06. Februar 2023
Diplomatie statt Eskalation – diese Forderung wird im Ukrainekrieg häufig von links erhoben. Der Diplomat Wolfgang Sporrer zeigt mögliche Wege zu offiziellen Verhandlungen auf – und warnt vor zu optimistischen Hoffnungen auf eine schnelle Lösung des Konflikts.
Zerstörte Wohnhäuser in Saporischschja, 22. November 2022.
IMAGO / NurPhotoDie Sorge vor einer weiteren militärischen Eskalation des Ukrainekriegs wächst. Forderungen nach einer bedingungslosen Unterstützung der Ukraine – inklusive der Lieferung schwerer Waffen bis zum eindeutigen Sieg – werden aus verschiedenen politischen Parteien immer wieder laut und in den Medien stark repräsentiert. Von links wird vielerorts die Forderung nach einer diplomatischen Lösung des Konflikts erhoben – doch wie könnte diese herbeigeführt werden?
Wolfgang Sporrer leitete die Abteilung für die humanitäre Dimension der OSZE-Mission in Kiew und war als politischer Berater in der EU-Delegation in Moskau und in verschiedenen Funktionen für die OSZE in Kroatien, Bosnien und Herzegowina und im Kosovo tätig. Zur Zeit lehrt Sporrer Konfliktmanagement an der Hertie School in Berlin. Im JACOBIN-Interview spricht er darüber, warum Diplomatie im Ukrainekrieg eine weitere Chance verdient hat und warum Erfolge auf sich warten lassen könnten.
Auf höchster Ebene gibt es aktuell keinen offiziellen Dialog zwischen den Konfliktparteien. Wolodymyr Selenskyj und Wladimir Putin lehnen es ab, das direkte Gespräch zu suchen. Trotzdem gibt es offensichtlich Verhandlungen. Welche diplomatischen Kanäle stehen derzeit überhaupt offen? Und bewegen sich die Konfliktparteien auf einen Dialog zu oder eher nicht?
Es gibt ja durchaus offizielle Gespräche zwischen den Konfliktparteien. Ich darf daran erinnern, dass es in Istanbul zum Thema Getreideexporte sehr wohl einen funktionierenden, international mediierten Dialog gibt, der von der UNO geleitet und von humanitären NGOs begleitet wird. Hierbei handelt es sich um einen offiziellen Gesprächskanal. Beide Seiten sitzen sich dort persönlich gegenüber. Leider sind diese Gespräche thematisch auf Getreidelieferungen beschränkt. Um die humanitäre Situation in der Ukraine zu verbessern und eventuell zu einer Friedenslösung zu kommen, braucht es natürlich wesentlich mehr als das.
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Wolfgang Sporrer lehrt Konfliktmanagement, Mediation und Verhandlungsführung an der Hertie School in Berlin und ist als Berater für internationale Organisationen tätig. In der Vergangenheit war er mit verschiedenen Leitungsfunktionen in der OSZE, unter anderem in der Ukraine, betraut.