01. Mai 2020
Über unsere visuelle Identität
Politische Gruppen streiten oft genauso heftig über ihr Erscheinungsbild wie über den Inhalt ihrer Manifeste. Die Grafik des Schwarzen Jakobiners auf unserem Webseitenbanner ist da keine Ausnahme. Ich hatte der Redaktion von JACOBIN ursprünglich vier Logo-Entwürfe zur Auswahl gestellt. Die Diskussion, die daraufhin entbrannte, schwankte jedoch zwischen zwei Optionen: dem Schwarzen Jakobiner, der schließlich die Kampfabstimmung für sich gewann, oder einem abstrakten Logo, wie es die anderen drei Entwürfe vorsahen.
Ich kann die Motive meiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die lieber ein abstraktes Logo gehabt hätten, gut verstehen. Der Wunsch nach etwas Neutralem und Nüchternem liegt nahe, wenn man sich vor Augen hält, wie die meisten Linken verzweifelt jeden Flyer mit Bildern zuballern, die Rebellion signalisieren sollen: Ein kräftiger Arm, der einen anderen kräftigen Arm hält; eine Faust, die irgendetwas umschließt; Angela Davis, die klagend in irgendetwas hineinruft und so weiter. Doch kein Bild ist wirklich neutral. Und es ist keine Designlösung, eine visuelle Identität im Säurebad der abstrakten Hochmoderne aufzulösen.
Aber warum sollten sich Linke zwischen authentischem, leidenschaftlichem Design und nüchterner politischer Analyse entscheiden müssen? Ironischerweise begehen jene Linken, die sich über die verwegenen Revolutionsbilder lustig machen, im Grunde den gleichen Irrtum wie die Fraktion mit den Anonymous-Masken. Sie entscheiden sich für den faden Neuaufguss eines vorgefundenen Stils und gegen den Versuch, sich mit einer Welt von Bedeutungen auseinanderzusetzen. Denn auch ein schlichtes Design hat semantische Folgen: Wie die Fäuste schwingenden Aktivistinnen und Aktivisten, die der Welt ihren Aufstand verkünden, offenbaren simple Abstraktionen oder ideenloses Design einen lauen Intellektualismus.
Entgegen dieser beiden Ansätze muss grafische Gestaltung mehr sein als reine Oberflächenbehandlung. Diejenigen, die »einfachen«, »abstrakten«, »nicht zu buchstäblichen« Designs den Vorzug gaben, begründeten das mit einer Vorliebe für »die Moderne«. Doch hier zeigte sich ein Missverständnis des Modernismus und seiner Geschichte im Grafikdesign. Die Moderne fasst sehr unterschiedliche Traditionen zusammen – von den hochgradig expressiven Werken der 1920er und 30er Jahre bis hin zum Funktionalismus der Mitte des Jahrhunderts; von den starren Entwürfen der Schweizer Moderne bis hin zu den eher lockeren und verspielten Formen der New Yorker Schule. Die Beweggründe der Moderne waren stets komplexer als das Klischee von »Weniger ist mehr«. Man macht es sich zu einfach, wenn man den Begriff der Abstraktion mit dem der Moderne zusammenwirft.
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