12. Februar 2025
Das Epos »Der Brutalist« erzählt die Geschichte eines ungarischen Architekten und Holocaust-Überlebenden, der in die USA emigriert. Doch das Versprechen des American Dream zerbricht und wird zu einem Alptraum aus Antisemitismus, Machtmissbrauch und Gewalt.
László (Adrien Brody) und sein Gönner Attila (Alessandro Nivola) in »Der Brutalist«.
Wer das hier liest, hat bestimmt schon einiges vom Hype um Der Brutalist mitbekommen; vermutlich auch über die besondere Art, wie er gedreht wurde – in VistaVision, einem hochauflösenden 70mm-Breitbildformat, das 1954 von Paramount Pictures entwickelt wurde, aber bereits Anfang der 1960er Jahre aus der Mode kam.
Dadurch sind die Bilder in Der Brutalist manchmal so schön, dass man immer wieder völlig aus der Filmhandlung herausgetragen wird. So gibt es eine Nahaufnahme des Hauptdarstellers Adrien Brody, die so herzzerreißend ist, dass sie in einem Museum ausgestellt werden sollte: Durch die Beleuchtung und Farbgebung wirkt er wie ein Heiliger in einem Renaissance-Gemälde. Noch beeindruckender ist, dass all dies mit einem Budget von weniger als 10 Millionen Dollar erreicht wurde.
Regisseur Brady Corbet reiht sich ein in die Riege von Regisseuren wie Quentin Tarantino und Paul Thomas Anderson, die das analoge Filmen lieben. Auch er versucht, die beeindruckende Bildqualität zu erzielen, die für das Hollywood-Publikum früher selbstverständlich war. Ich finde das toll! Mir gefallen viele von Corbets visuellen Spielereien, wie die wunderbaren Eröffnungssequenzen mit den klaren Linien moderner Architektur, die die aufgelisteten Namen unterstreichen und abgrenzen, und das alles über den dynamischen Bildern eines über Schienen rasenden Zuges.
Der Film betont seine Konstruiertheit und intellektuelle Ernsthaftigkeit durch die Aufteilung in zwei Teile, die mit Namen betitelt sind, die eine gewisse Vorbildung voraussetzen: Der erste Teil heißt »Das Rätsel der Ankunft« – der Titel eines autobiografischen Romans von V. S. Naipaul aus dem Jahr 1987, der sich mit der Erfahrung von Einwanderern befasst. Der zweite Teil wird mit »Der harte Kern der Schönheit« überschrieben, dem Titel eines Kapitels im Buch Architektur Denken des renommierten Schweizer Architekten Peter Zumthor, seinerseits ein leidenschaftlicher und unabhängiger Verfechter des Minimalismus.
Corbet hat zweifellos ein Talent dafür, die überraschend filigranen Details brutalistischer Architektur aufzuzeigen. Sie werden auf eine Weise dargestellt, die selbst den hartgesottensten Anti-Modernisten, aus dessen Sicht hässlichere architektonische Formen wohl nur in der Hölle erdacht werden könnten, zumindest teilweise überzeugen dürfte.
Ich schätze dieses besondere Engagement, die Filmkunst ernst zu nehmen, aber gleichzeitig überwiegt bei mir ein Gefühl der Verwirrung. Ich glaubte, einen anderen Film zu sehen, als den, den begeisterte Kritiker in ihren Rezensionen beschrieben hatten.
Doch zunächst zur Story: Der Brutalist ist ein episches, für zehn Oscars nominiertes Drama. Es wird nicht nur von Kritikerinnen und Branchenkennern gelobt. Es läuft auch ziemlich gut an den Kinokassen, zumindest für einen derart anstrengenden 215-Minuten langen Film. Die Erzählung handelt von den bitteren Lebenserfahrungen des ungarisch-jüdischen, am Bauhaus ausgebildeten Architekten László Tóth (Brody) und erstreckt sich über die Jahre 1947 bis 1980. Tóth hat das Konzentrationslager Buchenwald überlebt und schafft es voller Hoffnung nach Amerika, nur um dort auf einen so tief verwurzelten Antisemitismus zu stoßen, dass dieser eine ständige Bedrohung darstellt. Es scheint fraglich, ob er sich in diesem Land beruflich und persönlich behaupten kann.
