20. Juli 2022
Uns stehen noch viele Dürren und Hitzesommer bevor. Zeit, sich dafür zu rüsten.
Mit mehr öffentlichen Badestellen und Schwimmbädern würde die Hitze für alle erträglicher werden, Berlin, 20. Juli 2022.
Eigentlich sind wir der aktuellen Hitzewelle nicht schutzlos ausgeliefert. In der Realität sieht es allerdings so aus, dass arme Menschen unter den Folgen von längeren Perioden von über 38 Grad stärker leiden. Das fängt bereits bei möglichen Vorerkrankungen an. Wer mehr Geld hat, kann es sich leisten, sich gesund zu ernähren, regelmäßig Sport zu treiben und wird auch besser medizinisch versorgt. Wenn neben der körperlichen Verfassung nun noch eine klimatisierte Wohnung, ein Häuschen am See oder ein Boot dazukommen, dann lässt sich die Hitze ganz gut aushalten.
Die Extremtemperaturen treffen vor allem Menschen, die nicht in Büros sitzen, sondern etwa auf einer Baustelle arbeiten oder für Gorillas durch die Stadt radeln. Während sich die einen im eigenen Pool abkühlen, überlegen sich die anderen dreimal, ob sie bei den derzeitigen Energiepreisen den Ventilator anstellen. Am schlimmsten trifft es Menschen, die gar keine Wohnungen haben, und sich ein schattiges Plätzchen suchen müssen, um die Hitze zu überstehen.
Wer Geld hat, braucht Hitzewellen also weitaus weniger zu fürchten, als Menschen mit geringem oder gar keinem Einkommen. Die gesundheitlichen Folgen tragen wir aber gemeinsam, denn die Belastung des Gesundheitssystems trifft uns alle. Egal ob aus Solidarität oder aus Selbsterhaltungsantrieb: Die Bewältigung von Hitzewellen ist eine politische Aufgabe, der wir uns stärker zuwenden müssen.
Die kommenden Jahrzehnte werden von immer weiter steigenden Temperaturen, Dürren und Waldbränden geprägt sein. Wir sollten uns schon jetzt Gedanken machen, wie wir diese Dauerkrise überstehen wollen. Besonders Städte sind durch den sogenannten Urban-Heat-Island-Effect von Hitze betroffen. Denn dort, wo besonders viele Flächen durch Asphalt und Beton versiegelt sind, wird Wärme aufgenommen und gespeichert. Luftschadstoffe, der Verkehr mit den daraus resultierenden erhöhten Ozonwerten sowie Energie- und Wärmequellen heizen Städte zusätzlich auf. In Großstädten wurden zwischen Stadt und Umland Temperaturdifferenzen bei der Jahresmitteltemperatur von weit mehr als 10 Grad Celsius gemessen. Ein immer größerer Energieverbrauch durch Kühlgeräte verstärkt diesen Effekt, während nur wenige von der Kühle profitieren.
Gerade jetzt müssen Städte akute Hitzeschutzkonzepte erarbeiten, die vulnerable Gruppen vor besonders hohen Temperaturen schützen. Um Dehydration vorzubeugen, braucht es mehr öffentliche und auch mobile Trinkbrunnen, die an heißen Tagen an Knotenpunkten aufgestellt werden können. Abkühlstationen müssen barrierefrei zugänglich sein. Besonders hitzebelastete Orte sollten im Voraus identifiziert werden, um davon betroffene Bürgerinnen und Bürger, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Kitas und Schulen rechtzeitig zu informieren. Es braucht Sanitätsteams und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die vulnerable Gruppen versorgen. Besonders obdachlose Menschen brauchen Wasser, Sonnencreme und Elektrolytlösung.
Wenn die Städte so lebenswert bleiben sollen, dass man sich auch im Sommer im Freien bewegen kann, dann braucht es jetzt entschlossene Investitionen in eine hitzeresistente Infrastruktur. Wir brauchen mehr Bäume, die sowohl die Straßen, als auch die angrenzenden Häuser kühlen. Auch Dach- und Fassadenbepflanzungen würden Wohnhäuser effektiv temperieren, ohne den Energieverbrauch zu erhöhen. Pflanzen und Bäume kühlen die Stadt zum einen durch den Schatten, den sie spenden, und zum anderen durch die Verdunstungskälte des Wassers, die an die Luft abgegeben wird. Hier ist die Politik gefragt. Denn Bäume und Pflanzen können kaum gewinnbringend genutzt werden, weshalb der freie Markt zu wenig Anreize für eine Kühlung der Stadt bietet.
Zusätzlich müssen Flächen entsiegelt werden, damit Wasser auch wieder versickern kann und der Asphalt die Stadt nicht weiter aufheizt. Der Zugang zu Wasser darf nicht nur wenigen vorenthalten bleiben. Es braucht mehr öffentliche Schwimmbäder und Badestellen. Parks, die der Stadt als Kaltluftgebiete dienen, müssen gepflegt und gesund sein, damit sie diese Aufgabe auch erfüllen können.
Für all diese Maßnahmen lassen sich selten private Investoren gewinnen. Die Mittel dafür müssen aus der öffentlichen Hand kommen. Die Bezirke und die Städte können das nicht alleine leisten, solange sie an die Schuldenbremse und die Kosten-Leistungsrechnung gebunden sind. Denn die Schuldenbremse verhindert, dass die Länder ausreichende Investitionssummen in die Hand nehmen können und die Kosten-Leistungsrechnung zwängt die Kommunen und Bezirke in ein Korsett, das sie dazu bringt, sich mit anderen Bezirken in einen Unterbietungswettbewerb zu begeben, anstatt sinnvoll zu investieren.
Durch diesen immer größer werdenden Investitionsstau steigen die Kosten in der Zukunft exponentiell. Wer schon mal ein Haus saniert hat, der weiß, dass es günstiger und einfacher ist, die Regenrinne zu reinigen, als später das Fundament auszubessern. Jetzt ist die Zeit, um in eine hitzeresistente Infrastruktur zu investieren, privaten Investoren klare Vorgaben zu machen und sie an den Kosten zu beteiligen. Der Bund steht in der Verantwortung, die Städte durch einen nationalen Hitzeschutzplan und gesetzliche Vorgaben beim Neubau und im Bestand zukunftsfähig zu machen. Ansonsten werden die Sommermonate künftig nur in gekühlten Gated-Communities erträglich sein.
Bislang trifft die Hitze vor allem die Armen, aber die Auswirkungen spüren wir alle. Statt sich auf die private Vorsorge durch Klimaanlagen zu verlassen, braucht es Investitionen in eine Infrastruktur für die gesamte Stadt. Eine Aufteilung der Kosten, bei der der Staat das Risiko trägt und die Unternehmen die Gewinne einfahren, ist keine zukunftsfähige Strategie. Wer in den Städten Gewinn machen will, muss auch in eine funktionale Stadt investieren.
Dafür braucht es Finanzierungssysteme, die den Ländern und Kommunen Sicherheit geben. Eine Vermögenssteuer, strikte Gesetze gegen Steuerflucht oder eine Übergewinnsteuer könnten die nötige Umverteilung ankurbeln, um in einen demokratischen Energiesektor und hitzeresistente Städte zu investieren. Jetzt zu sparen, bedeutet, die Städte im Sommer aufzugeben. Wir sind der Hitze nicht schonungslos ausgeliefert, es braucht entschlossene Politik.
Maximilian Schirmer ist Politikwissenschaftler und Kommunalpolitiker für DIE LINKE in Berlin-Pankow.
Maximilian Schirmer ist Politikwissenschaftler und Kommunalpolitiker in Berlin-Pankow.