04. Juli 2022
Die Democratic Socialists of America wachsen explosionsartig. Woher die Organisation kommt, woran sie noch krankt und was die Linke hier davon lernen kann, erklärt DSA-Aktivistin und JACOBIN-Redakteurin Meagan Day im Gespräch.
Die US-Linke war lange praktisch nicht existent. DSA hat es geschafft, innerhalb kurzer Zeit eine explizit sozialistische Organisation mit 100.000 Mitgliedern aufzubauen.
Hätte man vor zehn Jahren prophezeit, dass es in den USA eine starke sozialistische Bewegung geben würde, wäre man ausgelacht worden. Doch heute haben die Democratic Socialists of America fast 100.000 Mitglieder, Sozialistinnen sitzen im Kongress, in den Parlamenten von Bundestaaten und in Stadträten von Millionenmetropolen. Dazu erstarkt die Arbeiterbewegung, ein Streik folgt auf den nächsten. Trotz aller Wachstumsschmerzen, internen Querelen und Rückschlägen hat die amerikanische Linke die Talsohle durchschritten – es geht aufwärts.
Eine, die die neue sozialistische Welle einordnen kann wie wohl keine Zweite, ist Meagan Day. Die JACOBIN-Redakteurin und DSA-Aktivistin gehört zu den strategischen Vordenkerinnen der US-Linken. Ob wir diesseits des Atlantiks etwas von dieser expandierenden amerikanischen Linken lernen können und wo wir in Europa hingegen schon weiter sind, erzählt sie im Gespräch.
Meagan Day auf der Jacobin-Konferenz »Socialism in Our Time«, Berlin, 11. Juni 2022.
Als Du und Micah Utrecht vor zwei Jahren Euer Buch Bigger than Bernie veröffentlicht habt, wart Ihr sehr optimistisch: Was sind Deiner Meinung nach die größten Erfolge, die die US-Linke bis 2020 erreicht hat?
2016 bis 2020 öffnete sich das Feld der politischen Möglichkeiten, sowohl nach links als auch nach rechts. Im Jahr 2016 war die damalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton in gewisser Weise die perfekte Vertreterin des überparteilichen Konsenses, des politischen Establishments der Mitte in den Vereinigten Staaten. Dieses Establishment sah sich einer glaubwürdigen Bedrohung sowohl von links als auch von rechts ausgesetzt. Heute wissen wir, dass diese Bedrohung von rechts stärker war als von links. Aber beide Seiten erschlossen sich neue Möglichkeitsräume.
Im Vergleich zu den Jahrzehnten zuvor hatte man plötzlich das Gefühl, dass die Zukunft offen war. Der wichtigste ideologische Sieg, den wir in der Zeit erstreiten konnten, war die Bedeutung, die soziale Ungleichheit in der öffentlichen Debatte einnahm. Die Rhetorik von Bernie Sanders war deswegen so wirksam, weil er Menschen vermitteln konnte, dass sie die allgegenwärtige wirtschaftliche Ungleichheit in der amerikanischen und globalen Gesellschaft nicht hinnehmen müssen, dass sie nicht unvermeidbar und natürlich ist. Plötzlich traten viele Menschen den Democratic Socialists of America bei. DSA zählte 2016 landesweit nur 6.000 Mitglieder und ist mittlerweile auf fast 100.000 Mitglieder angewachsen. Die Menschen begannen, sich konkret an linker politischer Arbeit zu beteiligen, anstatt nur vage von zu Hause aus mit der Idee zu sympathisieren. Die DSA-Lokalsektionen entwickelten an einigen Orten einen beträchtlichen Einfluss, bis hin zur Wahl von DSA-Mitgliedern in Ämter vom Stadtrat bis zum Kongress.
Auf einer konkreteren Ebene haben die USA in den letzten Jahren eine zunehmende Anzahl von Streiks und Arbeitskämpfen in verschiedenen Branchen erlebt.
