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21. November 2025

Donald Trump, Jeffrey Epstein und Israel

Es ist bekannt, dass Donald Trump dem Sexualstraftäter Jeffrey Epstein überaus nahe stand. Jüngste Enthüllungen werfen jedoch eine weitere Frage auf: Hat Israel diese Beziehung genutzt, um noch stärkeren Einfluss auf die US-Politik zu gewinnen?

Im Juli 2025 forderte eine Fassadenprojektion in der Nähe des Weißen Hauses die Herausgabe aller Materialien im Fall Epstein.

Im Juli 2025 forderte eine Fassadenprojektion in der Nähe des Weißen Hauses die Herausgabe aller Materialien im Fall Epstein.

IMAGO / NurPhoto

Angesichts der jüngsten Enthüllungen über Jeffrey Epstein kann man leicht den Überblick verlieren. Die mehr als 20.000 E-Mails, die der zuständige Ausschuss des Repräsentantenhauses (House Comittee on Oversight and Government Reform) in der vergangenen Woche veröffentlicht hat, enthalten so unglaublich viele pikante wie skandalträchtige Informationen, dass man sich erinnern muss, warum das alles eigentlich so wichtig ist.

Offensichtlich geht es nicht zuletzt um das beschämende persönliche Verhalten des US-Präsidenten. Dabei besteht allerdings kein Zweifel, dass Donald Trump und seine fanatischsten Anhänger einen Weg finden werden, sich selbst über die belastenden Beweise für seine Beziehungen zu Epstein zu belügen. Genauso wie sie es schon bei dem bizarren Brief getan haben, den Trump Epstein zu dessen fünfzigstem Geburtstag geschrieben hatte – oder mit der orwellschen Kehrtwende der US-Regierung bei der Veröffentlichung von Informationen über den berüchtigten Sexualstraftäter.

Für alle, die noch an der Realität festhalten, sind Epsteins Aussagen, dass Trump »von den Mädchen wusste« oder dass Epstein einen Reporter der New York Times fragte, ob er »Fotso [sic] von Donald und Mädchen in Bikinis in meiner Küche« haben wolle, eine weitere Bestätigung dessen, was seit Jahrzehnten allgemein bekannt ist: Trump und Epstein waren jahrelang sehr enge Freunde, und Trump hat mindestens gewusst, was der milliardenschwere Pädophile tat.

Über das persönliche Verhalten Trumps hinaus gibt es jedoch noch mehr interessante Entdeckungen in den Epstein-Files zu machen: Diese drehen sich um Epsteins Sammlung kompromittierender Informationen über zahlreiche einflussreiche Personen, seine potenziellen Kontakte zu Geheimdiensten und Israels Einfluss auf die US-Politik.

Überwachung und gute Kontakte

Es ist schlimm genug, dass der Präsident der Vereinigten Staaten mit einem der prominentesten Sexualstraftäter der US-Geschichte Umgang hatte und dessen Verbrechen bereitwillig ignorierte (wenn er nicht sogar selbst Schlimmeres tat). Es ist jedoch eine andere Sache, wenn diese Beziehung möglicherweise von einer ausländischen Regierung genutzt wurde, um politischen Einfluss zu gewinnen und die US-Politik zu manipulieren.

Fassen wir zunächst einmal zusammen, was wir wissen. Erstens wurde Epstein mehrfach beschuldigt, die prominenten und mächtigen Männer, denen er Mädchen und junge Frauen vermittelte, auf Video oder anderweitig aufgezeichnet zu haben. Ein Ankläger hat erklärt, in allen Häusern Epsteins seien versteckte Kameras installiert gewesen, um das Geschehen in den Schlaf- und Badezimmern aufzuzeichnen.

»Es wird immer schwieriger zu leugnen, dass Epstein zumindest ein nützliches Asset für den israelischen Geheimdienst gewesen sein dürfte.«

Der mit dem Peabody Award ausgezeichnete, 24 Jahre lang für CBS tätige Produzent Ira Rosen behauptete, Epsteins Komplizin Ghislaine Maxwell habe ihm unverblümt mitgeteilt, Epstein besitze Videoaufnahmen von Bill Clinton und Trump. Unter den Beweismitteln, die aus Epsteins Immobilien beschlagnahmt wurden, befinden sich stapelweise Ordner voller CDs, die offenbar mit den Namen von Personen beschriftet sind, die wir bislang nicht erfahren dürfen.

Zweitens gibt es seit Langem Gerüchte, dass Epstein als Geheimdienstmitarbeiter tätig war, namentlich für Israel. So berichteten Informanten der Journalistin Vicky Ward vor einigen Jahren, Epstein sei bereits in den 1980er Jahren in den Dienst des israelischen Staates getreten; zuvor sei er als Waffenhändler tätig gewesen. Dass ein gefälschter Reisepass und Bargeld in seinem Safe gefunden wurden, schien diese Vermutung weiter zu untermauern.

Kürzlich hat Drop Site weitere interessante Berichte zu diesem Thema veröffentlicht. Die Website brachte eine Reihe von Artikeln, die auf zahlreichen geleakten E-Mails des ehemaligen israelischen Premierministers (und Epsteins Sozius) Ehud Barak basieren und Epsteins Arbeit für die israelische Regierung belegen sollen. Zu diesen Diensten gehörten offenbar: die wiederholte Beherbergung eines israelischen Militärgeheimdienstoffiziers und Barak-Beraters, der sich zu offiziellen Zwecken in den USA aufhielt; die Zusammenarbeit mit Barak, um Aktionen gegen Gegner Israels durchzusetzen, sei es ein US-Bombenangriff auf den Iran oder die Unterstützung Russlands für einen Regimewechsel in Syrien; sowie Vermittlungsarbeit bei der Aushandlung von Sicherheitsabkommen zwischen Israel und der Mongolei sowie der Elfenbeinküste.

