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10. Mai 2025

Wie Elon Musk in seiner alten Heimat den Rassismus schürt

Der Milliardär verbreitet Panik über das vermeintliche Schicksal weißer Menschen in Südafrika. Die wahren Probleme, die sein Geburtsland plagen, ignoriert er mit dieser rassistischen Sichtweise weitgehend.

Elon Musk hört zu während einer Kabinettssitzung im Kabinettssaal des Weißen Hauses, 30. April 2025.

Elon Musk hört zu während einer Kabinettssitzung im Kabinettssaal des Weißen Hauses, 30. April 2025.

IMAGO / Newscom / AdMedia

Elon Musk besinnt sich auf seine Wurzeln. Anfang des Jahres löste er unter Rechten weltweit Panik über die neuen Landbesitzgesetze in seinem Geburtsland Südafrika aus. Dies gipfelte darin, dass Donald Trump eine Anordnung erließ, mit der die finanzielle Unterstützung der USA für Südafrika eingestellt und weiße Menschen (Afrikaaner), die angeblich »Opfer ungerechter Rassendiskriminierung« seien, eingeladen wurden, sich in den Vereinigten Staaten niederzulassen. Musks Behauptungen fielen auf fruchtbaren Boden bei rechtsgerichteten weißen Nationalisten, die seit Jahren die Paranoia schüren, weiße Südafrikaner seien eine gefährdete und verfolgte Minderheit. Dieses Theater ist absurd und vollkommen realitätsfern.

Erstens gibt das von Präsident Cyril Ramaphosa Ende Januar unterzeichnete umstrittene Gesetz – der Expropriation Act – dem südafrikanischen Staat nicht das Recht, Eigentum einfach ohne Entschädigung zu beschlagnahmen. Es sieht lediglich die Möglichkeit einer »Nullentschädigung« unter spezifischen und sehr begrenzten Umständen vor, insbesondere wenn eine Landenteignung im allgemeinen Interesse der südafrikanischen Bevölkerung liegt. Zutreffen kann das auf brachliegendes Land, Grundstücke ohne Bebauungs- oder Renditepläne sowie auf Grundstücke, die eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen.

Das Enteignungsgesetz zielt durchaus darauf ab, Ungerechtigkeiten im Zusammenhang mit dem Landbesitz in Südafrika zu beseitigen: Veraltete Gesetze aus der Zeit der Apartheid sollen durch einen neuen Rechtsrahmen ersetzt werden, der das öffentliche Interesse über private Privilegien stellt. Der Expropriation Act ist verfassungskonform und rückt vom bisherigen Modell des »willigen Verkäufers und willigen Käufers« ab, das in der Vergangenheit weiße Landbesitzer privilegierte. Er stellt sicher, dass etwaige Enteignungen mit einer gerechten und angemessenen Entschädigung einhergehen. Entgegen der Behauptung, dass es nun zu Landenteignungen ohne Entschädigung kommen werde, folgt das Gesetz einer langjährigen globalen Rechtstradition, die es Staaten erlaubt, Eigentum zum Wohle der Allgemeinheit zu nutzen.

Ineffektive Maßnahmen

Keine Frage: Es gibt gute Gründe, dem Vorhaben skeptisch gegenüberzustehen. Ineffiziente Bürokratie, Korruption und politische Unterwanderung haben in der Vergangenheit immer wieder Landreformen in Südafrika behindert. Die entsprechenden politischen Maßnahmen haben den Ruf, schleppend voranzukommen, schlecht verwaltet und weitgehend wirkungslos zu sein. So würden Anträge von den Behörden nicht schnell genug bearbeitet; die weit verbreitete Korruption habe zu weiteren Verzögerungen, Streitigkeiten und Grundbesitz-Deals geführt, von denen weitaus häufiger die gut vernetzten Eliten profitieren als die landlosen Armen. Und selbst wenn Land umverteilt wird, sind viele neue schwarze Landbesitzer aufgrund mangelnder Unterstützung nach der Neuansiedlung nicht in der Lage, die landwirtschaftliche Produktion aufrechtzuerhalten. Infolgedessen haben Landreformen frühere, historische Enteignungen bisher nicht wirklich »wiedergutgemacht«, sondern dienten viel mehr der Bereicherung der Eliten. Die Mehrheit der Schwarzen in Südafrika bleibt ökonomisch weiterhin marginalisiert.