Nachdem seine an den Rollstuhl gefesselte Frau Erzsébet (Felicity Jones) und seine stumme Nichte Zsófia (Raffey Cassidy) – die noch deutlicher von ihren Erfahrungen in den Lagern gezeichnet sind als László selbst – in den USA zu ihm stoßen, verfliegt die anfängliche Wiedersehensfreude schnell. Gleichzeitig scheint Lászlós vermeintlich »sicherer Hafen« unter den Fittichen des ebenso wohlhabenden wie jähzornigen Industriellen Harrison Van Buren (Guy Pearce) zunehmend unsicherer und bedrohlicher zu werden.
Bisher ist mir keine Rezensionen untergekommen, in denen das meiner Meinung nach wichtigste Thema des Films diskutiert wird. Klar, Corbet widmet sich dem Antisemitismus, der sich auch, aber nicht nur so zeigt, wie es im Amerika der Nachkriegszeit üblich war: jüdischen Einwandererinnen und Einwanderern, die den Holocaust überlebt hatten, werden Arbeitsplätze, Wohnmöglichkeiten und grundlegende Würde und Freiheit verweigert; hinzu kommt das bewusste Meiden, offene Beleidigungen und generell weit verbreitete Verachtung für diese Menschen. Doch Der Brutalist befasst sich mit einem weiteren Phänomen, nämlich einer geradezu allgegenwärtigen psychosexuellen Dysfunktion, die sowohl die US-amerikanischen Rassisten als auch die jüdischen Opfer betrifft.
Psychosexuelle Dysfunktionen sind auch ein Thema, das James Baldwin in seiner 1976 erschienenen Studie über Hollywood-Filme, The Devil Finds Work, im Hinblick auf Rassismus gegen Schwarze untersucht hatte. Er argumentierte damals, Bette Davis habe in einem obskuren Drama von John Huston mit dem Titel In This Our Life (1942) eine brillante Leistung erbracht, die darauf hindeute, dass Davis den pervertierten erotisierten Hass weißer Südstaatler auf Schwarze (ein Phänomen, mit dem sie in Wirklichkeit wohl keine direkte Erfahrung hatte) vollständig verstanden habe.
Ich muss hier einen SPOILER ALERT aussprechen, da es einfach nicht möglich ist, die Entfaltung und Bearbeitung dieses Themas in Der Brutalist zu erklären, ohne ein wenig ins Detail zu gehen und die schockierendste Szene des Films verraten zu müssen. Wer den Film noch nicht gesehen hat, dies aber plant, sollte ihn sich also unbedingt ansehen, bevor weitergelesen wird.
Im zweiten Teil des Films kommt es zu einer Vergewaltigung: Der Mäzen vergewaltigt seinen Schützling. Hier wird die psychosexuelle Störung als Thema des Films auf widerliche Weise deutlich. Darauf folgt eine verwirrende Szene zwischen László und Erzsébet, in der sie unvermittelt sagt, Amerika sei so durch und durch verrückt und verdorben, dass sie nach Israel fliehen sollten, wo sie vielleicht eine echte Chance hätten, ihr Glück zu finden. Später stellt sich heraus, dass László, der inzwischen heroinabhängig ist, Erzsébet von der Vergewaltigung durch Harrison Van Buren erzählt hat.
