08. Juni 2024
Das Streikrecht in der öffentlichen Infrastruktur einzuschränken, wie die FDP es vorhat, würde einseitig die Beschäftigten benachteiligen und die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften schwächen. Kommt das durch, wäre das ein Skandal.
FDP-Verkehrsminister Volker Wissing auf einer Veranstaltung der DB InfraGO AG.
Die FDP scheint traumatisiert zu sein von Claus Weselskys GDL-Streik und will als Reaktion darauf das Streikrecht in der öffentlichen Infrastruktur massiv einschränken. Die Arbeitsgemeinschaft Arbeit und Soziales der FDP-Bundestagsfraktion hat ein entsprechendes Papier ausgearbeitet.
Warum man bei der FDP über Soziales spricht, wo doch jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, weiß ich jetzt auch nicht. Jedenfalls steht da drin, dass Warnstreiks höchstens vier Tage dauern dürfen, dass sie drei Tage vorher angekündigt werden müssen, drei Tage nach dem Streik nichts passieren darf, 50 Prozent Notbetrieb sichergestellt werden und es ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren geben muss, bei dem im Zweifelsfall eine »neutrale« Institution wie die Mindestlohnkommission den Schlichter benennt.
Nur hat das alles zur Folge, dass die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften einseitig kolossal eingeschränkt wird. Dabei ist es nicht einmal so, dass in Deutschland im internationalen Vergleich viel gestreikt wird. Und es ist auch nicht so, dass im öffentlichen Bereich unverantwortlich oder unverhältnismäßig gestreikt wird.
Denn wenn bei Kitas oder in Krankenhäusern gestreikt wird, gibt es immer eine Notfallbelegung, gibt es immer Leute, die natürlich die Verantwortung übernehmen, damit irgendwie doch noch alles, was laufen muss, auch läuft. Es ist wirklich ein Hohn, wenn die FDP das den Beschäftigten in diesen Bereichen abspricht.
Sehr häufig sind das Bereiche, die extrem unterfinanziert werden, wo massiv Druck drauf ist, wo die Einzelnen die Systemfehler auf ihrem eigenen Rücken austragen. Der Streik ist dann die letzte und sehr häufig die einzige Möglichkeit, um den Staat, die Politik, die Öffentlichkeit mal zur Besinnung zu bringen – dass wir Erzieher, Krankenhauspersonal, Lokführer und Zugbegleiter nunmal besser bezahlen müssen, weil unser öffentliches Leben ohne diese Leute nicht funktionieren würde.
Dass die FDP das kaltlässt und nicht die Bohne juckt, sollte uns nicht wundern. Ich erwarte aber, dass, wenn so ein Papier auf den Kabinettstisch kommen sollte, SPD und Grüne es sofort zerreißen und vom Tisch werfen. Es wäre eine absolute Katastrophe, wenn so etwas durchkäme.
Maurice Höfgen ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Bundestag und Autor des Buches »Mythos Geldknappheit«. Zudem betreibt er den YouTube-Kanal »Geld für die Welt«.