26. September 2023
Großbritanniens öffentliches Gesundheitssystem NHS ist in der Bevölkerung beliebt, aber nicht bei neoliberalen Politikern. Jetzt droht ihre Strategie aufzugehen, die Menschen privaten Anbietern in die Hände zu treiben.
»Ende 2022 mussten Menschen mit Notfällen in England durchschnittlich über 90 Minuten auf einen Krankenwagen warten.«
In Großbritannien kann man sich dieser Tage nicht des Eindrucks erwehren, dass alles auseinanderfällt. Die Mieten gehen durch die Decke, die Rechnungen werden immer höher, die Reallöhne fallen und die öffentlichen Dienste sind in einem maroden Zustand. Obdachlosigkeit und Gewaltverbrechen nehmen zu, während öffentliche Plätze immer mehr verwahrlosen. Und das alles geschieht vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe.
Die öffentliche Infrastruktur zu dezimieren, ist eines der Hauptziele der neoliberalen Bewegung, die die britische Politik spätestens seit der Wahl von Margaret Thatcher zur Premierministerin im Jahr 1979 dominiert. Staatliche Infrastruktur und Dienste wurden billig privatisiert, wobei die kurzfristigen Kapitalgewinne denjenigen zugutekamen, die Aktien kauften. Dadurch war die öffentliche Unterstützung für diesen Schritt zunächst groß. Allerdings ging die Privatisierung mit höheren Preisen und weniger Investitionen einher, da immer mehr Geld aus den Versorgungs- und Verkehrsnetzen abgezogen wurde, um die privaten Gewinnerwartungen zu befriedigen.
Die Regierung von Tony Blair setzte Thatchers Einsatz für die Privatisierung von Staatsvermögen weitgehend fort. New Labour hinterließ den Menschen einige der teuersten und ineffizientesten Versorgungs- und Verkehrsbetriebe in ganz Europa. Zugleich nahmen Outsourcing und private Finanzierungsinitiativen zu. Heute wird ein Großteil der öffentlichen Infrastruktur in Großbritannien von privaten Unternehmen betrieben, die ihre Monopolmacht nutzen, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der öffentlichen Hand möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen. Wichtige öffentliche Leistungen befinden sich nun im privaten Besitz von Kapitalgesellschaften, die auf dem Rücken ausgebeuteter Arbeiterinnen und Arbeiter und durch Unterinvestition in ihre Dienstleistungen enorme Gewinne erzielen.
»Wie Noam Chomsky einmal feststellte, lautet die ›Standardtechnik‹ für Privatisierung: ›Geld entziehen; dafür sorgen, dass nichts funktioniert; die Leute wütend machen; und dann alles dem Privatkapital übergeben.‹«
Eine große Ausnahme gibt es jedoch: Der National Health Service (NHS), in vielerlei Hinsicht die Krönung jenes sozialdemokratischen Konsenses der Nachkriegszeit, den die Neoliberalen zerstören wollen, hat inzwischen mehr als vierzig Jahre ihrer Herrschaft überlebt. Fragt sich nur, wie viel länger er sich noch halten kann.
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Grace Blakeley ist Redakteurin bei Tribune, Host des Podcasts A World to Win und Autorin des Buches Stolen: So retten wir die Welt vor dem Finanzkapitalismus.