13.06.2021
An der gesellschaftlich notwendigen Arbeit müssen wir uns alle beteiligen. Über die verbleibende Zeit schulden wir niemandem Rechenschaft.
ILLUSTRATION Bartholomäus Zientek
Wer psychisch und physisch in der Lage dazu ist, der sollte arbeiten – wer dies nicht tut, leider oft darunter. Die psychologischen Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit sind in vielen Fällen verheerend. Die meisten, denen dauerhaft das Gefühl vermittelt wird, nicht gebraucht zu werden, verlieren über die Zeit zumindest einen Teil ihres Selbstwertgefühls. Das Recht auf Teilhabe an gesellschaftlich sinnvoller Arbeit zu anständigem Lohn sollte deshalb zum Grundkonsens sozialistischer Politik gehören.
Aber ist dieser Gedanke nicht überholt, teil einer toxischen Arbeitskultur, die für das 21. Jahrhundert untauglich geworden ist? So argumentieren zumindest viele Fürsprecherinnen eines bedingungslosen Grundeinkommens. Man solle Menschen lieber ökonomisch absichern und es ihnen erlauben, sich selbständig ihre Rolle in der Gesellschaft zu suchen, ohne Zwang und Verbindlichkeit. Angeblich trauern nur hängenge bliebene Retro-Sozialisten der Vollbeschäftigung nach.
Hinter dieser antiautoritären Fassade verbirgt sich jedoch ein viel tieferer Produktivitätswahn, als man ihn Sozialistinnen und Sozialisten jemals vorwerfen könnte. Denn die Erwartungshaltung, sich nach Erhalt des Existenzminimums ganz freiwillig »Sinnvollem« zuzuwenden, ist nur eine weitere Spielart des Zwangs zur Selbstoptimierung in der Marktgesellschaft. Als Kompensation für Sorgearbeit ist das BGE ein wenig zielgenaues Instrument. Wer sich wirklich Vollzeit um andere kümmert, hat mehr verdient als ein Existenzminimum. Die »Freiheit«, die das BGE verspricht, zielt eher auf Selbstentfaltung ab – daher sein besonderer Appeal unter Kreativen. Die unausgesprochene Erwartung lautet, das Leben über die Erwerbsarbeit hinaus als zielorientierte Karriere zu begreifen.
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