25. Juli 2024
Wir brauchen einen öffentlichen Nahverkehr, der pünktlich ist, gut angebunden und erschwinglich. Anstatt dafür Geld in die Hand zu nehmen, subventioniert die Ampel Elektro-Luxuskarossen für Besserverdiener.
Mit massiven Steuerrabbaten subventioniert die Ampel teure E-Autos wie etwa den Mercedes CLA.
»Wie die Ampel Luxus-Elektroautos für Reiche fördert«, titelt der Spiegel. Die Tagesschau verkündet wiederum: »EU führt vorläufige Strafzölle auf E-Autos aus China ein«. Beide Headlines haben es in sich: Luxus-Elektroautos für Reiche werden günstiger und elektrische Kleinwagen für die Massen teurer. Gleichzeitig stützt es die deutschen Autobauer bei einer Strategie, die den Zukunftsfragen nicht gerecht wird – angefangen beim Klimaschutz, über die wirtschaftliche Entwicklung bis hin zur Sicherheit des Arbeitsplatzes.
Seit Jahren hinkt der Verkehrssektor bei den Klimazielen hinterher. Im Jahr 2023 wurden 146 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Das sind gemäß den eignen Klimazielen der Regierung rund 10 Prozent zu viel. Nach Projektionen des Umweltbundesamts dürfte 2030 das Jahresziel von 82 Millionen Tonnen mit rund 111 Millionen tatsächlich ausgestoßenen Tonnen Kohlendioxid um rund 40 Prozent überschritten werden. Auch wenn die verpflichtenden Sektorziele abgeschafft wurden, braucht es offensichtlich weitgehende Reformen im Verkehrssektor, die ein ökologisches Verhalten der großen Mehrheit begünstigen. Die Ampel macht hingegen das Gegenteil: Sie setzt Anreize für ökologisches Verhalten der Reichen.
So soll das Dienstwagenprivileg auf noch teurere Autos ausgeweitet werden. Schon zum Jahresbeginn wurde die Grenze von 60.000 auf 70.000 Euro erhöht. Nun soll sie auf 95.000 Euro angehoben werden. Das führt dazu, dass das mittlere Management in Großkonzernen künftig noch teurere Autos bekommt – wohlgemerkt mit einer deftigen Entlastung oben drauf. Denn der Arbeitnehmer muss bei einem Bruttolistenpreis lediglich 0,25 Prozent des Bruttolistenpreises plus einem marginalen Kilometerpreis als geldwerten Vorteil versteuern. Der Spiegel resümiert, dass ein Privatauto fast zehnmal so teuer wäre. Aber nicht nur das Dienstwagenprivileg begünstigt vor allem Gutverdiener. Auch die Pendlerpauschale tut das. Da sie die Steuerlast reduziert, entlastet sie den pendelnden Dax-Manager pro Kilometer mehr als die pendelnde Teilzeit-Kassiererin.
Für Arbeitgeber ist das Dienstwagenprivileg ein gutes Instrument, um dem Arbeitnehmer statt einer direkten Gehaltserhöhung eine indirekte Gehaltserhöhung zu geben, von der mehr übrig bleibt. Auch für Unternehmen ist es attraktiv, da sie die Kosten für den Dienstwagen vom Gewinn abziehen können. Dies soll durch eine zusätzliche Abschreibungsmöglichkeit noch erweitert werden. Wirtschaftsminister Habeck erhofft sich davon einen »Nachfrage-Push« für die Autobauer. Es ist also nicht nur Politik für Reiche, sondern auch für die Industrie. Kein Wunder, dass die Industrie Habeck mittlerweile bejubelt.
Während hier Milliarden an Gutverdiener verteilt werden, wurde der Zuschuss zum privaten Kauf eines E-Autos zum Jahreswechsel 2024 gestrichen. Der Kauf von E-Autos bis zu einem Preis von 40.000 Euro wurde mit 4.500 Euro bezuschusst und der Kauf eines E-Autos mit einem Preis zwischen 40.000 und 65.000 Euro wurde mit 3.000 Euro bezuschusst. Das bedeutet ganz direkt: Die Ampel macht Luxus-Elektroautos günstiger und elektrische Kleinwagen teurer.
