15. November 2022
Die französischen Ölarbeiterinnen und Ölarbeiter sind gegen die explodierenden Preise in den Streik getreten. Wie die organisierte Arbeiterschaft den Kampf gegen die Inflation anführen kann, erklärt der CGT-Vorsitzende Philippe Martinez im JACOBIN-Interview.
Beschäftigte der CGT streiken für bessere Löhne, Renten und gegen die immensen Preissteigerungen, Toulouse, 10. November 2022.
IMAGO / NurPhotoAuch in Frankreich hinken die Löhne den steigenden Preisen hinterher, im ganzen Land kommt es deshalb zu Streiks. Am meisten beachtet wurde, dass die Beschäftigten der Raffinerien von Total und Exxon Mobil eine 10-prozentige Lohnerhöhung gefordert haben. Denn der Widerstand der Arbeitgeber hat zu einer landesweiten Benzinknappheit geführt. Bus- und U-Bahn-Fahrerinnen, Lagerarbeiter, Lehrerinnen, Mitarbeiter von Kernkraftwerken, Kassiererinnen und andere haben sich in den letzten Wochen dem Kampf angeschlossen – der Druck auf Politik und Unternehmensleitungen wird immer größer.
Angeführt von der Confédération Générale du Travail (CGT), dem radikaleren der beiden großen französischen Gewerkschaftsverbände, haben die Gewerkschaften seit September mehrere Tage lang landesweite Proteste und Streiks durchgeführt, zuletzt am 10. November. Auch Frankreichs Linksbündnis, die Nouvelle Union Populaire Écologique et Sociale (NUPES), hat im Oktober einen eigenen Protestmarsch in Paris »gegen die hohen Lebenshaltungskosten und die klimapolitische Untätigkeit« organisiert.
Um mehr über die Streiks und die turbulente politische Lage in Frankreich zu erfahren, hat JACOBIN mit dem Vorsitzenden der CGT, Phillipe Martinez, gesprochen. Im Interview spricht er über den aktuellen Arbeitskampf, Potenziale von neuen Bündnissen, seine Beziehung zu den NUPES-Parteien und darüber, warum er an die internationale Solidarität glaubt – von Palästina bis zur Ukraine.
Warum streiken die französischen Arbeiterinnen und Arbeiter zurzeit?
Der Grund dafür ist einfach: Die Mehrheit von ihnen erhält zu geringe Löhne. Schon seit Anfang des Jahres war die Lage schwierig. Da gab es bereits einige Streikbewegungen, die für höhere Löhne zu kämpften, aber der rasante Anstieg der Preise hat die Situation nochmals verschlimmert. Darum geht es auch jetzt im Wesentlichen um Lohnerhöhungen.
Die CGT hat an mehreren Tagen zu landesweiten Streiks und Protesten aufgerufen. Zuletzt, etwa am 27. Oktober, war die Beteiligung aber nicht sehr hoch. Warum bekommt die Bewegung nicht noch mehr Unterstützung?
Es gibt einerseits Proteste und andererseits Streiks. Das ist nicht dasselbe. Die Demonstrationen sind zwar öffentlich sehr sichtbar, aber sie sind nur die Spitze des Eisbergs. In vielen Unternehmen wird zwar gestreikt, aber nicht alle Streikenden besuchen auch die Proteste. Wenn es am Arbeitsplatz einen Streikposten gibt, bleiben sie manchmal lieber dort, als zur Demonstration zu gehen.
»Die Gewerkschaften sind zwar diejenigen, die zum Streik aufrufen. Aber es sind die Arbeiterinnen und Arbeiter, die am Ende streiken; und sie streiken auch, wenn sie nicht in einer Gewerkschaft sind.«
Zweitens wurde viel über die Streiks in den Raffinerien gesprochen, weil sie sich direkt auf das Leben im Land auswirken. Dasselbe gilt für Streiks in den Verkehrsbetrieben. Aber viele andere Unternehmen hatten längere Streiks, die von den Medien bloß weniger beachtet werden. Es ist nicht an mir, zu erklären, woran das liegt. Was ich aber sagen kann, ist, dass derzeit viele Arbeiterinnen und Arbeiter für höhere Löhne streiken, und dass es eine Kluft zwischen der Zahl der Streikenden und der Zahl der Demonstrierenden gibt.