Doch schon vorher gibt es im gesamten Film Szenen, die sexuelle Dysfunktion thematisieren und die zunehmend verstörend wirken. Die erste Szene spielt unmittelbar nach der Ankunft von László und einem Freund in Amerika, die sich vor Freude über den Anblick der Freiheitsstatue umarmen und weinen. Dass die Statue auf dem Kopf steht, ist bereits ein unmissverständlicher Hinweis darauf, was die amerikanische »Freiheit« wohl mit sich bringen wird. Die beiden Freunde sind vermutlich auf der Suche nach einem günstigen Zimmer für die Nacht, als sie auf mehrere Prostituierte stoßen. Eine von ihnen bewegt sich, aus Lászlós Sicht gesehen, mit einer ebenso unheimlichen wie hypnotisierenden sexuellen Begierde, aber in der folgenden unangenehmen Szene gibt es keine Auflösung oder Erleichterung. Wie Regisseur Corbet es ausdrückt, geht es hier um Lászlós Trauma. Möglicherweise hat er dauerhaft die Fähigkeit verloren, sexuell, aber auch beruflich zu funktionieren: »In diesem Film geht es um eine Figur, die versucht, die Kontrolle über ihr Werk und ihren Körper zurückzugewinnen […]. In den ersten zehn Minuten wird klar, dass [Tóth] nach dem Krieg impotent ist, und selbst als er und seine Frau wieder zueinander finden, dauert es lange, bis sie sich auch körperlich wieder annähern.«
Im Bordell sagt die Prostituierte zu László: »Du bist sehr hässlich im Gesicht«, und geht auf die Knie. Währenddessen ruft Lászlós Freund, der mit einer anderen Prostituierten beschäftigt ist, ihm immer wieder zu: »Jetzt fick sie einfach, fick sie einfach.«
Später, nachdem László wieder mit Erzsébet vereint ist, wiederholt sich eine Version desselben zähen sexuellen Akts zwischen Ehemann und Ehefrau, ein nicht enden wollender Handjob mit noch unangenehmeren Untertönen. Er versucht, eine Art Geständnis seiner sexuellen Verfehlungen abzulegen, während die beiden getrennt waren. Sie wiederholt nur: »Ich weiß alles, was du getan hast«, wie in einem Monolog. Ihr eigenes Verlangen nach ihm habe sie hingegen in die Lage versetzte, ständig auf einer Art spiritueller Ebene mit ihm zusammen zu sein. Ihr Ton wirkt seltsam bedrohlich; er weint nur und murmelt: »Ich glaube, ich kann nicht mehr.«
Mehrere Frauen in Corbets Film werden fast schon absurd sexualisiert dargestellt. Sie scheinen oft mit László so zu interagieren, als stünde eine heiße, verbotene Begegnung kurz bevor. Lászlós erster Anlaufpunkt in den USA ist das Haus seines bestens assimilierten Cousins Attila (Alessandro Nivola) und dessen Frau Audrey (Emma Laird). Während ihrer ersten Begegnung bildet das überaus schlichte Möbelgeschäft von Attila einen auffälligen Kontrast zur übermäßig geschminkten, frisierten und herausgeputzten Audrey. Sie ist fast schon lächerlich aufreizend, in ein tiefrosa Kleid gekleidet, das zu ihrem Lippenstift passt, und sie scheint mit László auf irgendwie verstohlene, aber faszinierte Weise zu interagieren, starrt ihn zu lange an und schaut dann allzu verlegen weg. Und Audrey wiederholt den Kommentar der Prostituierten, Lászlós sei hässlich. Sie würde ihm empfehlen, seine Nase »operieren« zu lassen.
Attilas Unterstützung für László ist bedrückend schlicht – er bekommt eine dunkle Ecke hinter dem Verkaufsraum des Möbelgeschäfts als Schlafplatz. Attila plant sogar, die beruflichen Kompetenzen seines Cousins auszunutzen, um eine neue Möbellinie zu entwerfen. Diese soll dann den Hauptbestand des Geschäfts an hässlichen Möbeln im Kolonialstil, die in amerikanischen Häusern der Nachkriegszeit ein fester Bestandteil waren, ergänzen. »Die Möbel sind nicht allzu schön«, kommentiert László. Man könnte hier von der Untertreibung des Jahrzehnts sprechen.
Es gibt viele frühe Anzeichen dafür, dass diese Konstellation eine Katastrophe werden wird. Attila hat bereits seinen Namen amerikanisiert und ist vom Judentum zum Katholizismus seiner Frau konvertiert. Lászlós Anwesenheit scheint derweil auch bei Attila ein bizarres, sexuell aufgeladenes Verhalten hervorzurufen. An einem lauten, betrunkenen, in rotem Licht gehaltenen und viel zu intimen Abend besteht Attila darauf, dass der widerwillige László mit Audrey tanzt. Er drängt ihn mit den Worten: »Schau, sie wartet auf dich, sie wartet auf dich.«
Die Probleme beginnen, als Attila einen lukrativen Job mit Harry (Joe Alwyn) arrangiert, dem verwöhnten und zwielichtigen Sohn von Harrison Van Buren, dem Tycoon, der später Lászlós Mäzen wird. Harrison begutachtet die Ergebnisse; er hasst die modernistische Bibliothek, die László entworfen hat, und wirft ihn in einem unkontrollierten Wutausbruch raus. Attila wiederum, der László zu später Stunde in dessen Schlafzimmer einen unheimlichen Besuch abstattet, gibt ihm nicht nur die Schuld an diesem Fiasko, sondern beschuldigt László auch, Audrey Avancen gemacht zu haben.
