20. Juni 2020
Kapitalkontrollen sind ein notwendiger erster Schritt. Aber wir brauchen noch radikalere Reformen, um einen gerechten Handel und die wirtschaftliche Entwicklung aller Länder zu fördern.
Die Trump-Regierung hat das Thema der Zölle in den Mittelpunkt der politischen Debatte gerückt. Indem Donald Trump die Fehlerhaftigkeit von Handelsabkommen wie NAFTA für den Niedergang der US-amerikanischen Industrie verantwortlich machte, versprach er arbeitenden US-Amerikanerinnen sich für den Schutz ihrer Arbeitsplätze einzusetzen und diese zurückzuholen, insbesondere durch protektionistische Maßnahmen.
An keinem Punkt jedoch hat Trump über das Problem der Kapitalfreizügigkeit gesprochen oder sie gar in Frage gestellt – der »Freihandel« weltweiter Geldströme. Statt Unternehmen an der Verlagerung ihrer Produktion ins Ausland zu hindern, entschied sich Trump dazu, Druck auf andere Nationen auszuüben und US-Konzernen bessere Positionen in globalen Wertschöpfungsketten zu verschaffen.
Donald Trump verspricht den US-Amerikanerinnen das Blaue aus der Luft. Die Politik der US-Regierung übt Druck auf aufstrebende kapitalistische Länder aus, die die wirtschaftliche Hegemonie US-amerikanischer Firmen bedrohen. Die Trump-Regierung versucht, diese Länder zur Einhaltung von Handelsabkommen zu zwingen, die hauptsächlich der kapitalistischen Klasse der USA zu Gute kommen. Währenddessen werden die Interessen der arbeitenden Klasse außer Acht gelassen. Was vor allem noch viel wichtiger ist: Dies wird keineswegs die Rückgewinnung von Industriearbeitsplätzen oder einen höheren Anstieg der Lohnquote in den USA bedeuten.
Als Sozialisten und Sozialistinnen müssen wir mehr tun als lediglich Trumps Verlogenheit aufzuzeigen. Wir brauchen eine Antwort auf die neoliberale Globalisierung, die es mit der Macht multinationaler Konzerne aufnehmen kann.
Neoliberale Handelspolitik behauptet, dass die Liberalisierung des Handels den daran beteiligten Ländern wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand für alle bringen wird. Im Kern beruhen alle neoliberalen Handelsabkommen auf den gleichen ideologischen Argumenten einiger Polit-Ökonomen des neunzehnten Jahrhunderts – insbesondere auf David Ricardos Theorie der komparativen Kostenvorteile.
Ricardos Grundargument lautet wie folgt: Wenn sich Nationen auf die Produktion von Waren und das Angebot von Dienstleistungen spezialisieren, in denen sie verhältnismäßig geringe Produktionskosten haben, sowie mit Ländern handeln, die ähnlich verfahren, dann werde die gemeinsame Menge an Gütern auf dem Weltmarkt optimiert. Dies wiederum führe zu höheren Lebensstandards für alle, die an diesen Handelsabkommen beteiligt sind, und letztlich zu einer ausgeglichenen Handelsbilanz, sowie zu einer Tendenz zur Vollbeschäftigung, da die Produktionskapazitäten der Länder maximiert würden.
Das Problem dieser Theorie ist, wie Anwar Shaikh und andere aufgezeigt haben, dass sie in komplettem Widerspruch zur Geschichte des Handels und der wirtschaftlichen Entwicklung steht. Es stimmt vor allem nicht, dass sich unter Bedingungen des Freihandels eine Tendenz zur Vollbeschäftigung einstellt. Darüber hinaus gibt es keinen empirischen Nachweis, dass sich die Handelsungleichgewichte tendenziell auf lange Sicht ausgleichen. Eher scheinen chronische Handelsungleichgewichte die Regel zu sein.
Es ist nämlich nicht der komparative, also relative, Vorteil bei den Produktionskosten, der die relative Spezialisierung zwischen den Ländern vorantreibt. Empirische Studien zeigen, dass der Haupttreiber von Handelsspezialisierungen der absolute Produktionskostenvorteil ist. Das heißt, Länder mit insgesamt geringeren Produktionskosten werden als Ganzes ständig Länder mit hohen Produktionskosten niederkonkurrieren. Die letzteren werden sich daraufhin genötigt sehen, ihr chronisches Handelsdefizit durch das Plündern ihrer Währungsreserven oder genügend ausländische Direktinvestitionen (FDI) und Kredite auszugleichen. Länder mit hohen Produktionskosten sind dann in einer Abwärtsspirale gefangen, mit dem Druck, die Reallöhne zu senken, was wiederum die Einkommensungleichheit sowohl national als auch global verschärft.
