15.04.2022
Tesla baut nicht nur elektrische Autos, es schafft eine ganz neue Produktionsweise. Klimabewegung und Gewerkschaften müssen einen Gang hochschalten.
Illustration: Piotr Dudek.
Von Timo Daum
Wer mag schon Tech-Milliardäre? Auf der Linken nicht so viele – und aus guten Gründen. Denn diese »Unternehmerpersönlichkeiten« aus dem Silicon Valley stehen für eine ultraliberale Weltverbesserungs-Hybris, die keine Rücksicht auf natürliche und menschliche Ressourcen nimmt.
Das gilt auch für Tesla-CEO Elon Musk, der mit seiner bekannten Aversion gegen Gewerkschaften als Paradebeispiel eines skrupellosen Tech-Entrepreneurs gilt. Es ist leicht, ihn als einen Scharlatan abzutun, der einfach nur das PR-Geschäft versteht und mit Versprechen von Marsflügen und Bitcoin-Spekulation den Wert seiner Unternehmen künstlich aufbläht. Die Linke täte jedoch gut daran, ihn als ökonomischen Akteur ernst zu nehmen, denn Tesla ist seiner Konkurrenz weit voraus und wird die Herstellung von Elektroautos auf absehbare Zeit dominieren. Und das gilt insbesondere für die deutsche Linke – schließlich startet demnächst in Grünheide bei Berlin die Tesla-Produktion für den europäischen Markt.
Der Linksfraktionschef Dietmar Bartsch macht derweil Stimmung gegen Tesla: »Wir machen vor allen Dingen Politik für die Polo-Fahrerinnen und nicht für den Tesla-Jünger«, ließ er sich zitieren und bekräftigte seine Forderung nach billigem Benzin. Auch der vermeintlich immense Wasserverbrauch der neuen Fabrik war in der Linken Top-Thema. Dabei verbraucht ein anderes Unternehmen in Brandenburg etwa das Achtzigfache der Tesla-Fabrik – nämlich der Braunkohletagebaubetreiber LEAG, der das auch noch bis 2038 weiter tun darf, dank tatkräftiger Unterstützung der Gewerkschaften und der SPD-geführten Landesregierung.
Der DGB-Chef Reiner Hoffmann warnt vor »weiterer Amerikanisierung« durch Musk: »Sie verträgt sich nicht mit unseren Vorstellungen von sozialer Marktwirtschaft.« Dem deutschen Autokapital kann das nur recht sein. Und auch die radikale Linke macht mit: Zu einem Brandanschlag auf die Tesla-Baustelle bekannte sich die Gruppe Vulkan. »Tesla ist weder grün, ökologisch noch sozial«, stellt sie im Bekennerschreiben fest. Aber stimmt das nicht für so ziemlich jedes kapitalistische Unternehmen? Warum trifft es also ausgerechnet einen US-amerikanischen Elektroautohersteller?
2006 stellte das noch junge Startup den Roadster vor, einen 110.000 Dollar teuren Sportwagen, der vom britischen Autozulieferer Lotus gefertigt wurde. Damit war bewiesen, dass es möglich ist, einen zuverlässigen und performanten Sportwagen mit Batteriebetrieb in kleinen Stückzahlen zu bauen – nicht mehr und nicht weniger.
Wie für ein Startup üblich schrieb Tesla lange Zeit nur rote Zahlen, schrammte 2008 sogar knapp an der Pleite vorbei. Haupteinnahmequelle war lange Zeit der Verkauf von Emissionszertifikaten an andere Hersteller. Ähnlich wie beim Emissionshandel unter Kraftwerken ermöglichte dieser »sauberen« Unternehmen, Zertifikate für die Verschmutzung an andere Unternehmen zu verkaufen.
2012 ging Tesla mit dem Model S die Kleinserienproduktion einer Luxuslimousine an. 2017 gelang ihm dann, was viele in der Branche nicht für möglich gehalten hatten: der Beginn der Massenproduktion des Mittelklassewagens Model 3. Als nächstes stehen ein günstiges Einstiegsmodell und der Cybertruck auf dem Plan, der auf den in den USA so bedeutenden Pick-Up-Markt abzielt.
Selbsterklärtes Ziel von Tesla ist es von jeher, günstige E-Autos für den Massenmarkt zu bauen. Mit jedem Modell und mit jeder weiteren Ausbaustufe sollten Erfahrungen für die jeweils nächste gesammelt werden. Das hat bislang gut geklappt – Tesla ist mittlerweile der größte E-Auto-Hersteller. 2021 lieferte das Unternehmen gut 936.000 Fahrzeuge aus – ein Plus von 87 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Demgegenüber hat Volkswagen gerade einmal 263.000 reine E-Fahrzeuge verkauft. Demnächst geht nicht nur in Grünheide bei Berlin, sondern auch in Texas ein nagelneues Werk an den Start.
Der Anteil der Einnahmen aus dem Zertifikate-Handel schrumpft in den letzten Jahren, denn die anderen Autohersteller bringen zunehmend selbst als emissionsfrei klassifizierte Fahrzeuge auf den Markt. Für das Jahr 2021 lag der Anteil des Zertifikate-Handels am Umsatz von Tesla bei nur noch 2,7 Prozent.
Rechtzeitig mit dem Auslaufen dieser Einnahmequelle hat sich Tesla zum Massenhersteller entwickelt, der mehr batterieelektrisch betriebene Autos baut als irgendjemand sonst – und zudem viel profitabler. Die Schweizer Großbank UBS geht davon aus, dass Tesla als einziges Unternehmen mit dem Verkauf von E-Autos Geld verdient.
»Es hat ein digitales Ökosystem rund um seine Fahrzeuge entwickelt, in dem das Auto Nebenprodukt einer Softwareplattform ist.«
Tesla verdient nicht einfach nur Geld mit seinen E-Fahrzeugen, sondern auch noch mit beeindruckenden Margen: 30 Prozent Gewinn pro Fahrzeug, hat Eim Eun-young, Analyst bei Samsung Securities, ausgerechnet – das ist eher im Bereich dessen, was Plattformunternehmen wie Apple, Uber oder Amazon einstreichen. Das spiegelt sich auch in der Bewertung an der Börse wider: Tesla wird derzeit circa siebenmal so hoch bewertet wie die Volkswagen AG, obwohl das Wolfsburger Unternehmen im vergangenen Jahr etwa zehnmal so viele Autos verkauft hat.
Allerdings läuft auch bei Tesla nicht alles rund: Die ewigen Versprechen rund ums autonome Fahren sowie Prozesse wegen mutmaßlicher Insidergeschäfte kratzen an der Reputation. Auch häufen sich Berichte über Arbeitsstress und toxische Arbeitskultur in Teslas Fabriken sowie Proteste wegen rassistischer Diskriminierung – irgendwo muss die hohe Profitabilität ja herkommen.
In der Branche herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass Tesla in allen relevanten Bereichen technologisch führend ist. Bei den Batterien, der Ladeinfrastruktur, ja sogar bei Chip-Design und Antriebstechnik beträgt der Vorsprung zwischen drei und sieben Jahren, wenn man den Analysten Glauben schenkt.
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