17. September 2020
Es begann in der Gaming-Szene und mündete in Trumps Präsidentschaft: Bis heute agitiert die Neue Rechte gegen identitätspolitische Kulturkämpfe – die Steilvorlage liefert ihnen ein weichgespülter Feminismus ohne Klassenpolitik.
Der Journalist Milo Yiannopoulos wurde im Zuge der Debatte zu einem zentralen Fürsprecher für Trump.
Das Private ist politisch geworden.Zumindest wurde die Palette politischer Auseinandersetzungen nachhaltig um verschiedene einst als privat geltende Angelegenheiten erweitert. Unter diesen scheint das Geschlecht eine herausragende Bedeutung zu haben. In Form vielfältiger geschlechtspolitischer Forderungskataloge ist das Geschlecht von der Hinter- auf die Vorderbühne getreten und Gegenstand zahlreicher öffentlicher Auseinandersetzungen geworden. Wenn auch der Begriff »Geschlechterpolitik« zunächst an feministische Kämpfen denken lässt, so sind in jüngerer Zeit vor allem Gegenbewegungen wie der Anti-Feminismus, der Anti-Genderismus oder auch der Maskulismus als eigenständige Formen der Geschlechterpolitik sichtbar geworden.
Ein Beispiel dafür ist die als »Gamergate« bekannt gewordene Kontroverse innerhalb der Gaming-Szene. Ausgelöst wurde diese im Jahre 2014 durch einen öffentlichen Blogpost. Darin warf der Programmierer Eron Gjoni seiner Exfreundin, der Spieleentwicklerin Zoë Quinn, vor, ihn während der gemeinsamen Beziehung mehrfach hintergangen zu haben. Die Privatfehde schwappte so über ins Internet in eine Teilöffentlichkeit von aktiven Gamerinnen und Gamern. Auf zahlreichen sozialen Netzwerken, Blogs und Boards stießen Gjonis Vorwürfe offenbar auf vorhandene Befindlichkeiten und katalysierten eine Debatte um Games, Spielejournalismus und Sexismus. Der Konflikt setzte politische Energien frei, die im US-amerikanischen Wahlkampf 2016 mündeten, und dort nicht unwesentlich zum Sieg des republikanischen Kandidaten Donald Trump beitrugen. Gamergate war ein Ereignis, dass zwar vor allem einen Teil der Gaming-Szene bewegte, aber in dieser auch wesentlich zur Kultivierung der geschlechtspolitischen Komponente des Protests gegen einen progressiven Neoliberalismus beigetrug, mit dem Trump letztendlich reüssierte.
Im Konflikt prallten – grob gesagt – zwei Seiten aufeinander. Auf der einen standen Spielerinnen und Spieler, die seit Längerem das Gefühl einte, die Computerspielekultur würde zunehmen von außen beeinflusst. Ihrer Meinung nach gehe es in der Spieleberichterstattung der Fachpresse und auf zentralen Websites inzwischen weniger um Computerspiele und viel mehr um fachfremde Themen. Und es war vor allem die kritische Auseinandersetzung mit der Kategorie »Geschlecht«, die ihren Unmut erregte. Sie hatten den Eindruck, die Kultur des Gamings würde nach und nach unterwandert, ja kolonisiert.
Auf der anderen Seite waren die, die für diese vermeintliche Vereinnahmung der Szene standen. Abschätzig bezeichnete die Gamergate-Bewegung sie als »Social Justice Warriors«, die schon seit Längerem versuchten, dem Gaming ihr politisches Programm aufzuerlegen.