In der realen Welt findet internationaler Handel zwischen Firmen innerhalb globaler Wertschöpfungsketten statt. Man stelle sich diese Ketten am besten wie Fließbänder vor, nur dass die Konzerne unterschiedliche Produktionsstufen in unterschiedlichen Ländern ansiedeln. Jede Stufe »schöpft« zusätzlichen Wert ab, der sich im Gesamtpreis einer Ware niederschlägt. Das erlaubt produzierenden Unternehmen, Kosten zu sparen, indem einerseits Teile der Produktion mit Hilfe ausländischer Direktinvestitionen in Länder mit niedrigen Kosten verlagert werden und andererseits ein Teil der Gewinne der Endprodukte den ausländischen Zulieferern abgepresst wird.
Während Standortverlagerungen schon immer ein Merkmal internationalen Handels waren, zeigen William Milberg und Deborah Winkler, dass dieser Prozess der »vertikalen Integration« erheblich angestiegen ist. Das Ergebnis ist, dass die exportierten Waren eines Landes zunehmend von importierten Produktionsfaktoren abhängen. Die Wertschöpfung an einem einzelnen Punkt in der Zuliefererkette hingegen kann sehr niedrig sein.
Beispielsweise waren zwischen 2000 und 2009 rund 75 Prozent der US-Exporte von importierten Materialien abhängig. Statt die Vorprodukte von Firmen in den Vereinigten Staaten zu kaufen, was wegen der höheren Löhne recht kostspielig wäre, werden die Materialien dort gekauft, wo die Löhne und Gesamtkosten niedriger sind.
Den Firmen, die sich weiter unten in den globalen Wertschöpfungsketten befinden, sind keine nennenswerten Anteile an den Profiten garantiert. Während viel über die Verlagerung der Industrie weg von den entwickelten Staaten gesprochen wird, sind viele der neuen verarbeitenden Unternehmen im Globalen Süden ebenfalls auf Importe angewiesen. Viele dieser Importe stammen von Firmen, die oft teilweise oder komplett multinationalen Konzernen gehören. Diese multinationalen Konzerne eignen sich dann das Endprodukt an und »werten« es durch Marketing und Branding an den wichtigen Konsummärkten auf.
»Ohne eine Industriepolitik, die auf Wachstum und die Entwicklung geschützter Industrien ausgerichtet ist, würden Zölle nur die Kosten erhöhen und das Wirtschaftswachstum verlangsamen.«
Der Bericht der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) aus dem Jahr 2018 bestätigt das. Mit Hilfe der Daten aus der World Input-Output Database zeigen die Autorinnen und Autoren, dass zwischen 2000 und 2014 der »inländische Anteil an der Wertschöpfung und der inländische Anteil der Arbeitseinkommen an der Wertschöpfung gesunken« ist. Eine nennenswerte Ausnahme ist China, eine der wenigen Erfolgsgeschichten in der Welt. Auch das Ausmaß der Marktkonzentration ist frappierend: Ein Prozent der exportierenden Unternehmen verzeichnet 57 Prozent aller weltweiten Exporte im Jahr 2014.
Der globale Handel ist also durch eine zunehmende Marktkonzentration und Profitakkumulation der multinationalen Konzerne in den industrialisierten Kernstaaten gekennzeichnet. Das Ergebnis ist eine weltweite Polarisierung der Einkommen und Lebensstandards. Unternehmen aus den industrialisierten Ländern sind die Nutznießer günstiger Produktionsfaktoren, um andere Firmen vom Markt zu drängen. Gleichzeitig sind Entwicklungsländer gezwungen, die Kosten und heimischen Löhne zu senken, um ausländische Direktinvestitionen anzuziehen und damit etwas von der Wertschöpfung abzufangen.
Auf die hinteren Ränge zurückgeworfen, können Entwicklungsländer oft nur kleine Handelszuwächse erzielen. Darüber hinaus sind sie zur Finanzierung und für den Zugang zu Exportmärkten von den industrialisierten Kernstaaten und den Ländern mit Handelsüberschüssen abhängig. Eine Verbesserung der Position innerhalb der Wertschöpfungsketten würde eine aktivere staatliche Industriepolitik erfordern, aber das ist häufig durch die Freihandelsabkommen und ihre verbindlichen Konditionen ausgeschlossen.