Oben drauf kommen noch die Zölle für Autos aus China. Sie betragen 17,4 und 37,6 Prozent und wurden von der EU entgegen dem Willen Deutschlands eingeführt. Denn tatsächlich gefährden diese Zölle die Klimaziele im Verkehrssektor nochmal. Chinesische Autobauer wie BYD standen nämlich kurz vor einer Exportoffensive und hätten somit günstige Elektroautos auf den deutschen Markt gebracht. Das wiederum hätte laut Experten der Internationalen Energieagentur die deutschen Autobauer unter Druck gesetzt. Wie sich dies auf die angekündigten Werke von chinesischen Autobauern in Ungarn oder Spanien auswirkt, wird sich zeigen. Fest steht, dass unter den dreißig günstigsten E-Autos in Deutschland kein deutscher Anbieter ist. Ironischerweise aber stellt sich die deutsche Autoindustrie selbst gegen die Schutzzölle, da sie die Verhängung von Vergeltungszöllen auf ihre Luxus-Elektroautos befürchtet.
Klar ist auch: Elektroautos alleine werden das Klima nicht retten, erst recht nicht Luxus-Elektroautos. Um eine Verkehrspolitik zu machen, die ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt, muss in erster Linie der öffentliche Nahverkehr im Fokus stehen. Ganz grundlegend geht es dabei um die enormen Skaleneffekte des kollektiven Verkehrs. Denn es macht einen enormen Unterschied, ob ein Motor eine Person oder Hunderte voranbringt. In Ballungsräumen ermöglicht dieser kollektive Verkehr erst den individuellen, da die Straßen sonst noch verstopfter wären. Um die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zu begünstigen, sind insbesondere Preise, Anbindung und Qualität – Pünktlichkeit, Nutzungsdichte, Sauberkeit – entscheidend. Wichtig ist, dass diese Punkte Hand in Hand gehen. Wenn die Bahn kostenlos ist, aber nicht fährt oder überfüllt ist, bringt es nicht viel. Umgekehrt bringt es genauso wenig, wenn man ein gut ausgebautes, funktionales Bahnnetz hat, deren Nutzung aber für viele unerschwinglich ist. Die Gewährleistung von adäquatem Preis, Anbindungen und Qualität kostet den Staat dutzende Milliarden. Dies wäre allerdings die Grundlage für ökologischen Verkehr.
Mit der Ampel gab es nennenswerte – wenn auch krisenbedingte – Fortschritte. Mit dem 9-Euro-Ticket und dem Deutschlandticket wurde der Preis gesenkt und die Qualität durch ein einheitliches Ticket erhöht. Weil die Ampel aber lieber Geld für Luxus-Elektroautos in die Hand nimmt, wird bald auch das Deutschlandticket teurer werden. Auch die Unpünktlichkeit der Bahn wird immer schlimmer und neue Streckenschließungen stehen vor der Tür. Hauptgründe dafür sind ein kaputtgesparter Staat, eine auf Profit getrimmte Bahn sowie neoliberales EU-Recht.
Die große Mehrheit muss ins Zentrum sozialer Klimapolitik. Dafür braucht es kluge Kombinationen aus positiven wie negativen Anreizen und Verboten. Für die große Mehrheit muss der öffentliche Verkehr günstiger, schneller und stressfreier als der Individualverkehr werden. Das wäre ein klassischer positiver Anreiz. Für jene, die etwa auf dem Land leben oder Angehörige pflegen und die daher auf Individualverkehr angewiesen sind, braucht es üppige Förderungen für E-Autos – ebenfalls ein klassischer positiver Anreiz. Gleichzeitig müssen alle größeren Autos, ob mit Verbrenner- oder Elektromotor, einer steigenden Kfz-Steuer unterliegen, da sie unökologischer sind als Kleinwagen.
Neben alledem braucht es aber auch klare Regeln, um den CO2-Ausstoß zu verringern, etwa ein Tempolimit auf Autobahnen. Nur so lässt sich der Ausstoß von Reichen, die die Umwelt verschmutzen, wirklich begrenzen, da ihnen die Preise egal sind. Im Prinzip muss dabei die komplette Verkehrspolitik eine Kehrtwende machen: von sozialer Klimapolitik für die Reichen hin zu sozialer Klimapolitik für die Massen.
Lukas Scholle ist Volkswirt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Deutschen Bundestag und Kolumnist bei JACOBIN.