»Man störte sich vor allen Dingen an der Themensetzung: Es ging um Feminismus, Sexismus und Geschlechterrollen.«
Auslöser des Streits war der bereits erwähnte Blogeintrag von Eron Gjoni, der sogenannte »Zoe Post«, in dem er kleinteilig die angeblichen Verfehlungen seiner Exfreundin aufzählte. Der Blog hätte vermutlich wenig Aufmerksamkeit bekommen, wenn es sich bei Zoë Quinn nicht um die Entwicklerin eines alternativen Indie-Games gehandelt hätte. In Quinns Depression Quest geht es um das Nacherleben von Depressionen. Das Spiel ist weder grafisch aufwändig noch hat es – im Vergleich zu den großen kommerziellen Spielen – Unterhaltungswert. Sein Anspruch ist vielmehr ein künstlerisch-sozialkritischer. Quinn erlangte mit dem Spiel einen gewissen Bekanntheitsgrad, da es unter anderem auch in der Spiele-Fachpresse diskutiert wurde. Der YouTuber »InternetAristocrat« zog daraufhinZusammenhänge zwischen eben jener Berichterstattung über Depression Quest und den Personen, die in Gjonis Blogpost erwähnt wurden. Quinn wurde daraufhin des Interessenskonfliktes beschuldigt, da auch der Spielejournalist Nathan Grayson einer der genannten Männer war, mit denen Quinn angeblich Affären gehabt haben soll. Grayson hatte im Januar 2014 eine Liste von Empfehlungen für Indie-Spiele veröffentlicht, unter denen Depression Quest besonders hervorgehoben wurde. Beiträge wie dieser galten als Beweis: Quinn und Grayson stünden stellvertretend für eine ganze Reihe von Akteurinnen und Akteuren, die die progressiven feministischen Ziele teilten – jedoch steckten sie vor allem sprichwörtlich unter einer Decke.
Wegen der oft frauenfeindlichen Vorwürfe wurde Gamergate nicht zu Unrecht Sexismus vorgeworfen. Insbesondere die feministische Video-Bloggerin Anita Sarkeesian wurde von Seiten der Bewegung scharf attackiert. Als Sarkeesian, die auf ihrem Kanal vornehmlich Sexismus in der Pop-Kultur kritisiert, begann, auch vermehrt Videospiele zu thematisieren, wurde sie besonders aus den Reihen der Gamergate-Bewegung angegangen. So wurde ihr etwa vorgeworfen, Beispiele aus dem Kontext zu reißen, zu verkürzen und damit auch zu verzerren. Einige warfen ihr vor, dass sie in Wahrheit gar nicht an Computerspielen interessiert sei und das Thema nur aufgegriffen habe, um sich eine weitere Nische zu erschließen und ein neues Publikum mit einem politisch passenden Angebot zu bespielen. Sarkeesian wurde unterstellt, dass ihr Kanal vor allem ihrer eigenen Bereicherung diene und nur zum Anschein einen sozialen Anspruch erwecke. Es folgten Shitstorms, Gewalt- und Morddrohungen.
Nach den Angriffen begannen auch größere Zeitungen über das Phänomen zu berichten. Diese öffentliche Berichterstattung wurde wiederum von einem Teil der Gamergate-Bewegung als unzutreffend und ungerecht wahrgenommen. Ihr Slogan wurde »Actually it’s about ethics in gaming journalism« (etwa »Eigentlich geht es um die Berufsethik des Gamingjournalismus«). Man fühlte sich missverstanden – wahrscheinlich absichtlich. Vor allem der Vorwurf des Sexismus und der Misogynie wurde vehement bestritten. Und dennoch: Gamergate war und ist vor allem ein geschlechtspolitischer Konflikt, an dem sich die politische Relevanz von Themen zeigt, die einst als unpolitisch galten. Auch wenn es der Selbstdarstellung von Gamergate nach zufolge vor allem um Standards des Spielejournalismus ging, so ist nicht zu leugnen, dass man sich vor allen Dingen an der Themensetzung selbst störte: Es ging um Feminismus, Sexismus und Geschlechterrollen.