Angesichts dieser sich häufenden Berichte und Belege wird es immer schwieriger zu leugnen, dass Epstein zumindest ein nützliches Asset für den israelischen Geheimdienst gewesen sein dürfte.

Druck für Information

Drittens ist bekannt, dass Epstein kompromittierende Informationen über einflussreiche Personen als Druckmittel einsetzte. Die jüngste Veröffentlichung von E-Mails zeigt beispielsweise, dass Epstein und der Autor Michael Wolff im Zuge der ersten Präsidentschaftskandidatur Trumps darüber diskutierten, wie der pädophile Milliardär sein Wissen über den Kandidaten am besten zum eigenen Vorteil nutzen könnte. Mehrere E-Mails belegen, dass Epstein Informationen über Trump an führende Politiker weltweit weitergab. Vor zwei Jahren enthüllte die Sprecherin von Bill Gates, dass Epstein ebenso versucht hatte, sein Wissen über eine Affäre des Microsoft-Gründers zu nutzen, um Druck auf ihn auszuüben.

Viertens ist bekannt, dass der israelische Geheimdienst und der israelische Staat genau in dieser Weise vorgehen: US-Beamte beschweren sich seit Jahrzehnten über die aggressive Spionage, die Israel gegen sie und die Vereinigten Staaten insgesamt betreibe, um sich in die US-Politik einzumischen. Diese Spionage habe zeitweise das Abhören von Hotelzimmern sowie das Anbieten von Drogen und Frauen an US-Beamte auf Israel-Besuch umfasst. Auch mit Blick auf palästinensische Menschen geht Israel ähnlich vor: Diese werden ausspioniert und mit Informationen über ihr Sexualverhalten erpresst, um sie so zu Informanten zu machen.

»Benjamin Netanjahu soll einst Bill Clinton indirekt mit Aufzeichnungen seiner beschämenden Gespräche mit Monica Lewinsky gedroht haben.«

Ein ehemaliger Redakteur des konservativen Weekly Standard berichtete, der damalige und heute wieder amtierende israelische Premierminister Benjamin Netanjahu habe Bill Clinton einst indirekt mit Aufzeichnungen seiner beschämenden Gespräche mit Monica Lewinsky gedroht, um ihn dazu zu bewegen, einen Mann aus der Haft zu entlassen, der wegen des Verkaufs von US-Militärgeheimnissen an Israel einsaß.

Diese spektakuläre Behauptung wird durch mehrere Fakten bekräftigt: Lewinsky hatte ausgesagt, Clinton habe ihr gegenüber gesagt, »er vermute, dass eine ausländische Botschaft [er gab nicht an, welche] seine Telefone abhörte«; dies habe Clinton ihr kurz nach seinem Treffen mit Netanjahu im Oval Office mitgeteilt. Hinzu kommen damalige Berichte über »hitzige Wortgefechte« und »angespannte Diskussionen« zwischen den beiden Staatsführer, die beinahe zum Scheitern der Unterzeichnung des Osloer Abkommens geführt hätten. Kurz zuvor hatte Gegenwehr innerhalb der US-Sicherheitsbehörden Clinton dazu veranlasst, seine Entscheidung zur Begnadigung des Spions zurückzunehmen.

Wie erpressbar ist Trump?

An diesem Punkt kann man über die beizeiten peinliche Unterwürfigkeit reflektieren, die Trump im vergangenen Jahr gegenüber Netanjahu und Israel an den Tag gelegt hat. Er trat sein Amt mit dem Wahlversprechen »America First« und dem Image eines unnachgiebigen Machthabers an – und hat diese Versprechen dann, sobald er im Amt war, kontinuierlich zugunsten Israels gebrochen und sich von Netanjahu über den Tisch ziehen lassen.

Freilich braucht es kein Erpressungsszenario, um die Loyalität der US-Führung gegenüber Israel zu erklären, insbesondere angesichts eines zunehmend offen korrupten Wahlkampffinanzierungssystems. Doch je mehr derartige Informationen bekannt werden, desto mehr stellt sich die Frage, ob Netanjahu aktuell ähnlichen Druck ausüben kann wie vor Jahren gegenüber Clinton. Man könnte auch fragen: Muss er das überhaupt tun – angesichts der Möglichkeit, dass Epstein der israelischen Regierung belastende Informationen zugespielt haben könnte, und angesichts der offenkundigen Angst des US-Präsidenten, dass die Öffentlichkeit mehr über seine Freundschaft zum verstorbenen Sexualverbrecher erfährt?

In vielerlei Hinsicht ist das Problem nicht nur Trump. Es ist vielmehr die Tatsache, dass die politische Führung der USA seit Jahren zulässt, dass sich eine ausländische Regierung in US-interne Angelegenheiten einmischen kann, und dass ein korruptes, absolut von Geld dominiertes System geschaffen wurde, das Israel und anderen Staaten die perfekten Bedingungen bietet, um die Macht der USA auszunutzen.

In diesem Fall mag Epstein das Problem sein – und die Art und Weise, wie er seinen extremen Reichtum einsetzte, um einflussreiche und mächtige Menschen in sein Netz zu locken. Wenn sich jedoch am zugrundeliegenden System nichts ändert, ist nahezu sicher, dass sich diese Art der Einmischung und verdeckten Einflussnahme immer wieder wiederholen wird. In dieser Hinsicht macht es kaum einen Unterschied, dass Epstein tot ist und Trump irgendwann von der politischen Bildfläche verschwunden sein wird.

Branko Marcetic ist Redakteur bei JACOBIN und Autor des Buchs »Yesterday’s Man: The Case Against Joe Biden«. Er lebt in Chicago, Illinois.