintech-Verbände aus China aufgrund der starken Schwankungen davor warnten, mit Kryptowährungen zu spekulieren oder sie als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Der Kurs sank daraufhin auf unter 40.000 Euro und liegt mittlerweile bei rund 32.000 Euro.
Die Geschichte des Bitcoin reicht zurück ins Jahr 2008, als unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto ein Text veröffentlicht wurde, der die Funktionsweise des Bitcoins beschrieb. Zu Beginn des Jahres 2009 erschien eine erste Open-Source-Software. Trotz zahlreicher Spekulationen bleibt der Erfinder des Bitcoins bis heute unbekannt.
Aber was ist überhaupt ein Bitcoin? Zunächst einmal: nichts anderes als Nullen und Einsen. Ein Bitcoin entsteht über das sogenannte »Mining«. Durch das Lösen komplexer Rechenaufgaben oder Zahlencodes wird die Währung »geschürft«. Theoretisch könnte jede Person an ihrem heimischen Rechner mitschürfen. Jedoch dürfte es Jahre dauern, bis auch nur ein einziger Coin so zutage gefördert würde, da das »Mining« auf die Rechenleistung riesiger Rechenzentren angewiesen ist.
Der Bitcoin ist eine deflationäre Währung. Aufgrund der natürlichen Knappheit des Bitcoins gewinnt er an Wert, wenn die Nachfrage steigt. Die Knappheit des Bitcoins ergibt sich aus dem hohen Energieaufwand der Währung – man geht davon aus, dass realistischerweise nicht mehr als 21 Millionen Bitcoins geschürft werden können. Mehr kann und soll es nicht geben. Vor allem diese Knappheit macht den Bitcoin zu einem beliebten Spekulationsobjekt.
Der Stromverbrauch des Bitcoin-Systems ist mittlerweile höher als der Stromverbrauch Argentiniens – Tendenz steigend. Der CO2-Abdruck der Währung ist dementsprechend beachtlich. Wenngleich davon auszugehen ist, dass der Energieverbrauch des Bitcoins nicht äquivalent zur Menge an Bitcoins steigen wird, ist er dennoch enorm.
Die Nutzer des Bitcoins sind über eine gemeinsame Datenbank miteinander verbunden – sie sind alle Teil eines digitalen und anonymen Kassenbuches, der »Blockchain«. Dort werden sämtliche Transaktionen digital erfasst und gesichert. Ähnlich der Funktion einer Bank beim Euro, werden beim Bitcoin sämtliche Transaktionen über die Blockchain vorgenommen, nur eben vollständig anonym. Die Transaktionen erfolgen Peer-to-peer, also von Rechner zu Rechner, ohne dass eine Bank oder eine ähnliche Institution zwischengeschaltet ist. Für die Durchführung von Transaktionen mit dem Bitcoin benötigt man eine digitale Geldbörse, auch »Wallet« genannt. Der Bitcoin ermöglicht also direkte Transaktionen und gewährleistet Transparenz und Anonymität.
Blendet man den hohen Energieverbrauch einmal aus, scheint der Bitcoin also durchaus auch nennenswerte Vorzüge zu haben. Halter von Bitcoins fordern mittlerweile sogar, staatliches Geld durch dieses digitale Privatgeld zu ersetzen. Diesen Aufrufen sollte man jedoch nicht folgen. Der Bitcoin als Hauptwährung wäre gefährlich.
Der Enthusiasmus vieler Befürworter des Bitcoins, der mitunter schon fanatische Züge annimmt, wird von einer herbeifantasierten Angst vor einer bevorstehenden Hyperinflation getrieben. Als Beleg für die vermeintlich drohende Inflation wird die expansive Geldpolitik der EZB – der Erzfeind der Bitcoin-Gemeinde –, herangezogen.
In der Tradition des Monetarismus argumentieren Liberale häufig, dass eine Erhöhung der Geldmenge automatisch in Inflation mündet – dass dieser Kausalzusammenhang empirisch widerlegt ist, scheint sie dabei meistens nicht zu interessieren. Wer den Bitcoin gutheißt, tut dies also entweder, weil er darin ein attraktives Spekulationsobjekt sieht – oder weil er das moderne Geldsystem nicht versteht.
