19. Juli 2023
Sie waren in den 1970er Jahren eine der schrägsten Krautrock-Bands Westdeutschlands – und bekennende Kommunisten. Ein Gespräch mit Floh de Cologne.
»Wir waren eine Rockgruppe und eine Theatergruppe gleichzeitig.«
Vor fünf Jahrzehnten befand sich die Bundesrepublik inmitten eines kulturellen Aufbruchs. Kurz zuvor waren im Zuge der Studentenbewegung Tausende von jungen Menschen für eine Revolution auf die Straße gegangen, die niemals kam. Doch die Energie, die sie freisetzten, musste irgendwo hin, und ein Großteil floss letztendlich in die Kulturbranche. Inspiriert von aufregenden neuen Klängen aus den USA begann eine Reihe westdeutscher Bands, psychedelischen Rock, Jazz und die Anfänge der elektronischen Musik miteinander zu verschmelzen und schufen damit eine dynamische Musikszene, die unter dem Namen »Krautrock« bekannt werden sollte.
Mittendrin war eine Gruppe langhaariger Linker aus Köln, die sich Floh de Cologne nannten. Als bekennende Mitglieder der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) zogen »die Flöhe« beinah zwei Jahrzehnte lang durchs Land und spielten ihren einzigartigen theatralischen Prog-Rock mit marxistischem Einschlag vor einem begeisterten Publikum aus jungen Arbeiterinnen und Gewerkschaftern – einmal sogar als Vorband von Jimi Hendrix. Ausgestattet mit Schlagzeug und E-Gitarren, Keyboards und sogar einem Saxophon veröffentlichte Floh de Cologne ab 1966 zahllose innovative Stücke, die heute noch beeindrucken.
Als die Bandmitglieder einsahen, dass sich der politische und kulturelle Wind gedreht hatte, legten sie 1983 nach einem letzten, achtstündigen Konzert voller »Kampfgeist und anarchischer Ironie« (Süddeutsche Zeitung) ihre Instrumente nieder. Der Bandmanager und gelegentliche Perkussionist Dieter Klemm und der Keyboarder Vridolin »Vitti« Enxing sprachen mit JACOBIN über ihre Musik, ihre Politik und ihren denkwürdigsten Auftritt.
Floh de Cologne hat sich vor vierzig Jahren aufgelöst. Zwischen 1966 und 1983 habt ihr zehn Platten veröffentlicht, drei Bücher herausgebracht, und über 1.500 Konzerte gegeben – eine beeindruckende Bilanz. Wie hat die Band eigentlich angefangen?
Dieter: Ich war nicht von vom ersten Moment an dabei, sondern bin nach einem Jahr dazugekommen. Wir haben alle Theaterwissenschaft studiert. Gerd Wollschon, der Gründer und lange Zeit Haupttexter der Band, hatte schon als Schüler Kabarett gemacht. An der Uni wollte er ein Studentenkabarett gründen, fand einige Mitstreiter, und so entstand im Januar 1966 Floh de Cologne, zusammen mit Markus Schmidt und drei anderen, die nicht so lange dabei waren.
Und wie kamt Ihr beiden dazu?
Dieter: Ich war mal in Hamburg Beamter. Das wussten sie, und dachten: »Der kennt sich mit Zahlen aus, den fragen wir, ob er Geschäftsführer werden will.« Ich habe gleich gesagt, ich würde auch gern mit auf die Bühne. Aber, sagte ich, »das Studium geht vor!« – was sich aber nach ein, zwei Jahren als Illusion erwies, weil wir sehr erfolgreich wurden.
Habt Ihr zu Ende studiert?
Dieter: Nein, niemand.
Und Du, Vridolin?
Vitti: Ich habe 1969 in einer kleinen Stadt in Westfalen Abitur gemacht. Mein Vater war der Dorflehrer und ich hatte schon seit einem Jahr nichts anderes mehr im Sinn, als die Haare wachsen zu lassen. Als ich zum Studieren nach Köln an die Musikhochschule ging, gab es den Marxistischen Studentenbund Spartakus, und dadurch hörte ich von den Konzerten von Floh de Cologne. Ich habe sie das erste Mal an der Uni gesehen, tausend Leute waren da. Ich war wie erschlagen. Unglaublich! Es kribbelt mir heute noch.
Ungefähr vier Monate vor meinem Abschluss kam einer zu mir und sagte: »Hör mal, die Flöhe suchen einen Neuen, das wäre doch was für dich.« Dann habe ich angerufen bei Floh de Cologne, es gab eine Sitzung bei Gerd Wollschon, und schon da sollte ich mich vorstellen. Aber ich glaube, das Wichtigste war, dass ich in der kommunistischen Partei war.
Ihr wart also schon Kommunisten, bevor Ihr Bandmitglieder wurdet?
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Dieter Klemm fing 1967 bei Floh de Cologne als »Geschäftsführer« an und blieb Band-Manager bis zum Ende. Danach arbeitete er weiter im Kulturmanagement und war tätig in der Initiative »Künstler in Aktion«.
Vridolin Enxing ist 1973 als »revolutionärer Volontär« bei Floh de Cologne eingestiegen, spielte anschließend Keyboard, Cello, Gitarre und Bass und komponierte Stücke bis zur Auflösung der Band. Danach war er als freischaffender Komponist tätig und gründete 1998 das International Munich Art Lab (IMAL), wo er bis 2022 die künstlerische Leitung ausübte.