02. Juli 2024
Statt die Deutsche Bahn auf Vordermann zu bringen, werden Linien im Osten lahmgelegt und der Service verschlechtert. Warum? Damit die Bahn für den Staat Gewinne abwirft.
Etliche Verspätungen, Chaos und hohe Ticketpreise: Anstatt an die Probleme der Bahn anzupacken, werden sie verschärft.
IMAGO / Wolfgang Maria WeberÖsterreichische Fußballfans spotten zu Recht: »Die deutsche Bahn ist so im Arsch«. Die Züge sind zu teuer, zu voll und zu unverlässlich. Die Deutsche Bahn ist Sinnbild einer gescheiterten Politik – von der Finanzpolitik, die ordentliche Finanzierung verhindert, über eine Wirtschaftspolitik, die die Bahn an die Börse bringen wollte, bis zur Verkehrspolitik, die das Missmanagement nicht in den Griff kriegt.
»Zwar befindet sich die Bahn im staatlichen Eigentum, ist aber dennoch der Profitorientierung unterworfen.«
Jetzt könnte die Lage aber nochmal schlimmer werden, um die Profitabilität der Bahn zu erhöhen. So droht eine Erhöhung der Ticketpreise und das Ende für einige Fernzüge nach Ostdeutschland. Beides ist grundlegend falsch. Denn wenn man für den Familienbesuch tiefer in den Geldbeutel greifen muss, wird Bahnfahren grundsätzlich für alle unattraktiver. Die Verbindungen in den Osten hingegen dürften das Gefühl und die Realität des Abgehängtseins nochmal verstärken. Gerade vor den Ostwahlen sind solche Nachrichten fatal.
Diese Vorgänge sind aber kein Zufall, sondern im System angelegt. Denn mit der Privatisierung der Bahn in eine Kapitalgesellschaft, zog das Motiv der Profitorientierung ein. Zwar befindet sich die Bahn im staatlichen Eigentum, ist aber dennoch der Profitorientierung unterworfen, da auch EU-Richtlinien die Eigenwirtschaftlichkeit verlangen. So hat die Bahn von 2005 bis 2019 mit Ausnahme von 2015 Gewinne erwirtschaftet – trotz der katastrophalen Leistung. Nahezu unabhängig von der Leistung und sogar vom finanziellen Ergebnis stecken sich die Bahnmanager obendrein Millionenboni in die eigene Tasche.
Die neuesten neoliberalen Entwicklungen sind aber vor allem in der Ampel-Politik begründet. Die Ampel nutzt aufgrund ihrer Sparpolitik einen besonderen Aspekt der Schuldenbremse, um der Bahn das dringend benötigte Geld zu verschaffen, die sogenannte die finanzielle Transaktion. Die Besonderheit der Regel: Wenn der Staat Vermögen erwirbt, darf er dafür Schulden machen – in etwa wie bei der Aktienrente. Somit kann die Ampel der Bahn am Haushaltsstreit vorbei Kohle verschaffen, hier in der Form einer Eigenkapitalerhöhung.
»Die Ausrichtung auf den finanziellen Gewinn der Bahn muss abgeschafft werden.«
Es gibt aber einen entscheidenden Nachteil: Damit es als finanzielle Transaktion gilt, muss das Vermögen eine »marktangemessene erwartete Rendite« erwirtschaften wie Wirtschaftsprofessor Jens Suedekum feststellt. Dies wird dann, wenn keine anderen Maßnahmen erfolgen, auf die Trassenpreise überwälzt. Um das wieder zu erwirtschaften, könnten schlussendlich die Kosten durch das Stilllegen unprofitabler Strecken gesenkt und die Umsätze durch höhere Preise angekurbelt werden.
Eigentlich müsste der Ansatz genau anders herum sein: Die Ausrichtung auf den finanziellen Gewinn der Bahn muss abgeschafft werden. Stattdessen muss im Vordergrund der Gewinn der Gesellschaft stehen: Günstiger, klimaneutraler und schneller Verkehr für Menschen und Wirtschaft.
Lukas Scholle ist Ökonom und Kolumnist bei JACOBIN.