Das Ausmaß der Schwankungen der Währung ist mitunter enorm. So lag der Kurs des Bitcoins am 16. April dieses Jahres noch bei rund 50.610 Euro und nur eine Woche später bei 41.278 Euro. Die starken Schwankungen ergeben sich vor allem durch die Spekulation mit der Währung. Praktisch heißt das: Wer in Bitcoin investiert, wettet darauf, dass die Mehrheit der Spekulanten davon ausgeht, dass die Mehrheit der Investoren erwartet, dass der Wert des Bitcoins weiter steigen wird. Tritt dies ein, so steigt der Kurs tatsächlich. Man kann sich bei der Wette aber auch verschätzen – wenn die Nachfrage nach dem Bitcoin nicht steigt, fällt der Kurs und herbe Verluste sind die Folge.
Der Ökonom John Maynard Keynes hat dieses Phänomen als »Spekulation dritten Grades« beschrieben. Dieses Spiel mit den Erwartungen über Erwartungen über Erwartungen mag eine Zeit lang gut gehen, kann allerdings auch jederzeit in sich zusammenfallen. Beim Bitcoin gilt, was ebenso für alle anderen Spekulationsobjekte gilt, bei denen man nicht rechtzeitig aussteigt: der Letzte ist der Dümmste. Eine derart instabile Währung wäre Gift für die Wirtschaft, da sie jegliche finanzielle Planungssicherheit zunichte machen würde.
Eine konstant hohe Nachfrage kann beim Bitcoin nicht garantiert werden – ganz gleich, wie stark, transparent oder anonym die Währung auch sein mag. Denn wer nicht das nötige Kapital hat, um mit Bitcoin zu spekulieren, der wird auch keinerlei Bedarf an der Währung haben. Genau hier liegt der Knackpunkt: Der Staat akzeptiert nur die staatliche Währung, den Euro, als Zahlungsmittel für Steuern. Wir alle brauchen also staatliches Geld, um unsere Steuern zu zahlen. Die übergroße Mehrheit der Menschen wird daher kein Interesse daran haben, sich ihre Löhne in Bitcoin – einer digitalen Währung, die starken Schwankungen unterliegt und vom Staat nicht akzeptiert wird – auszahlen lassen.
Auch die mengenmäßige Begrenzung des Bitcoins stellt ein Problem dar. Befürworterinnen und Befürworter des Bitcoins deuten diese Eigenschaft zwar oft als Vorteil – schließlich könne es mit dem Bitcoin keine Inflation geben. Das stimmt zwar, doch bei einer deflationären Währung drohen andere Gefahren. Denn wenn davon ausgegangen wird, dass eine Währung morgen mehr wert ist als heute, werden Käufe in die Zukunft verlegt – das wiederum hat Einnahmeeinbußen der Unternehmen zur Folge, die wiederum mit Lohnkürzungen oder Entlassungen auf die fehlenden Einnahmen reagieren würden. Die prekäre Lage der Weltwirtschaft in den 1920ern war nicht zuletzt auch der Rückkehr zum Goldstandard geschuldet.
Zudem wird es mit einer Währung, die an eine knappe Ressource gekoppelt oder selbst knapp ist, kaum möglich sein, notwendige Investitionen in unser Bildungs- und Sozialsystem und in den nötigen ökologischen Strukturwandel zu tätigen. Mit solchen Währungssystemen würde sich ein Staat unnötig selbst beschränken; Volkswirtschaften würden zwangsläufig hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben.
Der Bitcoin ist also nicht nur ein ökologisches Fiasko, sondern auch aus ökonomischer Perspektive untragbar. Er ist weniger eine Währung und eher ein Spekulationsobjekt, das keinerlei intrinsischen Wert besitzt – aus Gold oder Edelsteinen kann man immerhin noch wertvollen Schmuck herstellen. Als beliebige Kryptowährung könnte der Bitcoin jederzeit von anderen Kryptowährungen verdrängt werden.
