11. Januar 2022
Édouard Louis ist bekannt für seine Romane, in denen er die täglichen Erniedrigungen des Arbeiterlebens schildert. Im Interview spricht er darüber, wie sich die Mächtigen stets vor ihrer Verantwortung drücken und alle Schuld auf die Unterschicht abwälzen.
Édouard Louis auf der Frankfurter Buchmesse, 2017.
Denkt man an die Hunderttausenden Exemplare seiner Bücher, die in dreißig Sprachen übersetzt auf der ganzen Welt verkauft werden, könnte man meinen, Édouard Louis liefe Gefahr, allmählich den Realitätsbezug zu verlieren. Doch die Bescheidenheit und Offenheit des 29-jährigen Schriftstellers sind entwaffnend. Die Radikalität der Worte, mit denen er seine Klasse – die Arbeiterklasse – verteidigt, steht in starkem Kontrast zur Sanftheit seiner Stimme. Ja, Édouard Louis ist wütend. Doch auch Wut kann schön sein, wenn sie in feiner Prosa daherkommt.
Für Édouard Louis muss ein politisch engagierter Schriftsteller auf dem Boden bleiben. Er engagierte sich seit seinem sechzehnten Lebensjahr als Schülervertreter auf nationaler Ebene, 2018 schloss er sich dem Kampf der Eisenbahner gegen die Privatisierung des französischen Schienennetzes an und 2019 den Protesten gegen die Rentenreform von Emmanuel Macron. Zwar wird Louis regelmäßig eingeladen, sich in bürgerliche Kreise zu mischen, er macht sich jedoch keine Sorgen, von diesen vereinnahmt zu werden:
»Ich habe mein erstes Buch zu Hause in meiner Gegend geschrieben und es dann irgendwann per Post eingesandt. Ich kannte niemanden. Ich habe es in einem Copyshop ausgedruckt. Von Freunden hatte ich mir 30 Euro geliehen, um vier Ausdrucke meines Manuskripts bezahlen zu können. Ich schickte es an Verlage und ich wurde veröffentlicht. Ich schulde der Bourgeoisie rein gar nichts.«
In diesem Interview, das zuerst bei Solidaire erschien, sprach Édouard Louis mit Jonathan Lefèvre darüber, was der linke Diskurs leisten muss, damit sich arbeitende Menschen in ihm wiederfinden können, und wie die Herrschenden verhindern, dass die Beherrschten gehört werden.
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Édouard Louis ist Schriftsteller und linker Intellektueller. Sein Debütroman »Das Ende von Eddy« erschien 2015. Zuletzt wurde 2021 »Die Freiheit einer Frau« bei Fischer veröffentlicht.