Dies ist ein Vorbote der weitaus größeren Katastrophe: Später wird László von Harrison wieder eingestellt, da dieser ein altes Hochglanzmagazin entdeckt hat, in dem Lászlós architektonische Erfolge aus der Vorkriegszeit vorgestellt werden. Als er von Lászlós früheren Ruhm als zukunftsorientierter Modernist im vorfaschistischen Europa erfährt, treten Harrisons arrogante Ambitionen, in irgendeiner Form ein kultureller Vorreiter zu werden – solange es nicht zu viel kostet oder ihm übermäßig Unannehmlichkeiten bereitet – in den Vordergrund. Er verlangt das Unmögliche: ein Gemeindezentrum auf seinem Grundstück auf einem Hügel, zu Ehren seiner äußerst religiösen protestantischen Mutter. Es soll eine Bibliothek, ein Auditorium, eine Sporthalle und eine Kapelle umfassen.
»Also eher vier Gebäude«, bemerkt László ironisch. Dann macht er sich daran, diese vier in einem einzigen Gebäude zu vereinen. Er lässt bei seinen Entwürfen Harrisons Bedenken und Anmerkungen völlig außer Acht und arbeitet nach ganz persönlichen Idealen, die er als Jude und Holocaust-Überlebender hat. Diese Vorstellungen werden erst in der letzten Sequenz des Films ersichtlich, wenn der Künstler endlich über den tyrannischen Finanzier obsiegt.
Die Auseinandersetzung des Films mit künstlerischer Autonomie und der Frage, wer letztendlich die Kontrolle über das Werk hat – der Künstler oder der Mäzen – soll wohl Brady Corbets eigenen Einsatz widerspiegeln: Er hatte die Finanzierung und Fertigstellung des Films zu seinen eigenen Bedingungen durchgesetzt. Keine Frage, Corbet hat sich damit einen Namen gemacht. Und er gibt immer wieder gerne Interviews, in denen er die eigene leidende Künstlerseele mit der seines Protagonisten vergleicht.
Das wirkt ein wenig abschreckend, aber es ist auch vertrautes Terrain: Es gibt viele Filmemacher, die in die übergroßen Fußstapfen des verstorbenen Orson Welles treten wollen, eben jenes Regisseurs, der als Filmkünstler galt, der den schwierigen Weg auf sich nahm und es wagte, die Ungeheuerlichkeiten Amerikas zu kritisieren (und dafür einen hohen Preis zahlte).
Wenn man sich Welles’ Kunst genauer ansieht – gerade seine ersten amerikanischen Filme, Citizen Kane (1941) und The Magnificent Ambersons (1942) – dann haben auch sie epischen Umfang, sind aber wunderbar dynamisch und angenehm klar erzählt. Sie wurden definitiv dafür gemacht, von einer breiten Öffentlichkeit begeistert rezipiert zu werden, wenn das Studio-Establishment sie denn nur gelassen hätte. Welles’ spätere amerikanischen Filme sind nicht so klar, was daran liegt, dass sie gute Beispiele für ein populäres Genre sind, den bewusst labyrinthischen Film noir, den Welles beispielsweise in The Lady From Shanghai (1947) und Touch of Evil (1958) aufgreift. Beide sind dennoch ungeheuer spannend anzusehen.
Und hier liegt der Unterschied: Indem ich scheinbar strukturgebende Themen in Der Brutalist beschreibe, lasse ich den Film kohärenter erscheinen, als er tatsächlich ist. Ehrlich gesagt ist er ein ziemliches Durcheinander. Wenn die Leute auf die Vergewaltigungsszene schockiert reagieren und diese als ein unvorhergesehenes Ereignis erscheint, das im zweiten Teil wie aus dem Nichts passiert, dann liegt das daran, dass Corbet diese Szene nicht auf verständliche Weise mit früheren Sequenzen verknüpft hat. Der Film ist zu lang und zu vollgestopft mit bedeutungsschwangeren Pausen und allerlei ablenkenden Elementen.