Welche anderen Streiks meinst Du zum Beispiel?
Bei Safran, einem Hersteller von Flugzeugtriebwerken, gibt es derzeit Streiks. Auch bei den Subunternehmern von Safran wird gestreikt, etwa bei Lisi. Und im Energiesektor, bei Électricité de France [EDF], Réseau de Transport d'Électricité [RTE, Frankreichs Stromnetzbetreiber], und Gaz Réseau Distribution France [GRDF], dem Gasnetzbetreiber des Landes. Es gibt auch Streiks bei [der Supermarktkette] Carrefour. Ich kann nicht alle aufzählen, das würde zu viel Zeit kosten. Aber es gibt Streiks in vielen verschiedenen Branchen. Manchmal sind sie auf unbestimmte Zeit angelegt, manchmal sind es eher begrenzte Aktionen, aber es gibt eine Menge.
Diese Streiks zeigen, dass die CGT in der Lage ist, ihre Mitglieder in bestimmten Bereichen der französischen Wirtschaft zu mobilisieren – im öffentlichen Sektor, im Verkehrswesen, im Energiesektor –, aber in anderen Sektoren ist es schwieriger, sich zu etablieren. Das gilt natürlich nicht nur für die CGT. Aber wie lässt sich diese Basis der Mitglieder und Unterstützer der Gewerkschaft ausweiten?
Bei dieser Frage muss man mehrere Aspekte berücksichtigen. Erstens konzentrieren sich die Medien, wie gesagt, auf die Streiks, die sich auf das tägliche Leben der Menschen auswirken. Wenn es kein Benzin gibt, kriegen das alle mit. Über den Streik bei einem Zulieferer der EDF, einem kleinen Unternehmen in der Stadt Bagnères-de-Bigorre, hat hingegen niemand gesprochen – obwohl er ganze 45 Tage anhielt.
Zweitens: Streiks hängen in Frankreich nicht unbedingt vom Organisationsgrad der Gewerkschaften ab. Sonst gäbe es sie gar nicht. Viele Kolleginnen und Kollegen im Ausland verstehen nicht, wie es bei einem so niedrigen Organisationsgrad so viele Streiks geben kann. Das ist eine der Besonderheiten von Frankreich. Die Gewerkschaften sind zwar diejenigen, die zum Streik aufrufen. Aber es sind die Arbeiterinnen und Arbeiter, die am Ende streiken; und sie streiken auch, wenn sie nicht in einer Gewerkschaft sind.
Der dritte Punkt ist die Vielfalt der Streikbewegungen, die nicht nur von der CGT ausgehen. Zum Beispiel hat die Confédération Française Démocratique du Travail [CFDT, der andere große Gewerkschaftsbund] kürzlich einen Streik für höhere Löhne in einem Thermalbad in Cambo-les-Bains angeführt.
Aber mal abgesehen von der Frage der Streiks, wie kann man jene Bereiche gewerkschaftlich organisieren, in denen es nur wenige Mitglieder und keine Gewerkschaftskultur gibt? Ich denke dabei an die Logistik, große Einzelhändler, Restaurants oder den Bausektor.
Wir haben bezüglich der veränderten Wirtschaft und der Weiterentwicklung unserer Gewerkschaften noch einiges zu tun. Vor vierzig Jahren gab es mehr große Unternehmen, und innerhalb dieser Unternehmen hatten die meisten Menschen den gleichen Beschäftigungsstatus. Aufgrund von Outsourcing haben mittlerweile aber viele Beschäftigte, selbst am gleichen Arbeitsplatz, rechtlich einen anderen Status als ihre Kolleginnen und Kollegen.
»Die Gewerkschaftsarbeit muss die heutige Arbeitswelt widerspiegeln, nicht die optimale Arbeitswelt, von der wir träumen.«
Die CGT muss dieser Tatsache Rechnung tragen, was sie gegenwärtig sicherlich nicht ausreichend tut. Wir müssen zu diesen Arbeiterinnen und Arbeitern gehen und zeigen, dass die Gewerkschaft an allen interessiert ist – nicht nur an den Beschäftigten in großen Unternehmen oder im öffentlichen Dienst oder an denjenigen mit unbefristeten Arbeitsverträgen. Die Gewerkschaftsarbeit muss die heutige Arbeitswelt widerspiegeln, nicht die optimale Arbeitswelt, von der wir träumen. Vor dieser Herausforderung stehen wir heute.