»Musk und seine Verbündeten wollen mit ihrer Empörung die Vorstellung untermauern, dass von Schwarzen ausgeübte politische Macht in Südafrika von Natur aus eine Bedrohung darstellt.«

Befürworter von Enteignungen ohne Entschädigung stellen diese oft als Kampf der Arbeiterklasse dar. Faktisch wird der Diskurs aber hauptsächlich von Vertretern der Mittelschicht und der Elite geführt, insbesondere in den Parteien African National Congress (ANC) und Economic Freedom Fighters (EFF). Zwar geben rund zwei Drittel der südafrikanischen Bevölkerung an, die Landreform grundsätzlich gutzuheißen, doch für weniger als fünf Prozent hat sie oberste Priorität. Viel wichtiger für die Menschen in Südafrika sind der Zugang zu regulären Arbeitsplätzen sowie zu grundlegenden Versorgungsleistungen.

Die EFF, eine radikale populistische Partei, die 2013 von Julius Malema gegründet wurde, ist eine der lautesten Fürsprecherinnen der Landenteignung. Parteivertreter propagieren kämpferisch eine »Rückeroberung des Landes«. Ihre Zielgruppe: von sozialem Abstieg bedrohte oder betroffene Jugendliche, Arbeitslose und die desillusionierte schwarze Mittelschicht. Die EFF stellt sich selbst als Bewegung für die »Enteigneten« dar, wobei die Parteiführung aus früheren Mitgliedern der ANC Youth League und Profis aus dem politischen Mainstream Südafrikas besteht. Die ideologischen Bekenntnisse sind dabei oft nicht ganz schlüssig. So gibt die Partei rassistischen Konflikten den politischen Vorrang vor dem Klassenkampf, engagiert sich nicht sonderlich stark in der Arbeiterbewegung und operiert mit einer stark zentralisierten Führungsstruktur, die die parteiinterne Demokratie einschränkt.

Für die EFF ist die »Landfrage« daher weniger mit einem konkreten Plan zur Unterstützung von Kleinbauern oder zur Schaffung von urbanem Wohnraum und sicherem Grundeigentum verbunden, sondern vielmehr mit der historischen Bedeutung der [weißen] Landnahme als ultimatives Symbol der Enteignung.

Der ANC (der in Sonntagsfragen den Atem der EFF im Nacken spürt) hat ebenfalls die entschädigungslose Enteignung in sein Programm aufgenommen – nicht, weil seine Führungsspitze dies für eine sinnvolle Politik hält, sondern vielmehr als Zugeständnis an die wachsende nationalistische Stimmungslage im Land. Die eigentlichen Probleme – wie man Landbesitz demokratisiert und eine Vereinnahmung durch die Elite verhindert, eine städtische Bodenreform durchführt und den neuen Empfängern von Land adäquate Infrastruktur zur Verfügung stellt – werden von diesem politischen Schauspiel in den Hintergrund gedrängt. Letztendlich hat sich die entschädigungslose Enteignung weniger als Instrument zur Umverteilung, denn als symbolisches Projekt zur »Rückgewinnung der Schwarzen Souveränität« in einem Post-Apartheid-Staat erwiesen, in dem sich viele südafrikanische Menschen nach wie vor von der ökonomischen Dominanz der Weißen eingeschränkt fühlen.

Angst vor »Schwarzer Herrschaft«

Das ist natürlich nicht der Grund, warum die Rechte derart in Aufruhr ist. Stattdessen nutzen ihre Vertreter – und insbesondere Musk – die südafrikanischen Reformbemühungen als Aufhänger für eine tiefergehende ideologische Botschaft: Sie schüren gezielt Ängste, weiße Menschen würden zu Opfern, diskreditieren Post-Apartheid-Südafrika als gescheiterten Staat und untermauern ihre Behauptung, politische Maßnahmen zur Förderung von Diversität müssten unweigerlich zu Chaos und Niedergang führen. Dieser Aufschrei hat nichts mit den wirklichen Herausforderungen bei der Landreform zu tun – aber alles mit der Förderung eines politischen Projekts, in dem jeder Versuch einer Wiedergutmachung als Angriff auf Eigentumsrechte der Weißen dargestellt wird.