»Ein zentrales Element der Neuen Rechten ist, dass sie sich bewusst gegenkultureller Codes bedient.«
Die Befindlichkeiten der Gamergate-Bewegung teilten darüber hinaus besonders in den USA offenkundig auch viele Menschen jenseits der Welt der Computerspiele. So nutzte der Publizist Milo Yiannopoulos die Bewegung vor allem als Sprungbrett in die Öffentlichkeit und trat im Rahmen der Debatte immer häufiger als lautstarker Provokateur auf. Während Gamergate schrieb er vor allem für das rechtskonservative Medienportal Breitbart. In seinen Beiträgen verteidigte er die Community und schwang sich zu einer Mischung aus Intellektuellem und Tribun auf. Seine nachhaltigste Leistung war es, dem gemeinsamen Gegner, den »Social Justice Warriors«, ein Gesicht zu geben und damit die Bewegungsdynamik zu befeuern: Seiner Erzählung nach habe die politische Linke diverse Interessengruppen verraten. Er selbst vertrat dabei einen Teil der Schwulen, denen die Linke als politische Bewegung nichts mehr zu bieten habe. Zwar war sie es, die einst für ihre Interessen gekämpft habe, als andere das noch nicht taten, doch vertrete sie heute nicht mehr die wahren Interessen der Homosexuellen, indem sie etwa offene Grenzen propagiere und dadurch homophobe Migrantinnen und Migranten aus islamischen Kulturkreisen ins Land lasse – die vermeintlich wahren Feinde der Schwulen.
Yiannopoulos Zielsetzung war es, die Interessen der Homosexuellen aus der traditionellen Vertretung durch die Linke herauszulösen. Er bezeichnete sich provokativ als »Dangerous Faggot« und trat als transgressiver Kulturkämpfer auf. Die Politologin Angela Nagle hat daher auch in Bezug auf ihn argumentiert, dass es ein zentrales Element der Neuen Rechten sei, dass diese sich bewusst der gegenkulturellen Codes – eines 1968er Habitus – bediene. Yiannopoulos, der besonders in den sozialen Netzwerken und an den amerikanischen Hochschulen präsent war, wurde ein wichtiger Hegemoniestreiter für Donald Trump.
Innerhalb der Gamergate-Kontroverse lieferte zwar der Feminismus ein klares Feindbild, dennoch fanden sich auch innerhalb der Bewegung Unterstützerinnen und Unterstützer, die sich selbst als feministisch bezeichneten und lediglich die »Social Justice Warriors«, die Linken und vor allem die »Liberals« ablehnten. Yiannopoulos versuchte diese Spaltung mit zu befördern, in dem er den ausgehöhlten Feminismus der »Social Justice Warriors« gegen einen vermeintlich »moderneren Feminismus« stellte, der nicht mehr von der politischen Linken repräsentiert würde.
Der Feminismus war zwar stets eine heterogene Bewegung, doch es ist eine jüngere Entwicklungen unserer Zeit, dass sich zunehmend Akteurinnen und Akteure, die alles andere als Linke sind, zum Feminismus bekennen – so etwa Ivanka Trump, die Unternehmerin und Tochter des US-amerikanischen Präsidenten. Der öffentlich inszenierte Teil ihres Privatlebens steht sichtlich in keinem Widerspruch zu heteronormativen Idealen und spätkapitalistischer Hegemonie. Doch Ivanka Trump macht sich das Label »Feminismus« medienwirksam zu eigen. An Figuren wie ihr zeigt sich, dass der Feminismus gegenwärtig nicht mehr nur eine politische Bewegung repräsentiert, sondern auch einen »kulturellen Code« – wie es die Soziologin Eva Illouz beschreibt. Feministische Geschlechterpolitik steht nach der Interpretation von politischen Akteurinnen wie Ivanka Trump auch nicht im Widerspruch zur kapitalistischen Wirtschaftsweise und Verwertungslogik, insbesondere nicht zum Neoliberalismus. Die feministische Forderung, das Private in das Feld des Politischen zu holen, ist nachhaltig erfolgt. Kaum jemand würde heute noch ernsthaft in Frage stellen, dass beispielsweise die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Auswirkungen des Geschlechts auf Karrierewege oder die gleiche Anerkennung verschiedener sexueller Orientierungen Themen sind, die nicht auch Parteien, Ministerien und Plenardebatten beschäftigen können. Wenn wir unter dem Begriff Politik vor allem im klassischen Sinne die Orte und Institutionen der parlamentarischen Demokratie verstehen, dann können wir guten Gewissens behaupten, dass vor allem Geschlecht und Sexualität dort ihr Recht auf Präsenz eingefordert haben. Und dennoch bleibt ein folgenreicher Nebeneffekt: die Loslösung des Feminismus vom Projekt des Sozialismus.