Es gibt auch bei uns Veränderungen, aber wir sind nicht so schnell wie die Umbrüche in der Arbeitswelt. Das ist eine echte Bewährungsprobe für alle Gewerkschaften, nicht nur für die CGT.
Du hast die Berichterstattung über die jüngsten Streiks erwähnt, die mitunter sehr heftig ausfällt. Die CGT wurde in den letzten Wochen als »Geiselnehmer« bezeichnet und beschuldigt, »das ganze Land zu blockieren«. Was denkst Du über diese Feindseligkeit der Presse? War das schon immer so, oder ist es schlimmer geworden?
Man kann nicht alle Medien über einen Kamm scheren. Es gibt die nationalen Medien und das Fernsehen, es gibt aber auch regionale Zeitungen, die anders berichten, weil sie näher am Geschehen sind. Ich möchte nicht pauschal über »die Medien« sprechen.
Bestimmte Medien haben die CGT nie geschätzt. Wenn ich sage, dass [die konservative Zeitung] Le Figaro uns nicht mag, dann überrascht das niemanden. Aber die Presse konzentriert sich zunehmend in den Händen einer kleinen Gruppe von Personen. Und die Berichterstattung über die CGT hat sich dadurch nicht gerade verbessert. Medienbarone mit Namen wie Dassault und Bolloré sind keine Freunde unserer Gewerkschaft.
Daneben wird auch in den Redaktionen selbst gestritten. Du hast vielleicht die Geschichte über mein Interview in Le Parisien gehört, das zensiert wurde. [Die Veröffentlichung war schon geplant, wurde dann aber zurückgezogen.] Das hat innerhalb der Redaktion heftige Reaktionen seitens Journalistinnen und Journalisten ausgelöst, die das nicht in Ordnung fanden.
Dass es so viel Hass gibt, ist inakzeptabel. Gleichzeitig bringt es mich zum Lachen, denn in manchen Zeitungen liest man, dass die CGT nicht mehr existiert, dass sie keine Rolle spielt und keine Mitglieder mehr hat, und so weiter – aber sobald es einen Streik gibt, sind wir für alles Schlechte in diesem Land verantwortlich. Die Wahrheit liegt vielleicht irgendwo in der Mitte.
Im Ausland interessiert auch das Verhältnis zwischen französischen Gewerkschaften und Parteien – genauer gesagt, das Verhältnis zwischen der CGT und der NUPES, in dem es immer wieder zu Spannungen kommt. Vor einigen Wochen hat die NUPES eine Demonstration gegen die Preiskrise in Paris organisiert, die von Deinem Gewerkschaftsbund nicht unterstützt wurde. Neulich kritisierte Dich der NUPES-Vorsitzende Jean-Luc Mélenchon und schien seine Strategie einer »Volksfront« mit den Gewerkschaften aufgeben zu wollen. Ich weiß, dass es nicht so einfach ist, aber außerhalb Frankreichs fragt man sich oft: Warum vertragen sie sich nicht einfach? Warum können sie sich angesichts des Aufstiegs der extremen Rechten und einer gewerkschaftsfeindlichen Regierung nicht einfach arrangieren?
Das ist eine weitere Besonderheit von Frankreich. Anders als in vielen Ländern ist die Gewerkschaftsbewegung hier weitgehend unabhängig von politischen Parteien. Es ist nicht wie in den USA, wo die Gewerkschaften regelmäßig zur Wahl der Demokraten aufrufen oder sogar Kampagnen für sie durchführen, oder wie in Deutschland, wo die Verbindungen zwischen dem DGB und der SPD sehr stark sind, oder wie in Großbritannien, wo die Labour Party und die Gewerkschaften sehr eng verbunden sind. In Frankreich gibt es eine Kultur der gewerkschaftlichen Unabhängigkeit – auch wenn das für die CGT nicht immer galt. [Die CGT war lange mit der Kommunistischen Partei verbunden und die Vorsitzenden des Gewerkschaftsbundes waren bis 1996 stets auch Teil der Parteiführung.]