»Für einen echten Fortschritt bräuchte es in jedem Fall mehr als die Sehnsucht nach einem mythischen, entpolitisierten Konsens, einer ›Regenbogennation‹. Erforderlich wäre die Einsicht, dass ökonomische Gerechtigkeit kein Nullsummenspiel ist.«

Derselbe reaktionäre Impuls zeigt sich in der theatralischen Aufregung um EFF-Chef Malema, der »Kill the Boer« gesungen hatte. Der aus der Zeit der Anti-Apartheid-Bewegung stammende Sprechgesang war schon öfters Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten und politischen Kontroversen. Es gibt keine Belege dafür, dass er zu organisierter Gewalt gegen weiße Farmer anstachelt oder solche ausgelöst hat, aber für Musk und andere selbsternannte Verfechter von Meinungsfreiheit dient das Lied als nützliches Argument in ihrem Narrativ von einer Verfolgungsjagd auf Weiße. Einige in den USA gehen sogar so weit, einen Genozid an den Weißen zu behaupten (was sogar der Anti-Defamation League zu weit ging).

Musk und seine Verbündeten wollen mit ihrer Empörung die Vorstellung untermauern, dass von Schwarzen ausgeübte politische Macht in Südafrika von Natur aus eine Bedrohung darstellt. Ironischerweise spielt dies Malema in die Hände: Seine Politik lebt von Provokationen, und jede hektische Reaktion der globalen Rechten stärkt sein Image als kompromissloser Gegner des weißen Kapitals. Je mehr weiße Reaktionäre Schaum vor dem Mund bekommen, desto mehr kann Malema seine populistische Glaubwürdigkeit behaupten. Es ist ein sich gegenseitig hochschaukelndes Schauspiel, das aber letztlich kaum dazu beiträgt, die materiellen Interessen der Landlosen in Südafrika voranzubringen.

Rechte Hysterie und weiße Melancholie

Die überzogen hysterische Reaktion auf die südafrikanische Landreformpolitik wird zum Teil mit Verweisen auf das Schreckgespenst einer »Simbabwe-isierung« angeheizt: Die globale Rechte nutzt die Landenteignungen in Simbabwe Anfang der 2000er Jahre schon seit Längerem als abschreckendes Beispiel dafür, was droht, wenn Regierungen mit schwarzer Mehrheit den (weißen) Landbesitz infrage stellen. Demnach war der wirtschaftliche Zusammenbruch Simbabwes eine direkte Folge dieser Landenteignungen – und nicht einer Kombination aus Misswirtschaft, Korruption und wirtschaftlichen Strukturzwängen geschuldet.

Bei diesem kruden Vergleich werden grundlegende Unterschiede zwischen den beiden Staaten ignoriert: Im Gegensatz zur Politik Simbabwes ist der südafrikanische Expropriation Act an verfassungsrechtliche Bestimmungen gebunden. Er stellt ausdrückliche Querverbindungen zwischen Fairness und öffentlichem Interesse her. Darüber hinaus wird beim rechten Vergleich davon ausgegangen, dass von Schwarzen geführte Regierungen eine Landreform schlicht nicht verantwortungsvoll durchführen können. Das verdeutlicht und verstärkt einen rassistischen Paternalismus, der die Basis eines Großteils der rechten Kritik darstellt.

Ähnliche ideologische Motive liegen auch dem überzogenen Entsetzen über andere politische Maßnahmen in Südafrika zugrunde: Zwar stimmt es durchaus, dass Gesetze für mehr Gleichstellung bei Beschäftigung und Unternehmensbeteiligungen mitunter für Vetternwirtschaft missbraucht wurden. Doch die Behauptung, weiße Südafrikaner würden systematisch von der wirtschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen, entbehrt jeder Grundlage. Tatsächlich besetzen weiße Menschen nach wie vor die lukrativsten Positionen in der südafrikanischen Wirtschaft. Sie verfügen außerdem über den Großteil des Privatvermögens und profitieren von wirtschaftlichen Vorteilen, die sich über Generationen hinweg aufgebaut haben und die auch Jahrzehnte des langsamen Wandels nach der Apartheid nicht auslöschen konnten. Gegenmaßnahmen – die weit davon entfernt sind, diese tief verwurzelte Ungleichheit abzubauen – haben hauptsächlich dazu gedient, eine kleine schwarze Elite zu etablieren. Die strukturelle Dynamik der rassistisch motivierten Vermögensbildung ist jedoch intakt geblieben. Das ist offensichtlich nicht das, was Musk und seine Mitstreiter erzürnt. Ihr eigentliches Anliegen ist nicht Fairness, Gleichstellung oder wirtschaftliche Gerechtigkeit, sondern der Erhalt der ökonomischen Dominanz der Weißen.