Absolut, 2016 bis 2020 gab es auch die ersten Aufbrüche in der amerikanischen Arbeiterbewegung. Es gab eine massive Streikwelle unter Lehrpersonal, die 2018 begann und bis 2019 andauerte. Quer durchs Land legten Lehrkräfte die Arbeit nieder. Einige von ihnen taten das unter Missachtung ihrer eigenen Gewerkschaften. Einige von ihnen hatten keine nennenswerten Gewerkschaften, und viele von ihnen befanden sich in roten, also von den Republikanern regierten Bundesstaaten. Sie kämpften gegen die Sparmaßnahmen, die in West Virginia, Oklahoma, Arizona und einigen anderen roten Bundesstaaten umgesetzt worden waren.
Interessanterweise haben viele dieser Streiks direkte persönliche Verbindungen zu Leuten, die an der Bernie-Kampagne mitgearbeitet haben oder bei DSA aktiv sind.
Das berühmteste Beispiel sind zwei Lehrerinnen aus West Virginia, die eine Facebook-Gruppe für unzufriedene Lehrkräfte gründeten, von der aus dann ein Streik ausging, den sie sogar gewonnen haben. Beide waren wegen ihrer Unterstützung von Bernie Sanders der DSA beigetreten und hatten sich in einer Lesegruppe der Partei kennengelernt. In Arizona, einem zutiefst reaktionären Bundesstaat, hatten sich die Organisatoren des Lehrerstreiks davor ebenfalls für die Bernie-Kampagne engagiert. Was die jüngsten gewerkschaftlichen Aktivitäten angeht, habe ich von Leuten, die sich bei Starbucks organisieren, gehört, dass sie durch Bernies Kampagne höhere Erwartungen an ihre Arbeitsbedingungen und Löhne stellen. Heute herrscht ein gewerkschaftsfreundliches Klima, das es vor 2016 offen gesagt noch nicht gab. Plötzlich ist die Idee, dass Gewerkschaften gut sind und man eine haben sollte, sehr populär.
Warum legt die DSA so viel Wert auf Wahlstrategien? Das ist eine große Veränderung für radikale linke Politik, die den Parlamentarismus lange gescheut hat.
Wie Vivek Chibber mal gesagt hat, muss Theorie der Realität folgen. Man muss beobachten, was passiert, und dann entscheiden, ob man die Möglichkeiten, die sich ergeben, nutzen will oder nicht. Als Bernie Sanders 2016 als Präsidentschaftskandidat antrat und eine Erneuerung der amerikanischen Linken auslöste, wurde deutlich, dass die Wahlpolitik sehr vielversprechend ist. In Anbetracht der Tatsache, dass die Gewerkschaftsbewegung immer noch so schwach ist, würden viele von uns es vorziehen, sich zuerst in den Betrieben zu organisieren. Aber leider müssen wir auch auf Wahlkämpfe setzen. Denn Wahlkämpfe verschaffen uns mediale Aufmerksamkeit.
Millionen und Abermillionen von Amerikanerinnen und Amerikanern zu fragen, ob sie an Sozialismus oder Kapitalismus glauben, ist ein mächtiges Werkzeug. Keiner von uns ist so naiv zu glauben, dass sich das Machtgleichgewicht wesentlich verändern wird, wenn wir bloß einige unserer Leute in ein paar Ämter hieven. Wir erleben eine absolute Blockade der amerikanischen Politik durch die beiden dominierenden Parteien, die beide Parteien des Kapitals sind. Die Republikaner sind sehr unverfroren und gehen offen mit ihrer Zugehörigkeit zum Kapital um, aber die Demokraten sind nicht viel besser. Sie haben vielleicht eine etwas undurchschaubarere Rhetorik, mit der sie versuchen, die Menschen auf die falsche Fährte zu locken. Aber die Wahrheit ist, dass die Demokratische Partei dem Kapital völlig hörig ist. Sie ist die zweitliebste Partei des Kapitals.
Die Art und Weise, wie Wahlen in den Vereinigten Staaten organisiert sind, bedeutet, dass die Demokraten und die Republikaner ein Monopol auf die Politik haben. Wenn wir also Wahlen nutzen wollen, um Menschen aus der Arbeiterklasse zu erreichen, und die Erwartungen der Menschen an das, was ihnen von der Gesellschaft zusteht, zu verändern, dann müssen wir das vorerst auf Wahllisten der Demokratischen Partei tun. Keiner von uns will dort bleiben. Uns ist nur klar, dass wir sonst nicht wirklich viel Spielraum haben.
