01. Mai 2025
Ein rechtsextremer »Volkskanzler« konnte in letzter Minute verhindert werden. Doch Herbert Kickl denkt in größeren Zeiteinheiten.
»Kickl zielt auf die längere Frist. Dafür nimmt er kurzfristige Dämpfer in Umfragewerten nach den gescheiterten Regierungsverhandlungen ebenso in Kauf wie Querschüsse aus den eigenen Reihen.«
Herbert Kickl, der FPÖ-Chef, der seine Partei auf den ersten Platz bei den Nationalratswahlen geführt hat, sei »das beste Pferd der Linken«, schrieb der Historiker Lothar Höbelt Anfang 2025 in einem wütenden Blogbeitrag. Dass Kickl die »aller Voraussicht nach nie wiederkehrende Chance« vorübergehen ließ, der erste »freiheitliche« Bundeskanzler Österreichs zu werden, ließ ihn fassungslos zurück – alles verloren, »nur weil sich unser Alberich von Radenthein auf das Innenministerium kapriziert«.
Lothar Höbelt ist nicht irgendwer in Österreich, sondern gilt als der Vorzeige-Intellektuelle der Rechten. Er schrieb in den 1990er Jahren das FPÖ-Parteiprogramm mit, mit dem Jörg Haider beispiellose Erfolge erzielte. Heute sitzt er etwa im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Seine Vorlesungen an der Uni Wien wurden in den 2000ern regelmäßig von antifaschistischen Studierenden gestört. Dass er seine rhetorische Klinge gegen die eigenen Leute führt, ist selten. Getroffen hat er aber. Alberich ist der tyrannische Zwerg in Wagners Ring der Nibelungen, Radenthein der wenig sagenhafte Geburtsort des FPÖ-Chefs. Herbert Kickl ist keine 1,68 Meter groß.
Es gibt also durchaus Unmut unter den Rechten darüber, dass es die FPÖ nach ihrem Wahlsieg vom Oktober 2024 nicht ins Regierungsamt geschafft hat. Und das, obwohl die konservative ÖVP ihr Wahlkampfversprechen, Kickl keinesfalls zum Kanzler zu machen, schon gebrochen hatte, indem sie in Koalitionsverhandlungen mit den Rechtsextremen eingetreten war. Als alle schon mit einer FPÖ-geführten Regierung gerechnet hatten, ließ aber ausgerechnet Kickl die Verhandlungen platzen.
»Der Pol der Korruption war seit der Jahrtausendwende der stärkere in der FPÖ. Ihm gegenüber stehen jedoch Kräfte, die den Staat nicht bloß ausnehmen, sondern dessen Macht einsetzen wollen, um die Gesellschaft nachhaltig umzugestalten.«
Er verlangte das Innen- und Finanzministerium, dazu die Medienagenden und die Freiheit, auf Konfrontation mit den EU-Institutionen zu gehen. Dass die ÖVP da nicht mitgehen konnte, war wohl taktisch eingepreist. So bleibt die FPÖ eben noch etwas länger in der Opposition. Kickl rechnet offenbar damit, dass er beim nächsten Mal aus noch stärkerer Position in Regierungsverhandlungen gehen kann. Anders als Höbelt sieht er eine noch bessere Chance auf sich zukommen.
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Benjamin Opratko ist Politikwissenschaftler und Redakteur der in Wien erscheinenden Zeitschrift Tagebuch.