Angesichts der Tatsache, dass es das erklärte Ziel der Befürwortenden des Bitcoins ist, das staatliche Geld zu verdrängen, ist umso fraglicher, warum Staaten derlei Treiben einfach hinnehmen. Die EU täte gut daran dem Bitcoin zu Leibe zu rücken und den Handel damit zu verbieten. Jedoch scheinen leider viele Politikerinnen und Politiker ebenso wenig von unserem Geldsystem zu verstehen, wie die Bitcoiner.
Ideologisch gesehen stehen sich die Anhängerschaft des Bitcoins und diejenigen, die zur Golddeckung zurückwollen, sehr nahe. Denn sie suchen nach einer technischen Lösung, um die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus zu beseitigen. Allein das Eingreifen der Zentralbanken sei für die Hyperinflation verantwortlich – so das Argument. Daher müsse man lediglich dem Staat die Hoheit über das Geld entziehen. Der selbsterklärte Bitcoin-Experte Aaron Koenig spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem »Geldsozialismus«, der darauf gründe, dass schon Karl Marx die Schaffung von staatlichen Zentralbanken gefordert hat.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass der Bitcoin kaum Vorteile aufweist. Nun sei erwähnt, dass es auch andere Kryptowährungen gibt, deren Menge vorher nicht künstlich verknappt wurde – privates Geld ist jedoch immer undemokratisch. Denn wer an diese digitalen Währungen kommt und wer nicht, entscheidet sich daran, wer den schnellsten Computer hat. Reiche haben also bessere Chancen an Kryptowährung zu kommen als Arme.
Es ist dennoch im sozialistischen Interesse, Alternativen zu digitalen Zahlungsdienstleistern wie Paypal oder Mastercard zu etablieren. Seit einiger Zeit wird über die Einführung eines digitalen Euros, des E-Euros, diskutiert. Die Debatte findet in der Öffentlichkeit wenig Beachtung. Kritikerinnen und Kritiker meinen, die Ausgabe eines E-Euro würde das Mandat der EZB übersteigen. Das Emittieren des gesetzlichen Zahlungsmittels obliegt jedoch allein der EZB – ob in Form von Bargeld oder eben digital, spielt dabei keine Rolle. Es stellt sich eher die Frage, warum die EZB es noch nicht getan hat. Im Alltag wurde das staatliche Geld nämlich längst vom Giralgeld der Banken abgelöst, dass sie in großem Stil selbst schöpfen – ein digitaler Euro könnte dazu beitragen, die Macht von Kreditinstituten und Banken einzudämmen. Er könnte die Transaktionskosten senken und gleichzeitig die Schnelligkeit erhöhen.
Idealerweise wäre die Einführung eines digitalen Euros an demokratische Bedingungen gekoppelt. So sollte gewährleistet werden, dass jedes Giroguthaben 1:1 in digitale Euros umgetauscht werden kann – wobei auch denkbar wäre, dass bei einer Einführung die Haltemenge an E-Euros begrenzt wird, um einen digitalen Bankrun zu vermeiden. Digitale Euros müssten außerdem unbestritten als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt werden, mit dem man Zahlungen an staatliche Stellen tätigen kann. Da es sich um staatliches Geld handelt, könnte auf Zinsen und Negativzinsen verzichtet werden. Und selbstverständlich müsste die technische Infrastruktur des E-Euros sicherstellen, dass Datenmissbrauch ausgeschlossen ist.
Der E-Euro würde uns die Möglichkeit bieten, weltweit agierende Zahlungsdienstleister in ihre Schranken zu weisen und so das Finanzsystem zu stabilisieren. Ob man nun den derzeitigen Regierungen und der EZB zutraut, einen potenziellen E-Euro entsprechend zu gestalten, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
Julien Niemann ist Historiker und spezialisiert sich im Bereich der neueren und neuesten Wirtschafts- und Sozialgeschichte.