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13.12.2021

Ein Land ohne Linke?

Die Linkspartei steht mit dem Rücken zur Wand. Ohne radikale Neuerfindung hat sie keine Zukunft.

Illustrationen: Markus Stumpf.

Von Loren Balhorn

Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler konnten einem in der Wahlnacht schon ein wenig leidtun. Schließlich waren sie erst seit ein paar Monaten Vorsitzende der Linkspartei – kaum genug Zeit, um den Abwärtstrend zu stoppen, geschweige denn ihn umzukehren. Trotzdem mussten sie am 26. September vor die Kameras treten und erklären, warum ihre Partei am Rande des Abgrunds steht.

Eigentlich hätte es doch ganz anders laufen sollen. Im Februar waren die beiden jungen, in ihren jeweiligen Bundesländern beliebten, auf der bundesweiten Bühne aber weitgehend unbekannten Politikerinnen ohne Gegenkandidaten gewählt worden, um Deutschlands demokratische Sozialisten zu neuen Ufern zu führen. Nach fast einem Jahrzehnt enttäuschender Wahlergebnisse und politischer Dysfunktion, symbolisiert durch die anhaltende Fehde zwischen Sahra Wagenknecht und den Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, steuerte die Linkspartei nun auf einen politischen »Aufbruch« und ein zweistelliges Wahlergebnis zu.

Wissler und Hennig-Wellsow für die Niederlage verantwortlich zu machen, ist insofern unfair – aber das Leben ist nunmal unfair und die Politik erst recht. Unabhängig davon, ob das Desaster ihre Schuld ist oder nicht, hat die Niederlage unter ihrer Führung das Pflaster von der politischen Krise der Partei gerissen und die eiternde Wunde darunter offengelegt. Jetzt ist schmerzlich klar, dass die nächsten Monate und Jahre nicht nur darüber entscheiden werden, ob sich ihre zerstrittenen Strömungen zusammenraufen können, sondern auch darüber, ob es die Linkspartei als sozialistische Kraft links der SPD überhaupt noch geben wird.

Damned If You Do, Damned If You Don’t 

Seit der Wahlnacht ist in der Partei eine merkwürdige Dynamik zu beobachten: Einerseits haben praktisch alle – vom alternden Block der ostdeutschen Pragmatikerinnen bis zu den jungen Aktivisten, die die Partei zunehmend prägen – eine Art öffentliches mea culpa abgegeben, in dem sie ihre Mitverantwortung für die Niederlage anerkennen und versprechen, in Zukunft alles besser zu machen. Hennig-Wellsow spricht davon, »alle Steine auf den Tisch« legen zu wollen. Amira Mohamed Ali, die 2019 die Nachfolge von Sahra Wagenknecht antrat, unterstreicht: »Wir müssen ehrlich mit uns selbst sein und das Wahlergebnis kritisch aufarbeiten.«

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