»Die Forderungen müssen klar sein, und die Forderungen von Arbeiterinnen und Arbeitern zu bündeln, ist Aufgabe der Gewerkschaften.«
Wir legen großen Wert auf diese Unabhängigkeit. Und im Namen dieser Unabhängigkeit glauben wir, dass wir durchaus zusammenarbeiten können, aber dass es nicht die Aufgabe von Politikerinnen und Politikern ist, etwa zu Generalstreiks aufzurufen.
Denkst Du dabei an Sandrine Rousseau [eine prominente Abgeordnete der Grünen]?
Ja, zum Beispiel. Soziale Forderungen sind die Angelegenheit von Gewerkschaften. Darüber haben wir auch mit den Verantwortlichen der NUPES gesprochen. Der Slogan »Kampf gegen die steigenden Preise« entspricht nicht unseren Forderungen. Wir kämpfen für höhere Löhne. Sie haben das vielleicht nicht beabsichtigt, aber »Kampf gegen die steigenden Preise« kann auch im Sinne des Kaufkraftgesetzes der Regierung interpretiert werden, das die NUPES im Sommer zu Recht abgelehnt hat.
Die Forderungen müssen klar sein, und die Forderungen von Arbeiterinnen und Arbeitern zu bündeln, ist Aufgabe der Gewerkschaften. Wir sind nicht gegen Verbindungen zwischen sozialen und politischen Bewegungen. Es muss sogar Verbindungen geben. Aber die Unabhängigkeit der Gewerkschaften muss gewahrt bleiben. Die NUPES sollte also auf unsere Forderungen aufbauen und nicht versuchen, an unserer Stelle zu handeln.
Mélenchon hat seine eigene Interpretation der Beziehungen zwischen Gewerkschaften und politischen Parteien. Er gibt fast offen zu, dass er es als seine Aufgabe versteht, ein solches Bündnis anzuführen. Das sehen wir anders.
Bewertest Du denn die Existenz von NUPES als vereinigtem Linksbündnis prinzipiell positiv?
Ja, natürlich. Politische Bewegungen kämpfen auch für die sozialen Forderungen, für die wir eintreten. Sei es bei der Rente, dem Lohn, der Erhöhung des Mindestlohns und so weiter. Natürlich können wir mit den NUPES-Parteien mehr erreichen als mit den Parteien, die Macron unterstützen, und erst recht mehr als mit den Rechten, die noch wirtschaftsliberalere Positionen vertreten.
Und was hältst Du von dem anderen großen Gewerkschaftsbund, der CFDT? Diese kritisiert die von der CGT unterstützten Raffineriestreiks, ist generell gegen Proteste auf der Straße und hebt immer wieder die Relevanz von Verhandlungen mit den Arbeitgebern und der Regierung hervor. Ist sie eine Verbündete? Eine Gegnerin? Beides?
Weder noch. Die CFDT ist eine bedeutende Gewerkschaft in Frankreich, zumal sie seit Kurzem die meisten gewählten Arbeitnehmervertreter stellt. Und wir haben Berührungspunkte – etwa beim Thema Rente sind wir uns einig, dass wir gegen eine Anhebung des Rentenalters oder eine Erhöhung der Mindestbeiträge für die vollständige Rente sind.
Es gibt aber auch wichtige Unterschiede, zum Beispiel bezüglich Tarifverhandlungen. Die CFDT ist der Ansicht, dass die Verhandlungen in erster Linie auf Unternehmensebene und ohne einen gemeinsamen Rahmen geführt werden müssen. Wir vertreten das genaue Gegenteil: Nämlich dass es zunächst einen gemeinsamen Rahmen für alle Arbeiterinnen und Arbeiter braucht, auf den wir dann mit Verhandlungen in verschiedenen Branchen und Unternehmen aufbauen können. Diese Differenzen kamen 2016 in den Debatten über die Arbeitsrechtsreform und dann über Macrons Verordnungen sehr deutlich zum Ausdruck.
»Es ist meiner Meinung nach Teil der Tradition der CGT, sich mit Arbeiterinnen und Arbeitern aller Länder zu solidarisieren.«
Das ist ein schrecklicher Fachbegriff, aber wir nennen das die Verkehrung der »Normenhierarchie«. Wir glauben an einen gemeinsamen Rahmen – es gibt als Grundlage das Gesetz, das wird durch die berufsweiten Tarifverträge verbessert, und dann verbessern wir in den Unternehmen diese Tarifverträge noch einmal. Die CFDT glaubt hingegen, dass alles auf Unternehmensebene beginnen muss. Wir stimmen dem nicht zu, denn wenn alles auf Unternehmensebene geschieht, entstehen Unterschiede bei der Bezahlung und den Arbeitsstandards. Das ist der Hauptunterschied zwischen der CGT und der CFDT.