»Die Vorstellung eines Exodus weißer Südafrikaner, die vor Unterdrückung fliehen, um sich im Ausland ein neues Leben aufzubauen, ist eine alte Fantasie. Sie kursiert seit dem Ende der Apartheid, hat sich in der Realität aber kaum vollzogen.«

Leider bleiben einige weiße Menschen in Südafrika – paradoxerweise gerade diejenigen, die die reaktionären Anliegen der Rechten eigentlich ablehnen – in einer kontraproduktiven Melancholie verfangen. Viele behaupten, sie seien grundsätzlich für Gleichberechtigung, haben sich aber offenbar noch nicht mit der Tatsache abgefunden, dass echte Gleichberechtigung nun einmal voraussetzt, dass sie auf die wirtschaftlichen Privilegien verzichten, die sie immer noch genießen. Die Democratic Alliance (DA) beispielsweise, die in einer wackeligen Koalition mit dem ANC mitregiert, lehnt eine Politik ab, die auf rassifizierter Zugehörigkeit basiert, , spricht sich aber gleichzeitig nicht für die Festlegung anderer, konkreter Bewertungskriterien für Benachteiligung aus. Stattdessen hat die DA die Quadratur des Kreises gemeistert: Sie distanziert sich öffentlich von der globalen Rechten, während sie hin und wieder deren Ängste aufgreift. Sie sieht sich selbst als liberale, meritokratische Zentrumspartei, die individuelle Chancen sowohl gegen die Korruption des ANC als auch gegen den rassistisch motivierten Populismus der EFF verteidigt. Diese Version einer Meritokratie ist jedoch blind gegenüber strukturellen Ungleichheiten. Umverteilung anhand rassifizierter Gesichtspunkte wird dabei eher als eine Form des »Rassennationalismus« denn als notwendige Reaktion auf historische Enteignungen angesehen.

Für einen echten Fortschritt bräuchte es in jedem Fall mehr als die Sehnsucht nach einem mythischen, entpolitisierten Konsens, einer »Regenbogennation«. Erforderlich wäre die Einsicht, dass ökonomische Gerechtigkeit kein Nullsummenspiel ist. Die Herausforderung für Progressive besteht darin, die Umverteilung nicht als ein strafendes politisches Projekt gegen weiße Südafrikaner zu konzipieren, sondern als ein universalistisches Vorhaben, das der Arbeiterklasse über alle Grenzen hinweg zugutekommt (einschließlich derjenigen, die nicht nur als »Weiß« oder »Schwarz«, sondern auch als »Farbige« oder »Asiaten« rassistisch eingestuft werden).

Gutes Leben in Südafrika ist attraktiver als Prekarität in den USA

Zurück zu Trumps Einladung an weiße Menschen aus Südafrika: Selbst unter den weißen Südafrikanern, die sich als Opfer fühlen, dürften nur sehr wenige tatsächlich gewillt sein, auszuwandern (die prominenteste weiße Afrikaaner-Lobbygruppe im Land, AfriForum, hat ihrerseits erklärt, der Preis für das Auswandern sei »zu hoch«. Darüber hinaus hat sie auch einige ihrer früheren Behauptungen über das befürchtete Ausmaß der Landenteignungen zurückgenommen).

Das Angebot der Trump-Regierung, bestimmte Südafrikaner einreisen zu lassen, ist also reines politisches Theater. Selbst Menschen, die von der Entwicklung Südafrikas enttäuscht sein mögen, werden ihr relativ komfortables Leben dort wohl kaum gegen eine ungewisse Zukunft in den Vereinigten Staaten eintauschen wollen.

Die Vorstellung eines Exodus weißer Südafrikaner, die vor Unterdrückung fliehen, um sich im Ausland ein neues Leben aufzubauen, ist eine alte Fantasie. Sie kursiert seit dem Ende der Apartheid, hat sich in der Realität aber kaum vollzogen. Der Grund dafür ist einfach: Trotz der bestehenden Herausforderungen bietet Südafrika vielen weißen Bürgerinnen und Bürgern nach wie vor eine höhere Lebensqualität als die prekäre Existenz, die sie als Wirtschaftsmigranten in den USA oder Europa erwarten würde.

William Shoki ist Redakteur bei Africa Is a Country. Er lebt in Kapstadt.