30. März 2023
Milliardäre lieben ihn: Der sogenannte Effektive Altruismus ist ein ideologischer Cocktail aus Naivität, Arroganz und etwas Rassenlehre.
»Der angehende OxfordProfessor behauptet: ›Schwarze sind dümmer als Weiße.‹«
Illustration: Martyna ŽalalytėAkademiker geben ihren Forschungseinrichtungen gerne hochtrabende Namen. Aber das Future of Humanity Institute der Universität Oxford – also das Institut für die Zukunft der Menschheit – ist selbst für eine Eliteinstitution, die es für selbstverständlich hält, das viele ihrer Absolventinnen in die Zirkel der Macht aufsteigen, ziemlich großspurig.
Der zukunftsgerichtete Blick und die universalistische Perspektive, die im Namen anklingen, erwecken den Eindruck, das Institut würde kosmopolitische und egalitäre Positionen vertreten. Umso überraschender war es für manche, als kürzlich eine rassistische E-Mail von Nick Bostrom, einem Professor des Instituts, wieder auftauchte. In dieser Nachricht, die 1996 an eine transhumanistische Mailingliste versendet wurde, die Bostrom abonniert hatte, behauptet der damals angehende Oxford-Professor: »Schwarze sind dümmer als Weiße.« Später im Text setzt er noch einen drauf und verkündet enthusiastisch: »Ich mag diesen Satz und denke, er ist wahr.«
Als vermeintlichen Beleg für seine Behauptung verweist Bostrom in der Mail auf »wissenschaftliche« Befunde über IQ-Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen. Wie zu erwarten glaubt Bostrom, dass ein offener Diskurs über diese wichtigen Themen aus Angst vor Rassismus-Vorwürfen vermieden würde: »Für die meisten Menschen scheint dieser Satz jedoch gleichbedeutend zu sein mit der Aussage: ›Ich hasse diese verdammten N–!!!‹«.
In Anbetracht dieser Sorge schlussfolgert er, dass bei der Vermittlung der »Fakten« über die relative geistige Unterlegenheit bestimmter Gruppen Vorsicht geboten sei. Schließlich wolle man nicht des Rassismus bezichtigt werden oder »persönlichen Schaden« riskieren. Er betont hartnäckig, kein Rassist zu sein, und scheint das auch tatsächlich zu glauben.
Man könnte meinen, dieser Jahrzehnte zurückliegende Vorfall sei heute nicht mehr wirklich relevant. Und vermutlich wäre das auch so, hätte Bostrom nicht kürzlich eine Entschuldigung in Umlauf gebracht, in der er jedoch die zentralen Behauptungen seiner rassistischen Tirade kaum anfechtet. »Ich distanziere mich vollkommen von dieser abscheulichen E-Mail von vor 26 Jahren«, schreibt Bostrom. Und weiter: »Sie gibt meine damaligen und heutigen Ansichten nicht akkurat wieder. Der Ausspruch eines rassistischen Schimpfworts war abstoßend. Ich habe mich damals innerhalb von 24 Stunden für das entschuldigt, was ich geschrieben hatte, und ich entschuldige mich heute erneut ohne Vorbehalte. Ich schrecke zurück, wenn das lese und lehne es strikt ab.«
Das Hauptproblem sieht Bostrom also in der Verwendung eines rassistischen Schimpfwortes und nicht in seiner Neigung zu pseudowissenschaftlichen Vorstellungen über »Rassenunterschiede«.
Bostrom ist ein Verfechter des sogenannten Longtermism. Dieses vormals eher randständige Konzept ist dank des Bestellers What We Owe the Future (zu deutsch »Was wir der Zukunft schuldig sind«) des Philosophen William MacAskill im letzten Jahr äußerst populär geworden. MacAskill ist ein Pionier des Effektiven Altruismus, dem das Konzept des Longtermism entstammt. Dessen Grundprinzip besagt, dass wir der Menschheit der Zukunft, egal wie fern diese auch sein mag, den gleichen moralischen Wert beimessen müssen wie heute lebenden Menschen. Auch wenn diese Vorstellung harmlos erscheint, wird sie von Reaktionären und Tech-Gurus gefördert, die Bostrom und MacAskill mit Forschungsgeldern in Millionenhöhe unterstützen.
»Mein extremer Reichtum ist gut, egal wie unverhältnismäßig er auch sein mag, weil andere davon profitieren werden – wenn nicht heute, dann sicherlich morgen.«
Warum sind Tech-Milliardäre derart von Effektivem Altruismus und Longtermism begeistert, dass sie MacAskill und seine Clique mit Stipendien überhäufen, ihre Bücher empfehlen und sie zu Aufenthalten nach Kalifornien einladen?
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Linsey McGoey lehrt Soziologie an der Universität Essex. Ihr Buch »No Such Thing as a Free Gift« erschien 2016 bei Verso Books.