Wie lässt sich beispielsweise die verwirrende Präsenz des »schwarzen besten Freundes« im Film erklären, eines dieser schrecklichen rassistischen Klischees des amerikanischen Kinos? Sein Name ist Gordon (gespielt von Isaach de Bankolé), er hat einen Sohn, seine Frau ist tot, und abgesehen davon hat er praktisch keine andere Rolle als die des Anhängers von László Tóth. In jeder Szene ist er da – er schläft mit László in der Absteige, tanzt mit László auf Heroin im Jazzclub, hilft vage bei Bauarbeiten an Lászlós immer ehrgeizigeren Projekten oder steht einfach nur an Lászlós Seite und verkörpert Loyalität und Treue, bis László ihn in einem Wutausbruch, der in seinem Selbsthass wurzelt, von sich stößt. Wir sehen Gordon nie wieder und es gibt keinen Hinweis darauf, dass László ihn vermisst oder seinen eigenen Akt des Verrats auch nur bereut.
Irgendwann erzählt Lászlós Ehefrau Erzsébet Gordon, László habe immer wieder gesagt, er hätte es ohne Gordon nicht geschafft. Es ist einer der vielen Momente im Film, die ein ratloses »Hä? «-Gefühl auslösen. Was genau bedeutet Gordon denn für László? Das wird nie auch nur annähernd klar. Die Tradition des »schwarzen besten Freunds« liefert nichts außer einer enervierenden Nebengeschichte.
Im hektischeren zweiten Teil des Films gibt es viele weitere sprunghafte Entwicklungen, die irritierend und unbefriedigend sind. Irgendwie hat Zsófia – die ja bisher durch ihre Stummheit im Zuge der traumatischen Jahre in Dachau charakterisiert war – im Laufe der Jahre, die durch die Pause zwischen den beiden Teilen des Films symbolisiert werden, ihre Fähigkeit zu Sprechen wiedererlangt. In einer verkürzten Szene am Ende des ersten Teils wurde angedeutet, dass sie möglicherweise von Harrisons betrunkenem und nachtragendem Sohn Harry vergewaltigt oder belästigt wurde, was ihr Trauma noch verschlimmerte. Es ist daher verwirrend, dass sie nun ihre Sprache so vollständig wiedererlangt hat und überzeugende, kohärente Argumente dafür vorbringen kann, warum László und Erzsébet mit ihr und ihrem Mann nach Israel gehen sollten. Wurde sie wirklich von Harry angegriffen? Wann hat sie ihre Sprachfähigkeit wiedererlangt?
Die großartigen schauspielerischen Leistungen von Brody und Pearce tragen viel dazu bei, das Publikum mitzureißen. Doch selbst ihre Beziehung ist voller solcher »Hä?«-Momente: Nach einem ausufernden Gespräch auf einer Party sagt Harrison zu László, er finde ihre Diskussionen intellektuell anregend; László stimmt dem leidenschaftlich zu. Dabei scheint an ihrem langen Austausch nichts Intellektuelles gewesen zu sein. Mehr noch: László dürften ernsthaft intellektuelle Debatten aus seiner früheren Karriere im turbulenten Getümmel des Europa der Zwischenkriegszeit bekannt sein. Will er Harrison also nur etwas vorgaukeln, um ihm zu gefallen? Weiß man nicht; lässt sich anhand der angebotenen Szenen einfach nicht sagen.
Das Positive an dieser Verwirrung ist aber, dass sie zu vielen Gesprächen unter den Kinobesuchern darüber führen dürfte, was zum Teufel in dieser oder jener Szene in Der Brutalist eigentlich passiert ist. Und das allein ist in diesen schlechten Kino-Zeiten schon eine erfreuliche Nachricht.
Eileen Jones ist Filmkritikerin bei JACOBIN, Autorin von »Filmsuck, USA« und Moderatorin des Podcasts »Filmsuck«.