16. Juli 2023
Deutsche Gefängnisinsassen werden unter dem Vorwand der Resozialisierung zur Arbeit gezwungen. Einige der größten deutschen Unternehmen schlagen daraus Profit. Doch hinter Gittern findet ein erbitterter Arbeitskampf statt.
Justizvollzugsanstalt Moabit
In Deutschen Gefängnissen herrscht Arbeitspflicht. 80 Prozent der Insassen deutscher Gefängnisse verrichten verpflichtend Arbeit für externe Unternehmen. Hier wird acht Stunden am Tag gearbeitet. Pro Stunde bekommen die Insassen zwischen 1,30 und 2,30 Euro. Dafür bekommen die Arbeitenden nicht einmal Rentenpunkte, was die Arbeit für die Konzerne noch billiger macht, zugunsten der Profite.
Wer gegen die Arbeitspflicht aufbegehrt, bekommt den Straftatbestand der Meuterei aufgedrückt, sodass seine Haftstrafe um viele Jahre verlängert wird. Insassen in Deutschland können also lediglich in den Hungerstreik gehen, da sie dann aus gesundheitlichen Gründen aus der gesetzlichen Arbeitspflicht fallen.
Einige Firmen sind hier im großen Stil vertreten, Brennstuhl zum Beispiel, aber auch VW oder BMW. Für diese Konzerne produzieren die Insassen Autoteile oder verpacken Haushaltsgeräte. Eine Liste aller Unternehmen sowie deren Profite ist immer noch nicht transparent gemacht worden.
»Zwangsarbeit macht sozial – Deutsche Leitkultur fürs Kapital.«
Man möchte meinen, dass im Artikel 12 des deutschen Grundgesetzes nach dem Faschismus festgehalten wurde, dass Zwangsarbeit illegal sei. Man hat damals aber einen dritten Absatz eingefügt, der besagt, dass dies nicht bei einem Freiheitsentzug gilt. Damit wird Zwangsarbeit für Zehntausende Menschen in diesem Land gerechtfertigt. Sie würde, so heißt es, die Insassen resozialisieren. Zwangsarbeit macht also wieder sozial – Deutsche Leitkultur fürs Kapital.
Dagegen klagen jetzt Gefangene bis vor das Bundesverfassungsgericht. Sie sagen: Mindestlohn für alle, Renten und Sozialversicherung sowie die Freiheit, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Der Kampf für das bessere Leben ist auch ein Arbeitskampf hinter Gittern.
Simin Jawabreh (@siminjawa) arbeitet an der Humboldt-Universität zu Berlin im Lehrbereich Theorie der Politik, in der politischen Bildung und ist Kolumnistin bei JACOBIN.