Es hat in der amerikanischen Politik Versuche gegeben, eine dritte Partei aufzubauen. Sie sind kläglich gescheitert. Eines der Probleme ist, dass ihnen oft vorgeworfen wird, Wahlen zu verderben, weil die Wahlen zwischen Demokraten und Republikanern in den Vereinigten Staaten oft sehr knapp sind. Wenn man also eine kleine dritte Partei hat, die nach links tendiert, dann wird man beschuldigt, der Rechten zu helfen. Wir wollen mittelfristig eine unabhängige Partei aufbauen, aber kurzfristig müssen wir mit der Demokratischen Partei zusammenarbeiten.
Das bedeutet jedoch nicht, dass wir glückliche Demokraten sein müssen, die mit allen Mitgliedern der Partei auskommen. Im Gegenteil, für uns Sozialistinnen, die auf der Liste der Demokratischen Partei kandidieren, ist es entscheidend, dass wir uns bei jeder Gelegenheit vom Establishment der Demokratischen Partei abgrenzen. DSA wählt Leute, die sich nicht davor scheuen, mit den Vertretern des Kapitals in der Demokratischen Partei auf Tuchfühlung zu gehen. Wenn wir das lange genug tun, können wir eine Basis aufbauen, idealerweise von Millionen von Menschen, die die Unterschiede zwischen den beiden Flügeln der Demokratischen Partei verstehen. Und mit dieser Basis könnten wir in der Lage sein, uns von der Demokratischen Partei abzuspalten.
In Eurem Buch schreibt Ihr: »Wir argumentieren, dass der Kampf für Reformen von großem Wert ist, wenn diese Reformen sozialistische Werte fördern und die Macht der Kapitalisten untergraben können. Andernfalls sind sie nur Flickschusterei und tragen nicht dazu bei, eine größere Bewegung aufzubauen, die später ehrgeizigere Kämpfe führen und gewinnen kann.« Das ist ein bisschen komplexer als Revolution oder Inkrementalismus. Worum geht es bei diesen verschiedenen Arten von Reformen?
Wenn man sagt, ich will sofort eine riesige, unerreichbare Reform, dann werden die Leute schon bei dem bloßen Gedanken daran demoralisiert, weil sie ihnen unerreichbar erscheint. Man muss sich eine Reform aussuchen, die realistisch genug ist, aber immer noch einige Schritte weiter geht als die Vereinigten Staaten, so dass sie die Erwartungen der Menschen tatsächlich steigern kann.
Dieses Konzept ist nicht neu, davon liest man auch bei den revolutionären Sozialistinnen. Rosa Luxemburg hat diese Strategie sehr klar formuliert: »Zwischen Sozialreformen und Revolution besteht für die Sozialdemokratie ein unauflösliches Band. Der Kampf um Reformen ist ihr Mittel, die soziale Revolution ihr Ziel«, schrieb sie 1899. Die Idee ist, dass gut gewählte Reformen die Menschen dazu bringen, mehr zu erwarten und für mehr zu kämpfen.
Ein sehr gutes historisches Beispiel dafür ist der Kampf für den Achtstundentag. Marx wollte die Abschaffung des Kapitalismus und die Einführung des Sozialismus. Der Achtstundentag ist weit davon entfernt. Aber Marx’ Internationale Arbeiterassoziation machte den Achtstundentag zu einem ihrer wichtigsten Programmpunkte auf der Grundlage, dass die Menschen sich genug dafür interessieren würden, um dafür zu kämpfen. Aber auch weil – und das ist ein wirklich entscheidender zweiter Punkt – der Achtstundentag das Machtgleichgewicht zwischen Arbeiterinnen und Kapitalisten strukturell verändern würde. Der Achtstundentag bedeutet mehr freie Zeit für die Arbeiter, um sich zu organisieren, damit sie gegen ihre Bosse kämpfen können. Das ist der Unterschied zwischen einer strukturellen Reform und einer reformistischen Reform. Wenn man eine reformistische Reform gewinnt, ist das Leben der Menschen ein bisschen schöner, aber die Dinge ändern sich nicht grundlegend. Eine strukturelle oder revolutionäre Reform bedeutet, dass man dem Kapital Macht entreißt und sie in die Hände der Arbeiterklasse legt. Sie verschafft der Arbeiterklasse eine bessere Ausgangsposition für künftige Siege.
