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17. Oktober 2025

Der Friedens­nobelpreis geht indirekt doch an Trump

Die Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado ist zwar nicht Donald Trump, unterstützt jedoch dessen militärische Drohgebärden gegenüber Venezuela. Im schlimmsten Fall könnte der US-Präsident dies als Segen für einen neuen Krieg verstehen.

María Corina Machado auf einer Demonstration im Januar 2025 in Caracas.

María Corina Machado auf einer Demonstration im Januar 2025 in Caracas.

IMAGO / NurPhoto

Der Friedensnobelpreis 2025 wurde am 10. Oktober in Oslo an María Corina Machado aus Venezuela vergeben. Sie wurde laut Nobelkomitee für ihren unermüdlichen Einsatz für die demokratischen Rechte des venezolanischen Volkes ausgezeichnet.

Machado ist Sprössling einer wohlhabenden Industriellenfamilie. Ihr Vater Henrique Machado Zuloaga war Vorsitzender des Stahlunternehmens Siderúrgica Venezolana Sivensa, dem zweitgrößten Stahlproduzenten Venezuelas in Caracas. Sie war somit seit Beginn der Regierung Chávez Teil der natürlichen Opposition und Befürworterin des gescheiterten Putsches gegen Chávez 2002. Mit zunehmender Autokratisierung, vor allem seit dem Beginn der Präsidentschaft von Maduro, geriet Machado ins Visier der Machthaber in Caracas. Zuletzt wurde ihr die Teilnahme an Wahlen verweigert.

Bevor Machado der diesjährige Friedensnobelpreis zuerkannt wurde, kannten wohl nur wenige Politiker und Kommentatoren ihren Namen. Trotzdem ist es schwer zu glauben, wie ahnungslos und dilettantisch die Entscheidung des Nobelkomitees von allen Seiten bewertet wird. Ganz zu schweigen davon, dass kaum jemand die Gefahr zu sehen scheint, die mit der Verleihung einhergeht.

»Der Konsens unter Konservativen und Rechten lässt sich so zusammenfassen: Trump wurde mal wieder ein verdienter Sieg vom links-grünen Establishment geklaut.«

Große Verwirrung

Steven Cheung, der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, warf dem Nobelkomitee vor, Politik über Frieden gestellt zu haben. Auch der Aufschrei in den konservativen Medien und unter rechten Influencern war groß. Konservative bis Rechte Kommentatoren empörten sich darüber, dass Trump den Preis nach seiner Selbstnominierung nicht gewonnen hat. Ulf Poschardt hatte in der Welt bereits vorab eine Laudatio auf den vermeintlichen Friedenspräsidenten geschrieben, wo er auch nochmal unterstrich, dass Trump immer loyal an der Seite Israels stand. So dumm, so erwartbar.

Der Twitter-Account »MAGA Voice«, dem mehr als 1,3 Millionen Nutzerinnen und Nutzer folgen, kommentierte: »Irgendeine beliebige Person, die niemand kennt, Maria Machado, hat gerade den Friedensnobelpreis gewonnen. Jeder mit Verstand weiß, dass Donald Trump ihn hätte gewinnen sollen.« Auch die AfD bläst ins selbe Horn. Alice Weidel erklärte, dass Trump den Friedensnobelpreis »selbstverständlich verdient« habe. Der Konsens unter Konservativen und Rechten lässt sich so zusammenfassen: Trump wurde mal wieder ein verdienter Sieg vom links-grünen Establishment geklaut.

Die Pfarrerin Margot Käßmann dagegen befindet die Entscheidung für Machado im Freitag für »großartig«. Sie freue sich, dass das Komitee damit ein Zeichen setzt – auch gegenüber einem selbstverliebten Machtmenschen. Der Grüne Jürgen Trittin kommentierte: »Souveräne Entscheidung. Gleich zwei Autokraten kotzen ab.« Gemeint sind damit Maduro und Trump. Diese unterkomplexen Kommentierungen Gipfeln in Teilen der Bluesky-Wohlfühl-Bubble, für die es zur Freude ausreicht, dass eine Frau und nicht Trump gewonnen hat. Vollkommen egal, wer diese Frau ist. »Hauptsache nicht Trump«, so lässt sich die linksliberale Lesart zusammenfassen.

