10. September 2025
Im Angesicht des Genozids in Gaza muss jede linke Partei eindeutig auf der Seite der Opfer stehen – auch zum Preis kurzfristiger politischer Rückschläge.
»Momentan steht die Linkspartei de facto außerhalb der derzeit wohl größten linken Mobilisierung der Welt.«
»Zu sagen was ist«, so wird Rosa Luxemburg oft zitiert, »bleibt die revolutionärste Tat«. Sie hatte damit nicht Unrecht – aber sie war auch nicht besonders originell. Die Grundidee, dass linke Parteien nur so gut sind wie ihr Wort, reicht bis zu den Anfängen der Bewegung zurück. Tatsächlich bezieht sich das berühmte Luxemburg-Zitat auf einen Vortrag des frühen Arbeiterführers Ferdinand Lassalle, der 1862 erklärte: »Alle große politische Aktion besteht in dem Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. […] Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist.«
Was auf den ersten Blick wie eine linke Selbstverständlichkeit erscheint, hat seit dem überraschenden Wiedereinzug der Linken in den Bundestag neue Relevanz gewonnen. Denn obwohl die Partei sich – zu Recht – als das soziale Gewissen der Bundesrepublik hinstellt, hält sie sich in einer der zentralen Fragen unserer Zeit auffallend bedeckt: Gaza.
Während des Wahlkampfs hielt sich die Partei in außenpolitischen Fragen bewusst zurück, um eine weitere Fragmentierung ihrer Basis zu vermeiden. Die Ausklammerung des Gaza-Krieges zu einem Zeitpunkt, als die israelischen Angriffe bereits über 40.000 Menschen getötet hatten, darunter vermutlich die Mehrheit Zivilisten, mag moralisch bedenklich gewesen sein. Aber die taktische Überlegung dahinter war offensichtlich. Jedenfalls schaffte es die Partei, ihr Wahlergebnis um mehr als 2 Millionen Stimmen zu verdoppeln und zu sichern, dass es überhaupt noch eine linke Opposition im Bundestag gibt.
Weniger offensichtlich ist aber, warum die Partei diese kurzfristige Taktik nach der Wahl anscheinend zu einer langfristigen Strategie gemacht hat – obwohl die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung und insbesondere die Linken-Basis eine härtere Gangart gegenüber Israel befürworten. Angesichts des Fehlens kritischer Stimmen in den Medien und im Parlament, ganz zu schweigen von der brutalen Repression gegen pro-palästinensische Proteste in der Hauptstadt, wurde das Thema der Linkspartei praktisch auf dem Silbertablett serviert. Doch sie zögerte weiterhin.
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Loren Balhorn ist Editor-in-Chief von JACOBIN.