22. März 2024
Der Eurovision Song Contest war schon immer ein Fenster in die politische Gefühlslage Europas.
»In ihrem Beitrag ›In Corpore Sano‹ sang Konstrakta über den mangelnden Zugang zur Gesundheitsversorgung und den Druck, gesund bleiben zu müssen, weil die Alternative einfach zu teuer ist.«
Praktisch jedes Jahr passiert beim Eurovision Song Contest irgendetwas, das die Behauptung der Organisatoren infrage stellt, der ESC sei »nicht politisch«. Tatsächlich war die ESC-Bühne seit ihren Anfängen im Jahr 1956 immer ein umkämpfter Raum, dessen kulturelle Bedeutung noch immer anhält, auch nachdem das Internet das Fernsehen als das mächtigste Medium entthront hat.
Im Jahr 2022 wurde Russland wegen seiner Invasion der Ukraine kurzerhand vom Wettbewerb ausgeschlossen und die Veranstaltung zu einer großen Solidaritätsbekundung mit dem überfallenen Land umfunktioniert. Zwei Jahre später steht die Politik des Wettbewerbs erneut im Rampenlicht – dieses Mal aber nicht wegen seiner Antikriegshaltung, sondern weil sich der ESC weigert, zum Krieg in Israel/Palästina Stellung zu beziehen.
Indes schließen sich immer mehr Künstlerinnen und Künstler der Forderung an, Israel von der Veranstaltung auszuschließen – zumindest, bis ein dauerhafter Waffenstillstand erreicht ist. Israel zeigte sich seinerseits gegenüber Eurovision unbeeindruckt, indem es Millionen für einen Werbespot während des Superbowls im Februar dieses Jahres ausgab.
Israel, das erstmals 1971 teilnahm, hat den Wettbewerb insgesamt viermal gewonnen. Der Sieg von Dana International im Jahr 1998 – der erste für eine Transfrau – war der denkwürdigste. 1998 war auch das erste Jahr, in dem das Televoting des Publikums eingeführt wurde, um den zunehmend veralteten Geschmack der Fachjurys zu umgehen.
So kam es zu einer europaweiten LGBTQ-Mobilisierung, um Dana International zu unterstützen. Dieser Schritt demokratisierte die Wahl eines »Songs für Europa« und trug dazu bei, den Wettbewerb selbst in eine informelle Pride-Feier zu verwandeln. Gleichzeitig wurde Israel in die Liste der vielen Länder aufgenommen, die die ESC-Bühne nutzen, um eine idealisierte Version ihrer selbst zu propagieren.
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Dubravka Sekulić ist Architektin, Theoretikerin und Pädagogin. Sie ist die Autorin von Glotzt Nicht So Romantisch! On Extralegal Space in Belgrade (2012) und non-aligned (round) table and its discontents (2021).