Wie Jan Kregel erklärte, ist es in solch einer Welt nutzlos neue Zölle einzuführen, um Handelsungleichgewichte zu bekämpfen oder gar Arbeitsplätze zu sichern. Da Handel zwischen Firmen entsteht, die unterschiedliche Rechnungseinheiten (also unterschiedliche Währungen) nutzen, bedarf es finanzieller Vermittlung, die die Zahlungen überhaupt erst ermöglichen. Anders gesagt: Unternehmen müssen Bankkredite aufnehmen oder andere Mittel zur Finanzierung finden, um die Währung zu erhalten, die sie für den Tausch angesichts von Handelsungleichgewichten benötigen.
Erschwerend kommt hinzu, dass der internationale Handel im Zuge der Wirtschaftskrise der frühen 1970er Jahre in eine Ära eintrat, in der die Finanzierung von Handelsungleichgewichten mehr und mehr auf Privatkapital angewiesen war. Das hat die Nationalstaaten viel anfälliger für »plötzliche Stillstände« und »umgekehrte Kapitalflüsse« werden lassen. Dies waren genau jene Momente, in denen die Kapitalgeber ihr Geld abzogen, was wiederum den stabilen Waren- und Dienstleistungsfluss unterbrach. Länder, die eine Politik gegen den neoliberalen Konsens verfolgten, mussten diese Risiken oft in Kauf nehmen. Als Investorinnen und Investoren die Rückzahlung von Krediten anzweifelten oder die »wirtschaftlichen Grundlagen« von einzelnen Ländern hinterfragten, waren Währungskrisen und schließlich inländische Finanzkrisen durch Schulden im Ausland die Folge.
Kurz gesagt: Der Handel wird durch Finanzgeschäfte angetrieben, bei denen multinationale Konzerne zur Profitmaximierung nach der kostengünstigsten Produktion suchen und Ungleichgewichte im Handel durch Kapitalströme absichern. Wenn das Kapital es will, dann werden auch Handelsdefizite finanziert. Aufgrund des vorherrschenden Handels mit Zwischenprodukten und der Marktkonzentration am Ende der Wertschöpfungsketten nützen Zölle wenig, um Handelsstrukturen zu verändern oder die Industrie in den Vereinigten Staaten zu schützen. Ohne eine Industriepolitik, die auf Wachstum und die Entwicklung geschützter Industrien ausgerichtet ist, würden Zölle nur die Kosten erhöhen und das Wirtschaftswachstum verlangsamen. Falls es aber um die Umkehr von Handelsungleichgewichten und den Schutz von Arbeitsplätzen geht, dann sollte unser Fokus auf den Kapitalflüssen und ihrer Rolle in diesen Prozessen und nicht auf Zollpolitik liegen.
Was sollten wir also tun? Eine Strategie ist, die Fähigkeit des Kapitals sich grenzüberschreitend bewegen zu können anzugreifen. James Crotty und Gerald Epstein zufolge müssten verschiedene Kapitalverkehrskontrollen eingeführt werden, um Handelsungleichgewichte anzugehen und eine Arbeiterinnen und Arbeiter freundliche Politik zu verfolgen.
Kapitalverkehrskontrollen würden insbesondere bei der Neuausrichtung von Machtverhältnissen im Hinblick auf Handelsfragen und wirtschaftliche Entwicklung helfen. Sie können die Möglichkeit des Finanzkapitals und multinationaler Unternehmen, die arbeitende Klasse durch das Abziehen des Geldes und der Verlagerung von Produktionen zu gefährden, einschränken. Dies würde die Grundlage für eine Politik der Vollbeschäftigung mit Jobgarantien schaffen und die Lohnverhandlungsposition der arbeitenden Klasse stärken, da die Launen internationaler Kapitalströme ausgeschlossen wären.
Geschichtlich betrachtet waren Kapitalkontrollen ein unverzichtbares Element für die Entwicklung der industrialisierten Länder von heute. Sie halfen beim Verwalten des eigenen Währungswertes und erlaubten eine Industriepolitik, die die eigene wirtschaftliche Kraft förderte. Sie hoben den Handel auf eine höheren Stufe der globalen Wertschöpfungsketten an und generierten dadurch höhere Gewinne. Natürlich stellten sie nicht sicher, dass ein größerer Einkommensanteil an die Löhne entfiel. Deshalb müsste eine solche Politik mit der Stärkung von Gewerkschaften, einer Kampfansage an die private Konzentration von wirtschaftlicher Macht und schließlich mit der Demokratisierung der Produktionsmittel einhergehen.