Ein aktuelles Beispiel ist der Kampf für eine staatliche Gesundheitsversicherung in den Vereinigten Staaten. Wenn es den Beschäftigten in den Vereinigten Staaten gelingt, das durchzusetzen, wird das bedeuten, dass Arbeitnehmer nicht mehr an ihren Arbeitgeber gebunden sind. Derzeit können sie ihre Jobs nicht hinschmeissen, ohne zu wissen, wohin sie als Nächstes gehen, weil sie dann keine Krankenversicherung mehr haben. Das bedeutet in den USA, dass man sterben könnte. Unter Androhung ihres Lebens sind sie also gezwungen, sich von ihrem Arbeitgeber jede Scheisse gefallen zu lassen. Das hält die Löhne niedrig, weil die Leute Angst haben, ihren Chefs die Stirn zu bieten. Sie befürchten, gefeuert zu werden, wenn sie Streiks organisieren oder sich gewerkschaftlich organisieren.
Du bist schon seit einiger Zeit Mitglied der Democratic Socialists of America. Warum engagierst Du dich so stark für die DSA?
Die Democratic Socialists of America wurde in den 1980er Jahren gegründet und tuckerten jahrzehntelang mit einer ziemlich niedrigen Mitgliederzahl herum. Und dann, 2016, als Bernie Sanders zum ersten Mal für das Präsidentenamt kandidierte, suchten viele Leute, die von dieser Kampagne inspiriert waren, eine politische Heimat, um weiterhin politische Organisierung im Einklang mit diesen Prinzipien und Idealen zu betreiben. Und DSA war die natürliche Heimat für sie.
Die großen amerikanischen Parteien sind keine Parteien, wie man sie in Europa kennt. Sie haben keine Mitglieder, die Beiträge zahlen und dafür demokratisches Mitspracherecht bei Delegiertenversammlungen haben und Parteiprogramme mitbestimmen können. Das sind extrem undemokratische Gebilde, die der Basis keine Rechenschaft schuldig sind. DSA hingegen ist aufgebaut wie eine klassische Arbeiterinnenpartei: Wir, die Basis, wählen die Parteiführung, wir diskutieren demokratisch die Parteilinie und die Strategien. Natürlich ist auch DSA keine perfekte Organisation, aber sie ist die größte explizit sozialistische Organisation, die wir im letzten halben Jahrhundert gesehen haben – und das mitten im Herzen des globalen Kapitalismus. Allein aus diesem Grund müssen wir DSA viel Aufmerksamkeit schenken und viele Ressourcen zur Verfügung stellen.
Da DSA so schnell gewachsen ist, hat die Organisation in letzter Zeit auch einige unglückliche Schlagzeilen gemacht. Zum Beispiel gab es einen berühmten Parteitag in Chicago, der in der rechten Presse wegen der vielen Unterbrechungen des Verfahrens, um über »Privilegien« zu sprechen, verunglimpft wurde. Es gibt weitere Beispiele für Auseinandersetzungen zwischen akademischen Milieus und Arbeitern in DSA-Sektionen, die viele Arbeiterinnen von der Partei abgehalten haben. Sind das nur Wachstumsschmerzen oder gibt es da ein tieferes Problem?
Die Basis von DSA ist sehr vielseitig. Im Allgemeinen sind die meisten DSA-Mitglieder, vor allem die aktivistischen DSA-Mitglieder, zwischen 20 und 35 Jahre alt, kommen aus der Mittelschicht, haben größtenteils eine Hochschulausbildung und fühlen sich zu DSA hingezogen, weil sie ideologisch mit den sozialistischen Prinzipien übereinstimmen. An solchen Menschen ist nichts auszusetzen. Es gibt keinen Grund, jemanden abzuweisen, der bereit ist, für den Sozialismus zu kämpfen. Gleichzeitig gibt es aufgrund dieser demografischen Realität eine Abkopplung von der breiteren Arbeiterklasse, und das geht mit gewissen kulturellen Gewohnheiten einher, die wirklich problematisch sein können.