Nach Ende des Kalten Krieges und des Systemkonfliktes entstand, so Nancy Fraser, eine »postsozialistische Situation« . Fraser verweist damit auf das Fehlen einer gemeinsamen »fortschrittlichen Vision, die eine glaubwürdige Alternative zu der gegenwärtigen Ordnung darstellen könnte.« Als progressives Ideal, wirkte der Feminismus einst in der Phalanx des Klassenkampfes. Heute indes verortet sich ein zunehmender Teil des feministischen Aktivismus nicht mehr in den Reihen eines sozialistischen Großprojekts. Wenn der Feminismus auch kein Partikularinteresse darstellt, so sind die Interessensvertretungen der feministischen Sache immer partikularer.
»Der Feminismus wird im progressiven Neoliberalismus zunehmend von den ökonomischen Kämpfen abgekapselt.«
Dies zeigt sich in einer Reihe geschlechtspolitischer Aktivismen der vergangenen Jahre. Die Hashtag-Kampagnen #MeToo und #Aufschrei, die die Alltäglichkeit von Sexismus in der Gesellschaft thematisierten, waren Projekte, die auf keinem kohärenten Theoriegebäude fußten, sondern aus konkreten Ereignissen heraus entstanden. Obwohl beide Kampagnen darauf abzielten, Vertreter elitärer Machtpositionen zur Verantwortung zu ziehen, so war es in beiden Fällen der Missbrauch dieser Machtposition, und nicht diese als solche, an dem man Anstoß nahm. Zwar betonten linke Stimmen in den Kampagnen den Zusammenhang von Patriarchat und Kapitalismus, jedoch schien die Kritik an letzterem in beiden Fällen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Linke politische Bewegungen und Parteien waren damit zwar anschlussfähig an #Aufschrei und #MeToo, obwohl beide die Kampagnen keine dezidiert linken waren. In beiden Fällen sammelten sich politische Energien quer durch das Spektrum sozialer Milieus, da Frauen durch alle Klassen hindurch Erfahrungen, wie sie in den beiden Kampagnen thematisiert wurden, gemacht hatten. So brachten beide Kampagnen feministische Position zwar weiter in die Mitte der Gesellschaft, führten aber gleichzeitig auch die voranschreitende Entkopplung des Feminismus vom linken politischen Spektrum weiter.
Nancy Fraser betont das Dilemma zwischen den Polen ökonomisch-materieller Interessen einerseits und den kulturellen Kämpfen nach Anerkennung andererseits. Der Feminismus werde, so Fraser, im progressiven Neoliberalismus zunehmend von den ökonomischen Kämpfen abgekapselt. Ein verbindender Ansatz, der ökonomische, soziale Gleichstellung und kulturelle Anerkennung gemeinsam fordert, wird so erschwert. Der Feminismus steht damit immer weniger im Kontext eines emanzipatorischen Großprojektes. Feministische Politiken, die Klassenfragen vernachlässigen, werden sich somit auf dem fragmentierten Angebotsmarkt der Politik selbst behaupten müssen. Darin liegt ein entscheidender Nachteil, denn erstens enthält der Feminismus selbst keinen homogenen politischen Forderungskatalog. Zweitens laufen feministische Interessen so Gefahr, dass sie gegen andere Ebenen des Interessenskonflikts, wie etwa Verteilungskämpfe, ausgespielt werden. Und drittens wird der Feminismus auf diese Weise verstärkt zur Legitimierung des hegemonialen kapitalistischen Systems herangezogen und mehr und mehr vom progressiven Neoliberalismus vereinnahmt. Anders gesagt: Der Neoliberalismus kann in seiner progressiven Form seine kulturelle Akzeptanz steigern. Umgekehrt können sich aber progressive politische Formate nicht darauf verlassen, dass die neoliberale Wirtschaftsordnung auch sie unterstützt. Der Neoliberalismus geht mit progressiven Positionen maximal ein Bündnis auf Zeit ein, bis sich andere Optionen als lohnender erweisen. Der Feminismus wird so angreifbarer und – wie die Gamergate-Kontroverse zeigt – selbst Gegenstand der Kritik im progressiven Neoliberalismus.