Ohne diese Voraussetzungen kann eine expansive Wirtschaftspolitik einen Prozess in Gang setzen, der Handelsdefizite und Wechselkursschwankungen erhöht und auch zu Abwertungen der heimischen Reallöhne aus Wettbewerbsgründen führt. Unkontrollierter Zu- und Abfluss von Kapital kann großen Schaden anrichten und Schwankungen bei inländischen Preisen und Währungen auslösen. Die Folgen dieses Prozesses hängen von der relativen Bedeutung des Handels für eine Volkswirtschaft ab. Daher ist es wichtig, Handelsungleichgewichte nicht als nachrangig zu nationaler Politik anzusehen. Sozialistische Politik kann politisch schnell untragbar werden, wenn der wirtschaftliche Schaden durch die Kapitalflucht zu groß wird.
»Nichts davon kann annähernd erreicht oder getan werden ohne die Einführung und den Gebrauch von Kapitalkontrollen.«
Es gibt eine Vielzahl an möglichen Kapitalverkehrskontrollen. Sie reichen von Stand-By-Kontrollen, bei denen sich Länder darauf einigen, illegale Geldströme zurückzuzahlen, bis hin zu einer Steuerpolitik, die Einnahmen erzielt und kurzfristige spekulative Geldflüsse unattraktiv macht, wie zum Beispiel eine kleine Besteuerung auf den Devisenhandel. Außerdem können in- und ausländische Kreditvergaben harten Restriktionen unterliegen. Noch striktere Maßnahmen würden direkte quantitative Beschränkungen, das völlige Verbot von Geldtransfers, den Verkauf von Vermögen, die Regulierung der Kapitalmobilität oder eine Beschränkung, wer Fremdwährungen anbieten darf, beinhalten.
Die Androhung von noch umfassenderen und restriktiveren Kontrollen, wie zum Beispiel die Einfrierung von Vermögen oder Auslandskreditgeschäften, könnte genutzt werden, um das Kapital in Verhandlungen über fortschrittliche und demokratische Wirtschaftsabkommen zu zwingen.
Kapitalkontrollen erlauben ein stabileres Wirtschaftsmanagement, weil sie Besitz weg von den immensen Cash-Pools der Reichen verteilen und in sozial notwendige Dienstleistungen und Produktionen reinvestierten. Sie schaffen Raum für eine Politik der Vollbeschäftigung, der Investitionen in grüne Infrastruktur und der stärkeren Absicherung von Arbeiterinnen und Arbeitern. Kapitalkontrollen könnten sogar in Handelsabkommen mit anderen Nationen integriert werden, um multilaterale Verträge abzuschließen, die das Problem der Steueroasen und illegaler Finanzpolitik bekämpfen.
So bedeutsam sie auch sind, Kapitalverkehrskontrollen können nicht der einzige Aspekt eines linken Ansatzes in der Handelspolitik sein. Zwei zusätzliche Probleme müssen in den Fokus genommen werden. Erstens macht die aktuelle Handelsordnung Entwicklungsländer von den industrialisierten Kernländern im Hinblick auf Produkt- und Technologie-Importe abhängig. Zweitens bedarf das internationale System radikaler Reformen, um einen wirklich gerechten Handel und die wirtschaftliche Entwicklung aller Länder zu gewährleisten. Was die technologische Dominanz der industrialisierten Welt angeht, so braucht es kluge Überlegungen dazu, wie Entwicklungsländer in diese integriert werden können.
Wir sollten mutiger beim Transfer von Technologie und beim Umgang mit geistigem Eigentum sein. In Großbritannien sprach sich der Labour Politiker John McDonnell für den »freien oder günstigen« Transfer grüner Technologie an den Globalen Süden aus als eine Art Reparationszahlung für den Imperialismus. Ein langfristiges sozialistisches Ziel muss es sein, wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt öffentlich zu teilen. Kein Handelsabkommen darf Entwicklungsländer an Schulden fesseln, damit sich diese die Technologien für den Wandel zu einer grünen Wirtschaft leisten können.