Ich war auf dem Kongress in Chicago und kann daher aus erster Hand bestätigen, dass auf diesem Kongress eine Menge kultureller Praktiken zur Schau gestellt wurden, die von gewöhnlichen Menschen aus der Arbeiterklasse als befremdlich empfunden werden. Aber ich denke, dass es schon besser geworden ist, weil viele Leute Jahre damit verbracht haben, zu organisieren und gesehen haben, dass politisches Verhalten, das aus moralischer und scheinheiliger Schelte von Leuten besteht, eine totale Sackgasse ist. Ich denke, dass es bei DSA ein wenig aus der Mode gekommen ist, sich so zu verhalten. Das ist wirklich ein Fortschritt. Wenn man darüber nachdenkt, dann war all der Unsinn, den DSA mitgemacht hat, eigentlich eine unglaubliche Lernmöglichkeit für die nächste Generation sozialistischer Organisatoren und Aktivistinnen.
Gerade spricht man auf dieser Seite des Atlantiks viel darüber, dass uns die amerikanische Linke einiges voraus hat. Dabei ist vieles von dem, was Du in den USA erstreiten willst, hierzulande schon Realität. Europäische Parteien sind in der Tat so strukturiert wie DSA, aber trotzdem dümpelt die Arbeiterbewegung und die Linke vor sich hin. Wir haben auch eine gesetzliche Gesundheitsversorgung und doch kranken wir am Kapitalismus. Kann die Entwicklung der US-Linken uns in Europa doch etwas bieten?
Witzig, dass Du das sagst. In den USA idealisieren wir oft die europäische Linke als wesentlich fortschrittlicher als die amerikanische Linke. Ich würde sagen, dass man soziale Fortschritte gewinnen und dann darum kämpfen muss, sie zu behalten – auch angesichts der Sparmaßnahmen. Man muss an den Punkt kommen, an dem man dem Kapital tatsächlich so viel Kontrolle entrissen hat, dass man die eigenen Erfolge verteidigen kann. Aber Europa ist noch nicht so weit. Die Errungenschaften, die im letzten Jahrhundert durch die demokratische Arbeiterinnenbewegungen erkämpft wurden, sind in großer Gefahr. Ich glaube, die Linke in Europa ist immer noch im Verteidigungsmodus, während wir langsam zum Angriff ansetzen.
Die amerikanische Linke hat gegenüber der europäischen Linken den Vorteil, dass die amerikanische Linke bis vor ein paar Jahren so gut wie nicht existent war. Daher haben wir nicht so viele Nachwirkungen der aktivistischen Linken. Es gibt eine Menge Leute, die nicht zehn oder zwanzig Jahre damit verbracht haben, sich Gewohnheiten anzueignen, die sie nicht mehr loslassen können. Viele Leute kommen frisch von der Straße und sind leichter zu marxistischer Politik zu überreden. Sie sind leichter für den Marxismus zu gewinnen, weil sie nicht die Last der Tradition tragen.
Derzeit sieht es etwas düster aus. Covid und der Krieg in der Ukraine sind nicht gut für die Linke. Wo siehst Du die wichtigsten Kämpfe in der nahen Zukunft?
Ich denke, wir sind in einer Position, in der wir wirklich beobachten müssen, was um uns herum passiert, um Chancen zu ergreifen, die sich bieten. Das beste Beispiel ist die spontane Organisierung von Amazon und Starbucks in den USA. Kürzlich habe ich erfahren, dass eine ganze Reihe von DSA-Mitgliedern jetzt Jobs bei Starbucks angenommen hat, um diese gewerkschaftliche Organisation zu unterstützen. Und es gibt viele DSA-Mitglieder, die sich entschieden haben, auf den Post-Bernie-Moment zu reagieren, indem sie sich beruflich verändern und speziell in Branchen arbeiten, die strategisch wichtig sind, in denen sie gewerkschaftlich aktiv sein und dazu beitragen können, die Arbeiterbewegung in den USA von der Basis aus aufzubauen. Logistik, Bildung und Gesundheitswesen sind die drei wichtigsten Bereiche, in denen wir unsere Leute haben wollen. Wir müssen weiterhin Wahlkampagnen führen und Leute in Ämter bringen, wo immer es möglich ist. Aber wir müssen uns ebenso auf die Arbeiterbewegung konzentrieren. Das ist der Bereich, in dem ich im Moment das meiste Potenzial sehe.
Meagan Day ist Redakteurin beim US-amerikanischen Jacobin.