»Ad absurdum geführt wurde der konstruierte Antagonismus in Machados Erklärung zur Verleihung des Friedensnobelpreises, den sie direkt Trump widmete.«

Beide Lager eint nicht nur die fehlende politische Analyse, sondern auch eine Fokussierung auf Einzelpersonen und die Konstruktion eines Antagonismus, wo keiner ist. Der USA-Korrespondent Bastian Brauns beschreibt Machada in T-Online sogar als »Gegenentwurf zu Trump«. Nichts könnte falscher sein.

Machado ist tief verbunden mit der internationalen Rechten. Sie ist Teil eines Netzwerks, das unter anderem auch den argentinischen Präsidenten Javier Milei und die spanische Partei Vox umfasst und pflegt enge politische Beziehungen zum Umfeld von Donald Trump in den USA. Ad absurdum geführt wurde der konstruierte Antagonismus zwischen Machado und Trump in ihrer Erklärung zur Verleihung des Friedensnobelpreises, den sie direkt Trump widmete.

Das Nobelkomitee gießt Öl ins Feuer

Was durch diese mal wieder unterkomplexe Debatte um Personen und Identitätspolitik untergeht: Die Vergabe des Friedensnobelpreises an María Corina Machado ist brandgefährlich. Machado setzt sich für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Venezuela ein, die vor allem die Armen im Land treffen und neben Korruption einer der Hauptgründe für den wirtschaftlichen Niedergang Venezuelas sind. Und noch krasser: Sie befürwortet und fordert immer wieder eine direkte Intervention der USA in Venezuela, um einen Regime Change herbeizuführen.

Die Verleihung des Friedensnobelpreises kommt dabei zur Unzeit. Die Situation zwischen den USA und Venezuela spitzt sich seit Monaten immer weiter zu. Trump forderte von Venezuela zuletzt die »unverzügliche Rücknahme« von Migranten, insbesondere von Insassen psychiatrischer Einrichtungen, von denen er behauptet, sie seien gezielt in die USA geschickt worden. Er droht Venezuela mit »unabsehbaren Folgen«, falls Präsident Maduro dem nicht nachkomme: »Bringt sie sofort aus unserem Land raus, sonst wird der Preis, den ihr dafür zahlen müsst, unermesslich sein!«

»Trump wurde in seiner aggressiven Venezuela-Politik mehr als bestätigt und ihm wurde ein weiterer Mosaikstein für eine Intervention in die Hand gedrückt.«

Dass das keine leeren Drohungen sind, zeigt die aktuelle Stationierung von sieben US-Kriegsschiffen und einem Atom-U-Boot vor Venezuelas Küste – offiziell zur Bekämpfung von Drogenkriminalität. Am Mittwoch kündigte Trump außerdem an, dass er der CIA erlaube, in Venezuela tätig zu werden, um »illegale Drogenströme zu bekämpfen«, und deutete an, dass Militäroperationen bald auch »an Land« stattfinden könnten. Angesprochen auf die konkreten Drohungen und Handlungen Trumps befürwortete Machado diese.

Venezuela rüstet als Reaktion auf die US-Präsenz massiv auf, versetzt die eigene Armee in Alarmbereitschaft und beschwert sich bei der UNO. Eine US-Intervention in Venezuela scheint nicht mehr undenkbar. Zumal Venezuela auf den größten Erdölreserven der Welt sitzt. Trump mag also – wie rechte und linksliberale Kommentatoren es verkaufen – persönlich nicht gewonnen haben. In seiner aggressiven Venezuela-Politik wurde er aber mehr als bestätigt und ihm wurde ein weiterer Mosaikstein für eine Intervention in die Hand gedrückt. Neben den Klassikern Drogenkriminalitätsbekämpfung, Antikommunismus und Demokratieexport kommt jetzt noch die Befreiung einer Friedensnobelpreisträgerin als möglicher Vorwand hinzu und könnte ein weiterer kleiner Schritt hin zu einer Intervention der USA in Venezuela sein.

David Weiser ist Politologe an der Uni Halle (Saale) und aktives Mitglied der Partei Die Linke.