Als Sozialistinnen und Sozialisten sollten wir noch weitergehen und uns für multilaterale Institutionen einsetzen, die den Handel und internationale Zahlungen so strukturieren, dass die wirtschaftliche und soziale Entwicklung aller Länder gefördert wird. In gewissem Sinne beinhaltet das, den US-Dollar als internationale Leitwährung durch ein System zu ersetzen, welches nicht in eine bestimmte Nation eingebettet ist – ähnliche wie das Bancor-System, das J.M. Keynes befürwortete und in jüngerer Zeit auch Paul Davidson. Viele Länder brauchen den US-Dollar und andere Schlüsselwährungen, um wichtige Importe zu kaufen, weshalb sie auf Exporterlöse und Auslandskredite angewiesen sind. Eine supranationale Verrechnungseinheit, die nicht von einer einzigen Nation kontrolliert wird, würde helfen dieses Problem zu lösen.
Die Vereinigten Staaten sind einzigartig, weil sie das Privileg besitzen, die globale Leitwährung auszugeben und zu verwalten. Aus diesem Grund sind sie nicht den gleichen Einschränkungen ausgesetzt, die andere Länder bei der Finanzierung ihres Handels erfahren – vorausgesetzt, dass es immer eine internationale Nachfrage nach dem US-Dollar gibt. Es ist also wahrscheinlich, dass die USA eine expansive makroökonomische Politik betreiben könnten ohne sofort durch eine schlechte Zahlungsbilanz Einschränkungen zu erfahren. US-amerikanische Sozialisten und Sozialistinnen sollten dennoch die Bedenken der restlichen Welt bezüglich der US-Handelspolitik, die auf einer Ausnahmestellung basiert, weder vernachlässigen noch versuchen, dieses Privileg aufrecht zu erhalten.
Schließlich muss festgehalten werden, dass das aktuelle System die Reduktion von Lohnkosten und Währungsabwertungen erleichtert, um ausländische Direktinvestitionen anzuziehen und die Wettbewerbsfähigkeit der Exporte zu erhöhen. Diese Austerität kann nur zu wirtschaftlichem Stillstand führen und erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Schuldenkrise. Ein alternatives System würde die Kosten der Anpassung auf Länder mit Handelsüberschüssen legen, indem Gewinne aus Handelsüberschüssen wieder in Defizitländern investiert werden müssten. So könnten die Ungleichgewichte in Zukunft korrigiert werden.
Das hieße also, Entwicklungsländern zu erlauben, die notwendigen Maßnahmen und Investitionen zu tätigen, um ihre Positionen innerhalb der globalen Wertschöpfungsketten zu verbessern.
Das aktuelle globale System hat die zunehmende Konzentration wirtschaftlicher Macht von Firmen in industrialisierten Ländern zugelassen, was zu erhöhter Ungleichheit und der polarisierten Entwicklung der Nationen geführt hat. Unter dem Vorwand des freien Handels und wirtschaftlicher Entwicklung hat der Neoliberalismus den freien Verkehr von Kapital weltweit zugelassen und diese Entwicklungen begünstigt.
Ein linker Ansatz in der Handelspolitik sollte sich mit der Reform dieses Systems beschäftigen, damit sowohl entwickelte als auch Entwicklungsländer Industriepolitik betreiben können, Technologietransfers gefördert und private Anhäufungen wirtschaftlicher Macht bekämpft werden können und multilaterale Institutionen etabliert werden, die wirtschaftliche Entwicklung sicherstellen und Menschenrechte stärken. Nationale Politik sollte außerdem auf Vollbeschäftigung und die Entwicklung einer Wirtschaft ausgerichtet sein, die sich an sozialen Bedürfnissen orientiert.
Nichts davon kann annähernd erreicht oder getan werden ohne die Einführung und den Gebrauch von Kapitalkontrollen und die Zusammenarbeit der einzelnen Länder.
Wollte man noch weitergehen, würde das eine tiefgreifende Transformation des internationalen Handels- und Zahlungssystems selbst bedeuten. Hier würde es Mechanismen bedürfen, die die Anpassungskosten den Überschussländern überantworten. Handelspolitik muss heutzutage glaubwürdig den finanziellen Kern der Weltwirtschaft anpacken. Ansonsten werden wir weiter einen Unterbietungswettbewerb zum Vorteil von großen Konzernen erleben. Um das zu verhindern, benötigen wir eine direkte Konfrontation mit und die Kontrolle über das Kapital.
Harrison Karlewicz ist Absolvent des Levy Economics Institute des Bard College und Assistenz-Professor für Volkswirtschaftslehre in Massachusetts.