13. Juni 2021
Die Suche nach dem Traumjob ist eine Sackgasse. Abseits der Arbeit findet das Leben statt.
ILLUSTRATION Marie Schwab
Der Wunsch, im Job Erfüllung zu finden, ist ein verständlicher Gegenreflex auf die dröge Routine der Festanstellung in Vollzeit. All jenen, die an letzterer zu verzweifeln drohten, hat die Countrysängerin Dolly Parton im Jahr 1980 mit »9 to 5« eine Hymne geschrieben: »It’s a rich man’s game ... and you spend your life putting money in his wallet« – ein Leben lang hängt man sich rein in die Arbeit, aber am Ende kassiert der Chef die Profite, die in den unteren Etagen erwirtschaftet werden. Die Frustration darüber sitzt tief. Denn Arbeitszeit ist Lebenszeit.
Vier Jahrzehnte später hat sich einiges verändert. Wer auf der Arbeit unzufrieden, angeödet, überlastet oder unterbezahlt ist, hat sich schlichtweg für den falschen Job entschieden – so lautet die zeitgeistige Diagnose über Frust am Arbeitsplatz. »Hustle harder« ist das Mantra der Stunde: Wenn Du Dich nur mehr anstrengst und Deine Leidenschaft zum Beruf machst, kannst Du Dich von der Monotonie und Ausbeutung der Erwerbsarbeit befreien. Der Ausweg aus der Entfremdung ist also nicht etwa die Emanzipation von der Lohnarbeit, sondern was? Genau: noch mehr Arbeit.
Anfang 2021 hat Dolly Parton ihren Klassiker von 1980 diesem neuen Zeitgeist angepasst. Aus »9 to 5« wird »5 to 9« – hier wird die Feierabendschicht besungen, die man nach dem Achtstundentag noch freiwillig hinterher schiebt, um dem eigenen Traumjob näher zu kommen: »Change your life, do something that gives it meaning, ... 5 to 9, you keep working, working, working«. Aus einer Arbeiterinnen-Hymne gegen Plackerei und miese Entlohnung wurde so eine Liebeserklärung an die Arbeit, die die völlige Entgrenzung des Arbeitstags zum Ideal erhebt.
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Astrid Zimmermann ist Managing Editor bei JACOBIN.