31. August 2022
Die Gasumlage belastet Krisenverlierer und begünstigt Krisengewinner. Das ist nicht verwunderlich. Denn Energiekonzerne haben an der Verordnung mitgeschrieben.
Von der Gasumlage profitieren nicht nur angeschlagene Energiekonzerne wie Uniper (Symboldbild).
IMAGO / Sven SimonMan kann es kaum glauben: Während die Bevölkerung schon durch die massiven Preise belastet wird und sich einige Energiekonzerne die Taschen füllen, kommt nun die Gasumlage oben drauf. Dabei ist das Grundanliegen der Gasumlage gar nicht so falsch: angeschlagene Energiekonzerne retten, damit die Energieversorgung nicht zusammenbricht. Dass gehandelt werden muss, ist klar. Wie aber gehandelt werden soll, ist alles andere als klar.
Jetzt soll die Bevölkerung die Rettung der Energiekonzerne übernehmen. Nicht nur die Armutsrentnerin muss die Gasumlage berappen, auch der Friseursalon muss ordentlich blechen. Mit der Gasumlage sollen über die gesamte Laufzeit von 18 Monaten nach jetzigem Stand rund 34 Milliarden Euro eingenommen werden.
All das hätte nicht sein müssen, denn der Staat hätte die Krisenlasten selbstverständlich tragen können – etwa indem er weitere Schulden macht oder die Krisenprofiteure und die Superreichen zur Kasse bittet. Stattdessen hat man sich für die unsozialste aller Möglichkeiten entschieden. Laut Wirtschaftsminister Habeck, der federführend für die Gasumlage verantwortlich ist, sei sie zwar »bittere Medizin«, zugleich aber »die gerechtest mögliche Form, die auflaufenden Zusatzkosten zu verteilen«. Das Gegenteil ist der Fall, da die Gasumlage die schon jetzt gebeutelten Gaskunden in die Pflicht nimmt. Auch ihre Ausgestaltung ist alles andere als gerecht, wie die jüngsten Skandale zeigen.
Es klingt wie ein neoliberales Märchen: Eigentlich war die Gasumlage nur für Konzerne in Not gedacht. Nun haben auch profitable Unternehmen Anspruch. Dabei geht es dann nicht mehr um Uniper, die tatsächlich in Not sind. Es geht vor allem um Krisengewinner im Ausland wie das österreichische Unternehmen OMV, das zuletzt Gewinne von rund 5,5 Milliarden Euro erzielt hat. Anspruchsberechtigt sind auch andere profitable Unternehmen wie Gunvor aus Zypern oder AXPO aus der Schweiz. Auch RWE hat sich vorsorglich für die Gasmulage angemeldet, aber dann verkündet, man wolle auf die Inanspruchnahme verzichten. Ob das stimmt wird sich zeigen.
Das ursächliche Problem sei der Gleichbehandlungsgrundsatz, so das Wirtschaftsministerium. Dennoch gelobt Habeck Besserung. Was vorher unmöglich schien, wird auf einmal möglich. Merkwürdig.
Das neoliberale Märchen geht weiter: Die Energiekonzerne haben nicht nur Anspruch auf einen Teil des Einkaufspreises, sondern auch auf den derzeitigen Marktpreis. Wenn Einkaufspreis und Marktpreis auseinanderliegen, regnet es fette Gewinne. So konnte Energie in den letzten Monaten etwa zu rund 150 Euro pro MWh einkauft werden, um die Preise für den Winter zu sichern, kann jetzt aber zu 300 Euro pro MWh beansprucht werden.
Hier soll laut Wirtschaftsministerium zwar irgendwann nachgerechnet werden. Wie genau das passieren soll und wer dafür zuständig sein wird, dürfte aber unklar sein.
Das neoliberale Märchen findet seinen krönenden Abschluss: An dem Gesetz für die Gasumlage haben Konzernbosse selbst mitgeschrieben. Gleichzeitig haben Ratingagenturen Druck auf die Regierung ausgeübt. Vor diesem Hintergrund erscheinen die vermeintlichen Konstruktionsfehler eher wie eine gezielte Absicherung von Übergewinnnen.
Das alles zeigt: Die Gasumlage ist nicht mehr zu retten. Daran werden auch die angekündigten Korrekturen nicht viel ändern. Wie sie genau aussehen sollen, ist größtenteils sogar noch unklar. Die Fehler sollen aber jedenfalls behoben werden. So will man die Gasumlage etwa an die Boni für Manager koppeln. Bedeutet im Klartext: Nur wenn die Boni für Manager ausbleiben, sollen Energiekonzerne Anspruch auf die Gasumlage haben. Das soll verhindern, dass profitable Unternehmen die Umlage in Anspruch nehmen. Klingt erstmal sinnvoll. Komisch nur, dass Habecks »gerechtest mögliche« Form der Kostenverteilung dies ursprünglich gar nicht vorsah. Gerechtigkeitsstandards sind offensichtlich dehnbar.
Und was passiert eigentlich mit Boni-Zahlungen in den Folgejahren? Da könnten Boni-Zahlungen einfach nachgeholt werden. Ein effektiver Mechanismus, um profitable Konzerne von der Inanspruchnahme abzuhalten, sieht anders aus. Und wo wir schon einmal beim Thema sind: Was ist eigentlich mit Dividenden und Aktienoptionen? Darüber wurde bislang kein Wort verloren.
Selbst wenn die ganzen Fehler ausgebügelt werden würden, bleibt die Umlage grundfalsch. Selbst in perfekter Ausgestaltung wird sie immer noch diejenigen zur Kasse bitten, die sowieso schon belastet werden. Gleichzeitig verharrt die Ampel in ihrer unsinnigen Sparpolitik und lässt Krisenprofiteure weiter Gewinne machen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass die Gasumlage scheitert, die Bevölkerung entlastet wird und Krisenprofiteure besteuert werden.
Lukas Scholle ist Volkswirt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Deutschen Bundestag und Kolumnist bei JACOBIN.