Wie beurteilst Du Macrons zweite Amtszeit bisher?
Vor der Wahl hat er beteuert, dass er sich verändert habe. Wir finden, dass er derselbe geblieben ist, nur noch schlimmer. Er hört einfach nicht zu.
Zum Schluss möchte ich noch über außenpolitische Fragen sprechen. Du warst kürzlich im Westjordanland.
Wir stehen schon lange in Kontakt zu palästinensischen Gewerkschaften und der Palestinian General Federation of Trade Unions [PGFTU]. Ich möchte aber klarstellen, dass wir im Rahmen dieser Reise auch in Israel waren.
In einer Welt, die von gleich mehreren Konflikten – und einem in unserer Nähe, in der Ukraine – erschüttert wird, vergessen wir manchmal einen sehr alten Konflikt: die Situation in Palästina, dem Westjordanland und Gaza. In unseren internationalen Beziehungen sprechen wir mit allen, und wir wollen auch auf die Situation im Westjordanland aufmerksam machen. Nachdem die CGT zuletzt 2013 dort war, wollten wir jetzt zurückkehren, um die aktuelle Lage zu verstehen. Und die Situation hat sich seitdem sehr verschlechtert.
Es ist meiner Meinung nach Teil der Tradition der CGT, sich mit Arbeiterinnen und Arbeitern aller Länder zu solidarisieren, die sich in Schwierigkeiten befinden – insbesondere im Westjordanland, wo die Situation sich durch die israelischen Siedlungen noch einmal deutlich verschärft hat. Hier solidarisch zu sein, gehört zur Tradition der CGT, ebenso wie wir an der Seite der Uiguren in China stehen, die ebenfalls unterdrückt werden. Wir wollen, dass weltweit alle leidenden Menschen nach internationalem Recht und den Resolutionen der Vereinten Nationen gleich behandelt werden. Niemand kann leugnen, dass über Putins schrecklichen Überfall auf die Ukraine und der Situation in Palästina sehr unterschiedlich berichtet wird. So wie wir als CGT die ukrainische Bevölkerung mit einem humanitären Konvoi und Hilfsgütern unterstützt haben, sind wir auch nach Palästina gegangen, um uns ein Bild von der Situation der Arbeiterinnen und Arbeiter vor Ort zu machen.
In den USA organisieren sich gerade die Beschäftigten bei Amazon und Starbucks. Beobachtet Ihr auch solche Entwicklungen?
Wir beobachten sie nicht nur, wir unterstützen sie aktiv. Wir tauschen uns regelmäßig mit der Kampagne für einen Mindestlohn von 15 Dollar ausgetauscht. Und wir sprechen auch regelmäßig mit unseren Kolleginnen und Kollegen in den USA über Amazon und McDonald's. Die Verbindungen sind stark, und trotz der Versuche, die Arbeiterinnen und Arbeiter verschiedener Länder gegeneinander auszuspielen, können wir sehen, dass sich unsere Forderungen bei den Arbeitsrechten überschneiden – vor allem beim Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
So wie wir Beschäftigte US-amerikanischer Unternehmen in Frankreich organisieren, organisieren US-Gewerkschaften Beschäftigte französischer Unternehmen in den USA – etwa im Kampf für das ganz banale Recht, eine Gewerkschaft zu gründen. Vor einigen Jahren konnte ich das Nissan-Werk in Canton, Mississippi besuchen, wo ich mit Arbeiterinnen und Gewerkschaftern gesprochen habe, die dafür kämpften, mit den United Auto Workers eine Gewerkschaft in ihrem Unternehmen gründen zu können. [Der französische Staat ist über seine 15-prozentige Beteiligung an Renault indirekt an Nissan beteiligt.] Wir stehen immer noch in Kontakt zu den Beschäftigten dieser Fabrik und sind solidarisch mit allen Kämpfen, die in den USA stattfinden.
Philippe Martinez ist Vorsitzender des französischen Gewerkschaftsverbands Confédération Générale du Travail (CGT).