Die Gamergate Kontroverse war offenkundig kein Einzelfall, sondern symptomatisch für eine Verschiebung des politischen Gefüges. Denn der Anti-Genderismus stellt ein allgemeines, verbindendes Element der Neuen Rechten dar, da sich in ihm ein tiefsitzendes Gefühl einer »kränkender Enteignung« artikuliert, so der Soziologe Michael Kimmel. Diejenigen, die im Zuge des sozialen Wandels zunehmend Privilegien verlieren, verkraften dies immer schlechter, sodass sich ihre aufgestauten Energien in politischen Protestformationen entladen. Anti-Feminismus, Anti-Genderismus und Maskulismus können daher auch als Form eines geschlechtspolitischen Widerstands gegen den progressiven Neoliberalismus gelesen werden. Donald Trump gelang es, dieses Protestgefühl zu kanalisieren. Die politische Linke vermochte es nicht, diesen Protest in ein progressives Projekt umzulenken.
Der geschlechtspolitische Trumpismus kritisiert den Feminismus vor allen Dingen dafür, ein »ideologisches« und daher nicht-rationales Gedankengebäude zu sein. Innerhalb der Gamergate-Bewegung wurden Rationalität und Ideologie selbst zum Gegenstand der Auseinandersetzung. Diese anti-genderistische Geschlechterpolitik beabsichtigt, feministische Argumentation aus dem Kreis diskursiv anerkannter Rationalität generell auszuschließen.
Die Gamergate-Kontroverse zeigt, dass Geschlechterpolitik inzwischen auf der Vorderbühne anzutreffen ist. Nachdem die Frauenbewegung und der Feminismus die Geschlechterpolitik erfolgreich auf die politische Agenda gesetzt haben, verliert der Feminismus nun zunehmend die dominante Rolle innerhalb der Gesamtheit geschlechtspolitischer Forderungen. Dem Bedeutungsanstieg von Geschlechterpolitik als solche folgte dabei nicht automatisch ein Ausbau emanzipatorischer Errungenschaften, sondern vielmehr die Fragmentierung des Spektrums der Positionen und Bewegungen. Auch der Widerspruch zum Feminismus, etwa in Form des Anti-Feminismus, ist als eigenständiges geschlechtspolitisches Phänomen hinzugekommen. Auch die Negation von Geschlechterpolitik, etwa die Bestrebungen, das Geschlecht wieder in das Reich des Privaten zurückzudrängen, stellen damit selbst eine Form von Geschlechterpolitik dar – so lautstark ihre Vertreterinnen und Vertreter das auch zu leugnen versuchen.
In dem Streit ging es dabei nicht allein um Computerspiele. Gamergate war auch ein Symptom politischer Verwerfungen größerer Ordnung. Die gefühlten Feindschaften der Gamergate-Bewegung waren zum Teil anschlussfähig an die Auseinandersetzungen, die in Trumps Präsidentschaft mündeten. Wie Nancy Fraser argumentiert, steht der Erfolg der Neuen Rechten, die gegen progressive Ideologien wettern, daher auch im Widerspruch zum »progressiven Neoliberalismus«. Die offene Opposition zu feministischen Positionen kann dabei selbst als zeitgenössisches Format geschlechtspolitischen Aktivismus hinzugezählt werden. In Gamergate wollte ein kleiner Teil der Gaming-Szene den Feminismus aus ihrem kulturellen Milieu verbannen. Sie versuchten ihn als politischen Gegner vor allem dadurch zu delegitimieren, indem sie ihn als Partikularinteresse darstellten, der nicht die Interessen aller vertrat. Ein losgelöster Feminismus, der anschlussfähig an einen progressiven Neoliberalismus und jenseits von jeglicher Klassenpolitik agiert, bot ihnen dafür eine passende Angriffsfläche.